Vertrauen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Kundenbeziehung, wissen Andreas Quest und Fabian Daiber vom Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF). In einer Studie untersuchten sie die Reputation von Versicherern (Versicherungsbote berichtete). Im Interview erläutern die beiden Forscher weitere Hintergründe.
Wie wichtig ist eine starke Reputation für das Vertrauen der Kunden in die Finanzstärke und Verlässlichkeit eines Versicherers?
Andreas Quest: Ohne Vertrauen lässt sich keine Kundenbeziehung aufbauen und erhalten. Das gilt im Wesentlichen für jedes Unternehmen doch ist es für Versicherer essenziell, denn im Schadensfall muss die versprochenen Leistungen erbracht werden. Und nur eine starke Reputation signalisiert den Kunden, dass das Unternehmen in der Vergangenheit zuverlässig war und seine Verpflichtungen erfüllt hat, was Vertrauen schafft. Gleiches gilt im Übrigen auch für die finanzielle Stabilität, denn einem Unternehmen mit gutem Ruf, unterstellt man eher eine ebenso gute wirtschaftliche Performance. Zumal es bei Versicherungen um langfristige Verträge geht, ist dies von entscheidender Bedeutung, da Kunden ja sichergehen wollen, dass ihre Risiken effektiv abgedeckt sind.
Wie beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung eines Versicherungsunternehmens die Gewinnung neuer Kunden?
Andreas Quest: Ein positiver Ruf in der Öffentlichkeit wird u.a. vermittelt durch Werbung, klassische Medien, Social Media und Mund zu Mund-Propaganda und fördert letztlich das Vertrauen der potenziellen Kunden in den Versicherer. Skandale oder Ignoranz im Auftritt sind da nicht hilfreich. Um eine Geschäftsbeziehung einzugehen, bedarf es der guten Reputation und bei Versicherern besonders dem Vertrauen und der Zuverlässigkeit. Das ist im Grunde genommen die harte Währung der Versicherer: Verliert ein Versicherer in der öffentlichen Wahrnehmung an Ansehen, so wird auch das Geschäft mittel- bis langfristig Einbußen erleiden. Mal ganz davon abgesehen, dass die Neukundengewinnung nahezu unmöglich wird.
Was aber noch vor dem guten Ruf bzw. der starken Reputation kommt, ist die schlichte Tatsache, dass ich überhaupt wahrgenommen werde! So wie man sagt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Ist auch klar, dass das, was ich nicht kenne auch keinen Einfluss auf meine Entscheidungen hat. Warum sollte ich mich für eine Versicherung entscheiden, die mir nicht bekannt ist.
Welche langfristigen Auswirkungen hat eine schlechte Reputation auf die wirtschaftliche Stabilität und das Wachstum eines Versicherers?
Andreas Quest: Ich will es mal positiv formulieren: Unternehmen mit einer positiven öffentlichen Wahrnehmung können oft höhere Preise rechtfertigen, da die Kunden bereit sind, für die wahrgenommene Sicherheit und Qualität mehr zu bezahlen. Dies erleichtert nicht nur die Kundengewinnung, sondern verbessert auch die Gewinnmargen des Unternehmens. Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Schlechte Reputation führt zwangsläufig zu schlechter wirtschaftlicher Performance, weil es immer schwieriger wird, am Markt mitzuhalten. Da gibt es in der Branche ja prominente Beispiele, ohne Namen zu nennen.
Wie erklären Sie die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher Performance und allgemeiner Reputation, die in einigen Fällen auftritt?
Fabian Daiber: In der Tat war das Jahr 2024 bis jetzt für viele Versicherer in Bezug auf die wirtschaftliche Reputationsperformance kein gutes Jahr. Stellenstreichungen, defizitäre Produktsparten und Beitragsanpassungen u.a. im Zusammenhang mit der Zinswende fallen teilweise trotz gutem Konzernergebnis ins Gewicht. Dennoch haben es einige Versicherer geschafft, eine solide Performance hinzulegen. Allgemein ist anzumerken, dass Versicherer hier mehr aus der Deckung kommen und proaktiver werden müssen.
