Eine überwältigende Mehrheit von 85 Prozent der Deutschen befürwortet, dass der Umgang mit Geld und Versicherungen stärker in der Schule vermittelt wird. Das ergab eine Umfrage im Auftrag, die die Verbraucherzentrale Bundesverbands im Jahr 2023 in Auftrag gegeben hatte. Ist ein Schulfach „Finanzbildung“ wirklich die Lösung für all unsere Probleme? Dieser Frage geht Versicherungsmakler und Bestseller-Autor Bastian Kunkel auf den Grund. In seiner Kolumne blickt der Gründer der Social-Media-Marke „Versicherungen mit Kopf“ kritisch auf den Status quo und die mögliche Lösungswege.
Die finanzielle Bildung von Jugendlichen in Deutschland lässt viel zu wünschen übrig. Trotz ihrer Affinität zu digitalen Technologien und den neuesten Trends fehlt es vielen jungen Menschen an den grundlegenden Kenntnissen, die sie benötigen, um ihr Geld sinnvoll zu verwalten. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegt dies eindrucksvoll: Ein erheblicher Teil der 15-jährigen Schüler in Deutschland ist nicht in der Lage, grundlegende finanzielle Entscheidungen zu treffen oder einfache finanzielle Konzepte zu verstehen. Angesichts dieser erschreckenden Erkenntnisse wird immer wieder die Einführung eines neuen Schulfachs „Finanzbildung“ gefordert. Doch ist das wirklich die beste Lösung?
Ein Schulfach „Finanzbildung“: Vielversprechend, aber nicht ohne Tücken
Die Einführung eines Schulfachs „Finanzbildung“ könnte sicherstellen, dass alle Jugendlichen die notwendigen Grundlagen über Sparen, Investieren und den verantwortungsvollen Umgang mit Geld lernen. Ein solcher Unterricht könnte strukturiert und systematisch Wissen vermitteln, das über die reine Mathematik hinausgeht und wichtige Lebenskompetenzen fördert. In einer zunehmend komplexen Finanzwelt erscheint es zwingend notwendig, dass junge Menschen auf diese Herausforderungen vorbereitet werden. Ein verpflichtendes Schulfach könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen.
Doch diese Lösung hat auch ihre Schattenseiten. Ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt ist, dass die Lehrpläne bereits jetzt überfrachtet sind. Die Einführung eines weiteren Pflichtfachs könnte den Druck auf Schüler und Lehrer weiter erhöhen. Zudem stellt sich die Frage der Umsetzung: Wer soll dieses Fach unterrichten? Die wenigsten Lehrer dürften über die notwendige Fachkompetenz in Finanz- und Versicherungsfragen verfügen, was bedeuten würde, dass umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen erforderlich wären - oder eben fachlicher Input von extern. Dazu gleich mehr. Ohne qualifizierte Lehrkräfte besteht zudem die Gefahr, dass der Unterricht zu theoretisch und praxisfern wird, was das eigentliche Ziel, die finanzielle Kompetenz der Schüler zu steigern, verfehlen könnte.
Finanzielle Bildung im Elternhaus: Praxisnah, aber nicht für alle zugänglich
Neben der Schule spielt das Elternhaus eine entscheidende Rolle bei der finanziellen Bildung von Jugendlichen. Eltern können ihren Kindern den Umgang mit Geld auf eine Weise beibringen, die direkt im Alltag verankert ist. Durch gemeinsames Planen des Familienbudgets oder das Sparen für bestimmte Ziele können Kinder frühzeitig ein Bewusstsein für den Wert von Geld entwickeln. Diese praxisnahe Vermittlung kann helfen, theoretisches Wissen in die Realität zu übertragen.
Allerdings ist dies nicht in allen Familien möglich. Eine Studie der ING-DiBa aus dem Jahr 2019 zeigt, dass mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen in Deutschland sich in Finanzfragen unsicher fühlt. Insbesondere in den Bereichen Altersvorsorge, Steuern und Kreditvergabe fehlen den Jugendlichen die nötigen Kenntnisse. Diese Unsicherheit kann oft darauf zurückgeführt werden, dass nicht alle Eltern über das nötige Wissen oder die Zeit verfügen, um ihren Kindern eine solide finanzielle Bildung zu vermitteln. Das führt zwangsläufig zu großen Unterschieden im Finanzwissen unter Gleichaltrigen und kann langfristig soziale Ungleichheiten verstärken.
Außerschulische Programme und Workshops: Flexibel, aber nicht flächendeckend
Ein weiterer Ansatz, um die finanzielle Bildung von Jugendlichen zu fördern, sind außerschulische Programme und Workshops, die von gemeinnützigen Organisationen, Banken oder Unternehmen angeboten werden. Diese Programme bieten Jugendlichen die Möglichkeit, sich gezielt und freiwillig mit Finanzthemen auseinanderzusetzen. Der große Vorteil solcher Angebote liegt in ihrer Praxisnähe und Flexibilität. Jugendliche können durch interaktive und spannende Formate direkt in die Materie eintauchen und das Gelernte sofort anwenden.
Jedoch haben auch diese Programme ihre Grenzen. Solche Angebote sind nicht immer flächendeckend verfügbar, und nicht alle Jugendlichen haben Zugang dazu, insbesondere in ländlichen Gebieten oder in sozial benachteiligten Familien. Zudem handelt es sich oft um freiwillige Programme, was bedeutet, dass genau diejenigen, die am meisten davon profitieren könnten, möglicherweise gar nicht teilnehmen.
Ein integrierter Ansatz ist gefragt
Ein eigenes Schulfach „Finanzbildung“ könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, doch es ist bei Weitem nicht die alleinige Lösung. Um die finanzielle Bildung von Jugendlichen wirklich zu verbessern, bedarf es eines integrierten Ansatzes, der verschiedene Akteure einbezieht. Schulen sollten eine grundlegende finanzielle Bildung vermitteln, Eltern könnten diese im Alltag vertiefen, und externe Programme könnten spezialisierte Kenntnisse und zusätzliches Praxiswissen liefern.
Nur durch eine solche Zusammenarbeit kann sichergestellt werden, dass die nächste Generation nicht nur theoretisches Wissen erwirbt, sondern auch die Fähigkeit entwickelt, dieses Wissen im Alltag anzuwenden und finanziell souverän ins Erwachsenenleben zu starten. Es ist an der Zeit, die finanzielle Bildung in Deutschland auf ein neues Niveau zu heben – und das gelingt vermutlich nur durch das Zusammenspiel aller beteiligten Kräfte.
Bildquelle: IMAGETOWN Richard Bejick