Die Bundesregierung will laut einem Medienbericht ein Schlupfloch schließen, das es privat Krankenversicherten auch nach dem 55. Lebensjahr noch ermöglicht, zu einer gesetzlichen Krankenkasse zurückzukehren. Dabei melden sie ein Gewerbe im Ausland an, um dort für ein Jahr sozialversicherungspflichtig krankenversichert zu sein: eine rechtliche Grauzone mit Tücken.
Wenn Privatversicherte zurück zu einem gesetzlichen Krankenversicherer wechseln wollen, ist das ab dem 55. Lebensjahr kaum noch möglich. Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass junge und gesunde Menschen von den vergleichsweise niedrigen Beiträgen der PKV profitieren, um dann im Alter, wenn die Prämien aufgrund höherer Krankheitskosten steigen, zurück zur GKV zu wechseln und dem Solidarsystem finanziell zur Last zu fallen. Für viele Menschen stellt dies ein Problem dar, da die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht einkommensabhängig sind. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben viele Selbstständige oft keine oder nur eine unzureichende Altersvorsorge, was dazu führt, dass sie im Alter nur geringe Einkommen haben.
Wechsel von PKV in GKV dank Auslandsgewerbe
Eine dieser Ausnahmen betrifft den Auslandsaufenthalt. Wer im Ausland für mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, kann unter bestimmten Bedingungen von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. Dazu gehört etwa, dass man zuvor bereits für einen gewissen Zeitraum gesetzlich versichert gewesen ist. Verschiedene Wechselanbieter nutzen diese Möglichkeit, um Privatversicherten den Weg zurück in die gesetzliche Krankenkasse zu ebnen, wie procontra-online.de und das ARD-Magazin Plusminus berichten.
Derartige Anbieter werben laut Plusminus damit, dass man durch einen Wechsel zu einer gesetzlichen Krankenkasse mehr als 150.000 Euro sparen könne. Gemeinsam ist diesen Anbietern, dass sie auf ihren Webseiten nicht detailliert erklären, wie der Wechsel genau funktioniert, sondern diese Informationen erst in einem persönlichen Telefongespräch preisgeben. Die Redaktion von Plusminus führte testweise ein solches Gespräch. Dabei erklärte eine Beraterin, dass die Firmen für die wechselwillige Person ein Gewerbe in Tschechien oder einem anderen osteuropäischen Land anmelden. Da dort solche Tätigkeiten sozialversicherungspflichtig sind, wird auf diese Weise der Weg zurück in das gesetzliche System geebnet.
Um mit diesem Trick zu einer gesetzlichen Krankenkasse zu wechseln, müsse die Person nicht nach Tschechien reisen und auch sonst nichts weiter tun, erklärte die Beraterin weiter. Doch diesen Service lässt sich der Wechselanbieter gut bezahlen. 250 Euro im Monat solle der Service kosten, und bei einem erfolgreichen Wechsel kämen zusätzlich 9.000 Euro plus Mehrwertsteuer hinzu. Insgesamt wären so Kosten von über 12.000 Euro entstanden.
Rechtliche Grauzone birgt Risiken
Doch ist ein solches Vorgehen rechtens? Die Wechseloption ist schließlich für Menschen gedacht, die tatsächlich eine Zeit lang im Ausland tätig sind – und nicht nur so tun, als ob. In solchen Fällen wird eine gewerbliche Tätigkeit im Ausland nur vorgetäuscht. „Aus unserer Sicht ist das illegal und erodiert die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung“, zitiert procontra-online.de Anke Puzicha von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Das Vorgehen mit einem Scheingewerbe birgt erhebliche Risiken. Wenn es auffliegt, kann es ernsthafte Konsequenzen haben. Laut einer Stellungnahme des GKV-Verbandes gegenüber ProContra müssen Betroffene dann entweder in der privaten Krankenversicherung bleiben oder sogar dorthin zurückkehren. Dies gilt, wenn sich herausstellt, dass das Gewerbe nur zur Rückkehr in die GKV eingerichtet wurde. Zudem könnten anfallende Behandlungskosten zurückerstattet werden müssen, wie Verbraucherschützerin Anke Puzicha warnt. Der Vorwurf des Sozialbetrugs dürfte ebenfalls im Raum stehen.
In den Artikeln wird nicht detailliert erläutert, inwiefern es sich um Betrug handeln könnte. Denkbar ist jedoch, dass ein Verstoß gegen § 263 des Strafgesetzbuches (StGB) vorliegt. Dieser Paragraph besagt, dass sich strafbar macht, wer sich durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen rechtswidrig einen Vermögensvorteil verschafft.
Auch das Bundesgesundheitsministerium will handeln. „Es wird derzeit eine rechtliche Anpassung vorbereitet, so dass ein rechtsmissbräuchlicher Wechsel von der PKV in die GKV durch die Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland nach Vollendung des 55. Lebensjahres zukünftig nicht mehr möglich ist“, sagte eine Sprecherin gegenüber ProContra.