Wie kann ein Versicherer seine Reputation nach einem Reputationsschaden effektiv wiederherstellen?
Andreas Quest: Grundsätzlich gilt für das Reputationsmanagement: Schaffe Resilienz durch einen klugen Themenmix. Der ermöglicht in kritischen Zeiten, schnell Gegengewichte zu setzen. Und natürlich bringt es nichts, einen einmal eingetretenen Reputationsschaden zu leugnen oder zu ignorieren, da sollte im Rahmen der Möglichkeiten offen mit umgegangen werden. Hier ist der Auftritt des Managements von entscheidender Bedeutung. Eine Werbekampagne kann nie so viel und schnell Vertrauen wieder aufbauen wie ein möglichst authentischer Auftritt des Managements. Aber auch hier gilt: Der Mann oder die Frau müssen wenn möglich vorher schon in der Öffentlichkeit bekannt sein.
Inwiefern beeinflussen externe Faktoren wie politische Entscheidungen oder Naturkatastrophen die Reputation der Versicherer in Ihrer Studie?
Fabian Daiber: Die Versicherungswirtschaft ist natürlich bei vielen der Punkte häufig der Getriebene. Jedoch ist das auch immer eine Frage der Story. Ohne die Versicherer wäre der finanzielle Schaden von z.B. Naturkatastrophen kaum tragbar gewesen - vor allem mit der Geschwindigkeit. Die positive Berichterstattung darüber lässt aber zu wünschen übrig. Ich kann die Unternehmen nur ermutigen, über ihren positiven Impact zu sprechen. Tue Gutes und rede darüber!
Wie stark beeinflussen aktuelle wirtschaftliche oder gesellschaftliche Krisen die Reputation der Versicherer, und welche Beispiele haben Sie in der Studie beobachtet?
Andreas Quest: Die Zeichen im Land stehen auf Rezession, damit steht die finanzielle Stabilität und somit die Reputationsdimension der wirtschaftlichen Performance eines Versicherers im Vordergrund. Die Stakeholder Kunden sowie Investoren achten darauf, ob der Versicherer in der Lage ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen und Schadensfälle zu regulieren, auch wenn die wirtschaftlichen Bedingungen schwierig sind. Das ist insbesondere den beiden Rückversicherern aus Hannover und München gelungen, denn sie werden in Bezug auf ihre wirtschaftliche Performance hoch gerankt.
In welcher Weise beeinflusst die Reputation eines Versicherers die Zufriedenheit und Bindung von Mitarbeitern?
Andreas Quest: Stolz und Zugehörigkeitsgefühl spielen für viele Mitarbeiter eine wesentliche Rolle. Was im Übrigen für alle Branchen und Unternehmen gilt. Leider gelingt es nur sehr wenigen Versicherungen in dieser doch so wichtigen Reputationsdimension für ausreichend Sichtbarkeit zu sorgen. Und wenn, dann tauchen häufig Probleme auf. Und wir haben in dieser Studie schon darauf verzichtet kununu auszuwerten. HR und Kommunikationsabteilungen gelingt nur selten ein gelungenes Zusammenspiel. Da ist viel Luft nach oben.
Studie: Die vollständigen Ergebnisse "Das große Reputationsranking von Deutschlands Versicherungen 2024" sind in kostenpflichtigen, individuell aufbereiteten Studienberichten erhältlich. Die Reputationswerte werden detailliert vorgestellt, ebenso, wie die Sichtbarkeit, Tonalität und Medienquellen der einzelnen Unternehmen. Die Studienergebnisse sind durchgehend kommentiert. Für jeden Auftraggeber werden ein individuelles Summary und abgestimmte Handlungsempfehlungen erstellt. Eine Präsentation der Ergebnisse ist inbegriffen.