Auslandsreisekrankenversicherung: Bei unklaren Klauseln bleibt Leistungspflicht bestehen

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Auslandsreisekrankenversicherungen schließen in der Regel Vorerkrankungen vom Versicherungsschutz aus, um missbräuchliche Abschlüsse zu verhindern. Die Klauseln aber müssen transparenz formuliert sein – sonst bleibt die Leistungspflicht bestehen, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt. Versicherungsbote stellt das Urteil vor.

Auslandsreisekrankenversicherungen sind ein essenzieller Schutz für Reisende, die im Ausland gegen hohe Behandlungskosten abgesichert sein wollen. Eine gängige Praxis in diesen Policen ist allerdings der Ausschluss von Vorerkrankungen. Denn wenn eine Krankheit bereits bekannt ist, könnte der Versicherte versuchen, eine Behandlung im Ausland auf Kosten der Versicherung durchführen zu lassen, die er im Heimatland möglicherweise selbst tragen müsste. Derartige Risiken für die Unternehmen sollen durch den Ausschluss begrenzt werden. Dass Versicherer hierbei aber auch in der Pflicht sind, die Klauseln klar und verständlich zu formulieren, zeigt nun ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2024 (Az. IV ZR 129/23).

Was führte zu dem Rechtsstreit über drei Instanzen hinweg? Grund war die Erkrankung eines vorerkrankten Reisenden: Ein Mann flog am 13. November 2018 von Frankfurt am Main nach Miami, mit einem Rückflugtermin für den 27. März 2019. Während seines Aufenthalts erlitt der Versicherte, der bereits an Typ-2-Diabetes und wiederkehrenden Harnwegsinfektionen litt, eine Blutvergiftung und einen gefährlich hohen Blutzuckerspiegel, der eine lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung verursachte. Er musste vom 6. bis zum 10. Dezember 2018 stationär behandelt werden. Besonders in den USA ein Problem: Behandlungskosten dort sind besonders teuer (Versicherungsbote berichtete).

Die Krankenkasse schoß Kosten vor

Die deutsche Krankenversicherung des Versicherten übernahm die Behandlungskosten in Höhe von 34.091,90 Euro sowie die Transportkosten von 449,37 Euro – wollte jedoch nun einen Teil der Kosten von einer zweiten Versicherung erstattet haben. Hatte doch der Reisende auch eine Auslandsreisekrankenversicherung abgeschlossen. Diese Versicherung wurde ihm durch die Kreditkarte einer Bank gewährt, welche einen Gruppenversicherungsvertrag mit der Beklagten, einer weiteren Versicherungsgesellschaft, abgeschlossen hatte.

Mit ihrer Forderung berief sich die Krankenkasse auf Paragraf 78 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – demnach haften im Fall einer Mehrfachversicherung die Versicherer anteilig, sobald mehrere Versicherungen für den gleichen Schaden aufkommen könnten.

Der Reiseversicherer verweigerte die Teilzahlung – und berief sich auf die Ausschlussklausel

Die Auslandsreisekrankenversicherung des Mannes aber verweigerte die Teilzahlung der Kosten gegenüber der Krankenversicherung. Sie berief sich auf eine Klausel in den AVB, die Leistungen bei „bereits vorher bekannten medizinischen Zuständen“ ausschloss. Wörtlich hieß es in der Klausel: „Keine Leistungspflicht besteht bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand, der der versicherten Person bekannt war, als sie die Kreditkarte beantragte, bzw. bei der Buchung der Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, insbesondere, weswegen die versicherte Person: a) Während der letzten zwölf Monate einen Krankenhausaufenthalt hatte.“ Der Reiseversicherer argumentierte, die stationäre Behandlung sei aufgrund der bereits vor Reiseantritt bestehenden Krankheiten des Versicherten erforderlich gewesen – und die Leistungspflicht sei damit ausgeschlossen.

Der Versicherte war aber anderer Ansicht: Seine Erkrankung sei unvorhergesehen eingetreten und beruhe nicht auf den bereits bestehenden Gesundheitsproblemen im Sinne dieser Klausel. Die Krankenkasse des Mannes schloß sich dieser Ansicht an. Die Kasse verklagte den Anbieter der Reisekrankenversicherung auf anteilige Erstattung der Behandlungskosten.

