Getsafe peilt in Versicherung erstmals Gewinn an

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Das Heidelberger Start-up Getsafe kann mit seinem Versicherer erstmals die Gewinnzone erreichen. Dieser Erfolg wird auf eine hohe Automatisierungsquote im Kundenservice und in der Schadenabwicklung zurückgeführt. Trotzdem bleibt die Schaden-Kosten-Quote weiterhin nah am roten Bereich.

Es ist normal, dass neue Wettbewerber im Versicherungsmarkt anfangs ein Zuschussgeschäft betreiben. Strukturen müssen aufgebaut, Fachkräfte eingeworben und Kunden gewonnen werden – all das kostet Geld. Mitunter braucht es Geduld, bis sich ein Geschäftsmodell etabliert und behauptet. Das zeigen auch andere Branchen: Bis der Tech-Konzern Tesla erstmals einen Jahresgewinn erzielen konnte, vergingen ab Gründung volle 17 Jahre.

Bei Getsafe könnte dieser Weg schneller gehen. Im ersten Halbjahr 2024 konnte der hauseigene Versicherer bereits ein positives Nettoergebnis verzeichnen, berichtet Firmenchef und Mitbegründer Christian Wiens im „Handelsblatt“. Auch die Getsafe-Gruppe nähert sich der Gewinnschwelle: „Wir erwarten, diese im Jahr 2025 zu erreichen“, so Wiens. Das Heidelberger Start-up wurde im Jahr 2015 gegründet.

Den Gewinn habe der hauseigene Versicherer durch die hohe Automatisierungsquote im Kundenservice und in der Schadenregulierung erzielt, so Wiens weiter. Doch wie steht es um die Kundenzufriedenheit? Vor einigen Monaten berichtete die Plattform capital.de über zahlreiche Beschwerden auf sozialen Medien. Bei „Trustpilot“ erreicht Getsafe zwar immer noch eine zufriedenstellende Bewertung von 3,2 aus fünf Sternen, jedoch vergab etwa ein Viertel der 4.060 Kundinnen und Kunden nur einen Stern, die schlechteste Bewertung. Andererseits gibt es mehrheitlich positive Rückmeldungen, wonach ein Schaden schnell reguliert worden sei.

Getsafe orientierte sich mehrfach strategisch neu

Getsafe ging den Weg vieler Start-ups im Versicherungssegment: Mit großen Ambitionen gestartet, baute man das Geschäft nach und nach aus und musste auch einige Kurskorrekturen vornehmen. Zunächst ein Online-Makler mit eigener App, konzentrierte sich das Unternehmen zunächst auf einen Vertragsordner, der es Kundinnen und Kunden erlaubte, ihre Versicherungen online zu verwalten und bei Bedarf den Versicherungsschutz anzupassen. 2021 erhielt das Heidelberger Start-up von der Aufsichtsbehörde BaFin die Versicherungslizenz für den Bereich Schaden- und Unfallversicherung. Zuvor war Getsafe als Assekuradeur tätig und brachte Policen in den Bereichen Haftpflicht, Hausrat, Zahnzusatz und Rechtsschutz auf den Markt. Auch nach Erhalt der Lizenz trat das Unternehmen weiterhin als Assekuradeur auf, insbesondere im Bereich Rechtsschutz- und Kfz-Versicherungen.

Zumindest für den Versicherer lief es im Vorjahr gut: Laut SFCR-Bericht konnte die Getsafe Insurace AG die gebuchten Bruttobeiträge mehr als verdreifachen und von 6,52 Millionen Euro auf 21,02 Millionen Euro erhöhen. Der Vertragsbestand konnte fast ähnlich stark zulegen: von knapp 148.000 Policen Ende 2022 auf knapp 421.000 Verträge zum Jahresende 2023. Das resultierte aber auch aus Zukäufen. So hat Getsafe den deutschen Kundenstamm des französischen Versicherers Luko übernommen. Zielgruppe sind junge, internetaffine Menschen: und anders als vergleichbare Wettbewerber, arbeitet Getsafe nicht mehr mit Maklern und Vergleichsportalen zusammen, sondern tritt als Direktversicherer auf. Auch mit dieser strategischen Ausrichtung entfernte man sich von seinen Unternehmenswurzeln.

Doch die naheliegende Idee, dass das Direktgeschäft günstiger sei, weil man an Provisionen spare, trügt - zumindest, wenn es um den Gewinn neuer Kunden geht. Denn dafür müssen Anbieter wie Getsafe teure Werbung bei Google und anderen Social-Media-Plattformen werben. Das ist teuer. Auch Wiens räume ein, dass die Akquise über Makler kurzfristig günstiger sei, berichtet das „Handelsblatt“. Getsafe setze aber darauf, dass einmal gewonnene Kunden weitere Produkte kaufen und abschließen. Schwierig gestaltete sich für Getsafe die Expansion ins europäische Ausland, die teilweise abgeblasen werden musste.

Im ersten Halbjahr habe die Getsafe Insurance einen Gewinn im mittleren sechsstelligen Bereich erzielt, nachdem 2023 noch ein Verlust von 1,4 Millionen Euro verzeichnet worden sei, berichtete Wiens dem „Handelsblatt“. Bei der Getsafe-Gruppe sehe es jedoch anders aus: Diese werde die Gewinnschwelle voraussichtlich 2025 erreichen, weshalb man für 2024 noch mit einem niedrigen siebenstelligen Verlust rechne. Im Versicherungsgeschäft profitiere Getsafe zudem von einer verbesserten Schaden-Kosten-Quote. Mit 98 Prozent liegt diese jedoch immer noch nahe an der kritischen 100-Prozent-Marke, ab der im engeren Versicherungsgeschäft kein Gewinn mehr erzielt wird.