In der Tierhalterhaftpflicht ist auch der Hüter des Tieres zu bestimmten Bedingungen mitversichert, solange das Tier nicht gewerblich genutzt wird. Allerdings kann es manchmal auch notwendig sein, diesen Status des „Hüters“ aberkannt zu bekommen, damit eine Versicherungsleistung gezahlt wird. Wie kann dies sein? Versicherungsbote stellt das Urteil vor.
In der Tierhalterhaftpflicht ist der Tierhalter ebenso versichert wie der Hüter des Tiers. Voraussetzung: Deckungsschutz besteht nur für Tiere, die nicht gewerblich genutzt werden. Auch muss der Tierhalter eine Person ausdrücklich zum Hüten des Tieres auffordern, damit für den Hüter Versicherungsschutz im Deckungsumfang der Police besteht. Dann umfasst der Versicherungsschutz auch für den Hüter:
- a) die Prüfung der Haftpflichtfrage;
- b) die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und
- c) die Freistellung von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen.
Somit geht es in der Regel also bei Streitigkeiten vor Gericht darum, dass eine Person als Hüter des Tieres anerkannt wird, damit eine Haftpflichtversicherung leistet. In einem vor dem Landgericht (LG) Bielefeld und dann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm verhandelten Rechtsfall aber verhielt es sich etwas anders. Denn hier ging es für die klagende Partei vor allem darum, der Mutter des Hundehalters den Status der Tierhüterin abzuerkennen, um die Versicherungsleistung zu erhalten. Wie es dazu kam, wird im Folgenden vorgestellt.
Der Grund der Klage: Mutter stürzte über den Hund des Sohnes
Der Kläger, ein Hundehalter, nahm seine Versicherung auf Deckung in Anspruch, nachdem seine Mutter über den Hund gestolpert war. Dies passierte bei einem gemeinsamen Spaziergang des Elternpaars – der Vater führte den Hund an der Leine, als das Tier plötzlich den Weg der Mutter kreuzte und die Mutter zu Fall brachte. Der Sturz verursachte Knochenbrüche und Prellungen, die eine längere medizinische Behandlung und Rehabilitation erforderten. Aufgrund dieser Verletzungen forderte die Mutter nun von ihrem Sohn Schadenersatz – insbesondere Schmerzensgeld und die Kosten der medizinischen Versorgung. Dies sollte die Haftpflichtversicherung des Sohnes übernehmen.
Diese Leistungen allerdings würden der Mutter gerade dann nicht zustehen, wenn sie als Hüterin des Tieres betrachtet würde. Denn zwar leistet die Versicherung für den Hüter, sobald andere geschädigt werden – und leistet zu Bedingungen der Police für Schäden, die andere erlitten haben. Allerdings leistet die Haftpflichtversicherung nicht, wenn die Hüterin oder der Hüter selbst die Geschädigten sind. Denn mit der Verantwortung für das Tier übernimmt der Hüter auch Risiken für Eigenschäden, die ihn ereilen könnten. Diese Eigenverantwortung schließt Haftpflichtansprüche des Hüters gegen den Tierhalter und damit gegen die Haftpflichtversicherung aus. Die Versicherung berief sich darauf, deutete die Mutter als Hüterin des Tiers und verweigerte die Zahlung – weswegen der Hundehalter gegen die Versicherung klagte.
Warum das Landgericht die Klage abwies
Das Landgericht Bielefeld urteilte nach Vernehmung von Zeugen zunächst jedoch, die Mutter des Klägers sei als Tierhüterin zu betrachten – und habe deswegen keinen Anspruch als Geschädigte auf Leistungen aus der Haftpflicht des Sohnes (LG Bielefeld; Az. 18 O 85/15). Hierbei berief sich das Gericht auf mehrere Urteilsgründe:
- Begleitung des Spaziergangs: Die Mutter begleitete ihren Mann, der den Hund an der Leine führte, regelmäßig bei Spaziergängen. Das Landgericht interpretierte diese regelmäßige Begleitung als eine Form der Betreuung oder Überwachung des Hundes.