In erster Instanz wurde der Klage vor dem Landgericht Köln stattgegeben (Az. 20 O 710/21). Der Reisekrankenversicherer legte Berufung ein – und scheiterte in zweiter Instanz auch vor dem Oberlandesgericht Köln (Az. 20 U 360/22). Nun zog die Beklagte vor den Bundesgerichtshof (BGH), um das Urteil auch hier überprüfen zu lassen. Erfolglos, wie das BGH-Urteil vom 10.07.2024 zeigte (Az. IV ZR 129/23): Die Klausel ist unwirksam, der Auslandsreisekrankenversicherer kann sich nicht darauf berufen.

Worin liegt das Problem der Klausel?

Mängel an der Ausschlussklausel, die für die Urteilsgründe der Vorinstanzen ausschlaggebend waren, wurden durch den BGH bestätigt. Folgendes beanstandete Deutschlands oberstes Zivilgericht:

  1. Unklare Definition von "medizinischem Zustand": Die Klausel benutzte den Begriff "medizinischer Zustand", ohne diesen klar zu definieren. Für den durchschnittlichen Versicherten war nicht ersichtlich, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter diesen Begriff fallen.
  2. Fehlende Eindeutigkeit bei Vorerkrankungen: Die Klausel nannte Beispiele wie Krankenhausaufenthalte oder erwartete Testergebnisse, ließ aber offen, welche anderen Vorerkrankungen ebenfalls vom Ausschluss betroffen wären. Es blieb unklar, ob auch weniger schwerwiegende oder alltägliche Gesundheitsprobleme, die nicht ausdrücklich erwähnt wurden, den Versicherungsschutz ausschließen könnten. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte fest, dass die Klausel für den Versicherten undurchsichtig war, da er nicht eindeutig erkennen konnte, welche weiteren Vorerkrankungen vom Schutz ausgenommen sind.
  3. Verwendung unklarer Zeitpunkte: Die Klausel machte nicht deutlich, ob der Ausschluss nur für Vorerkrankungen gilt, die bei der Beantragung der Kreditkarte oder bei der Buchung der Reise bekannt waren, oder ob auch frühere, weiter zurückliegende Erkrankungen dazu führen könnten. Diese Unklarheit ließ den Versicherten im Ungewissen darüber, welcher Zeitpunkt für den Ausschluss entscheidend ist und ob auch lange vergangene Krankheiten den Versicherungsschutz beeinträchtigen könnten.
  4. Unklare Beziehung zwischen Vorerkrankung und Versicherungsfall: Letztendlich legte die Klausel nicht klar fest, wann eine frühere Erkrankung den Versicherungsschutz ausschließt. Es blieb unklar, ob selbst frühere, vermeintlich unbedeutende Erkrankungen zum Ausschluss führen könnten. Diese Unklarheit benachteiligte den Versicherten erheblich – er kann sich letztlich nie sicher sein, ob die Versicherung leistet oder ob selbst unbedeutende Vorerkrankungen den Versicherungsschutz gefährden.

Die Klausel ist in ihrer Form somit unwirksam, da sie den Versicherten unangemessen benachteiligt – Rechtsgrundlage ist Paragraf 307 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Also kann sich der Auslandsreisekrankenversicherer nicht auf die Klausel berufen – er muss der Krankenkasse einen Teilbetrag erstatten.

Dennoch musste der BGH das Urteil aufheben und an das Oberlandesgericht zurückverweisen. Denn das OLG hatte nicht ausreichend geklärt, wie die Beklagte die genauen Beträge an die Klägerin zahlen sollte – es fehlten zum Beispiel Angaben zur Umrechnung von Dollarbeträgen in Euro. Auch blieb offen, ob die Gebühr eines Dienstleisters erstattungsfähig ist, der von der Krankenkasse mit der Abwicklung der Krankenhausrechnung beauftragt wurde. Diese Unklarheiten erfordern eine erneute Prüfung und Entscheidung durch das OLG.

Fazit: Konsequenzen des Urteils für die Versicherungsbranche

Es gibt, wie erwähnt, gute Gründe, bei Auslandsreisekrankenversicherungen Vorerkrankungen auszuschließen – dies betrifft sowohl Risiken für die Unternehmen als auch für das Versichertenkollektiv. Das Urteil unterstreicht allerdings die Notwendigkeit, Ausschlussklauseln klar und eindeutig zu formulieren. Unklare Klauseln, die dem Versicherungsnehmer nicht erlauben, den genauen Umfang seines Versicherungsschutzes zu erkennen, werden als unwirksam erachtet. Das Urteil stärkt somit auch die Rechte der Versicherungsnehmer – und nimmt die Versicherer in die Pflicht, die Klauseln gründlich zu prüfen. Das Urteil ist auf der Webseite des Bundesgerichtshofs verfügbar.