- Mitwirkung in der Wohnung: Obwohl die Mutter nach Aussage des Klägers den Hund in der Wohnung nicht betreute, sah das Landgericht ihre Anwesenheit in der Wohnung, wo der Hund ebenfalls lebte, als ausreichenden Grund an, um sie als Tierhüterin zu qualifizieren. Das Gericht folgerte, dass sie durch ihre Anwesenheit und gelegentliche Interaktionen eine Rolle bei der Überwachung des Hundes spielte.
- Verständige Betrachtung: Nach Ansicht des Landgerichts war es vernünftig anzunehmen, dass die Mutter vom Kläger damit beauftragt wurde, auf den Hund aufzupassen. Diese Schlussfolgerung basierte auf der Annahme, dass beide Elternteile des Klägers gemeinsam für die Betreuung des Hundes verantwortlich waren, wenn der Kläger abwesend war.
Warum das Oberlandesgericht anders entschied
Die Begründung des Oberlandesgerichtes Hamm spielte wesentlich darauf ab, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um als Tierhüter zu gelten (OLG Hamm; Az. 20 U 158/16). Und hierfür ist keineswegs eine passive Begleitung der Person – trotz Interaktion mit dem Tier – ausreichend. Sondern es müssen konkrete Anforderungen erfüllt sein:
- Besonders wichtig ist hierbei der Auftrag: erst, wenn eine Person mit dem Hüten des Hundes beauftragt ist, kann sie auch als Tierhüter gelten. Das Gericht formuliert: „Es genügt nicht die tatsächliche Übernahme der Obhut über das Tier, sondern es bedarf eines entsprechenden Auftrags des Halters“. Laut Gericht gibt es aber keinen Beweis dafür, dass der Hundehalter seine Mutter tatsächlich damit beauftragt hat, den Hund zu hüten.
- Stattdessen wirkte der Vater als beauftragter Hüter – er hatte die Verantwortlichkeit und Kontrolle über das Tier und führte in der Unfallsituation das Tier auch an der Leine. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass auch die Mutter mit dem Tier interagierte. Das aber reicht für den Status des Hüters nicht aus.
- Zu beachten ist für das Urteil aber auch: der Hund darf nicht gewerblich genutzt werden. Nur dann greift die Haftpflicht auch für den Hüter – und greifen in der Folge die hier vorgestellten Urteilsgründe. Denn als Hüter ist in diesem Fall der Vater des Hundehalters anzusehen.
Das Oberlandesgericht ging also davon aus, dass die Mutter des Hundehalters nicht als Hüterin zu betrachten ist. Demnach erhält sie den Status eines dritten Geschädigten und hat Anspruch auf Leistungen der Haftpflicht. Folglich verurteilte das Gericht die Haftpflichtversicherung dazu, dem Kläger Versicherungsschutz für die Haftpflichtforderungen aus dem Versicherungsfall zu gewähren – und die Kosten für Schmerzensgeld und medizinische Behandlung der Mutter des Klägers zu übernehmen.
Fazit aus dem Urteil
Wenn der Haftpflichtschutz auf einen Hüter übergehen soll, reicht es keineswegs aus, wenn eine Person lediglich anwesend ist oder das Tier gelegentlich begleitet. Für die Qualifikation als Tierhüter ist eine ausdrückliche Beauftragung und aktive Verantwortung notwendig. Man sollte diese Tatsache beachten, wenn der Hund einer Person überlassen wird, die nicht ausdrücklich mit der Betreuung des Hundes betraut ist.
Andererseits kann aber eine Person, die das Tier nur gelegentlich begleitet und keine aktive Betreuungsfunktion erfüllt, einen Haftpflichtschaden bei der Haftpflicht des Halters geltend machen – denn diese Person hat nicht den Rechtsstatus des Tierhüters. Das trifft sogar dann zu, wenn es sich um die Mutter des Hundebesitzers handelt. Das Urteil ist auf den Seiten der Rechtsprechungsdatenbank Nordrhein-Westfahlen verfügbar.