Riester-Rente: Werden ein Viertel aller Verträge vorzeitig gekündigt?

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Wurden von den mehr als 20 Millionen Riester-Rente-Verträgen knapp ein Viertel bereits gekündigt? Dies will das Onlineportal Finanztip herausgefunden haben - und spricht von einem „Desaster“ der staatlich geförderten Altersvorsorge. Der Versichererverband GDV hält die Berechnungen von Finanztip für „nicht konsistent“.

Wenn man danach fragt, wie viele Riester-Renten gekündigt oder ruhend gestellt werden, bekommt man keine genauen Antworten, da dies von der Bundesregierung nicht detailliert evaluiert wird. „Ruhend gestellt“ bedeutet, dass die Verträge zwar nicht gekündigt wurden, aber die Sparenden auch keine Beiträge mehr zahlen: entsprechend niedrig dürfte auch die zu erwartende Rente ausfallen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schätzt, dies treffe auf jeden vierten bis fünften Vertrag zu - anhand welcher Daten, bleibt unklar.

Am Donnerstag präsentiert nun das Onlineportal Finanztip eine Analyse, wonach von den bisher knapp 20 Millionen abgeschlossenen Verträgen seit Bestehen der Riester-Rente rund 4,6 Millionen bereits wieder gekündigt wurden. Hierbei handle es sich nicht um ruhend gestellte Verträge - sondern um solche, die bereits nicht mehr existieren, berichtet das Portal in einer Pressemitteilung. Die Auswertung basiert auf Daten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) sowie der Deutschen Rentenversicherung (DRV), heißt es in dem Bericht. Wie sich genau die hohe Zahl errechnet, legt das Portal jedoch nicht offen.

„Mit Blick auf diese Zahlen ist die Riester-Rente nicht einfach nur gescheitert. Sie ist ein Desaster”, sagt Finanztip-Experte Martin Klotz. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge wurde als eine Möglichkeit geschaffen, die entstandene Lücke aus der parallel beschlossenen Absenkung des Rentenniveaus auszugleichen. „Nimmt man die gekündigten und die stillgelegten Verträge zusammen, erfüllen knapp die Hälfte aller abgeschlossenen Verträge diesen Zweck nicht”, so der Altersvorsorge-Experte.

Besonders bitter sei die Bilanz auch deshalb, weil die Sparenden viel Geld verlieren, wenn sie sich von einem Vertrag trennen. „Die Kündigung eines Riester-Vertrags kommt Sparern teuer zu stehen. Zum einen müssen sie alle erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen“, warnt Klotz. Im Schnitt der vergangenen drei Jahre seien das laut BMAS, BMF und DRV rund 1.900 Euro pro Vertrag gewesen. „Zum anderen behalten die Anbieter einen Teil des eingezahlten Geldes ohnehin, und zwar die Provisionen sowie die Verwaltungs- und Fondskosten.” Im Amtsdeutsch werden vorzeitig gekündigte Verträge deshalb auch als "förderschädlich beendet" bezeichnet.

GDV: "Berechnungen nicht konsistent"

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist die Analyse von Finanztip zurück. „Die Berechnungen von Finanztip halten wir für nicht konsistent. Warum Kundinnen und Kunden ihre Riester-Verträge stornieren oder nicht mehr besparen, kann viele Gründe haben. Im Übrigen fließen auch in der gesetzlichen Rentenversicherung bei knapp einem Drittel der Versicherten keine Beiträge auf die Rentenkonten“, sagte Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer, dem Versicherungsboten.

Trotzdem zeige die aktuelle Diskussion, dass eine Reform der Riester-Rente dringend überfällig sei, betont Schumann. Der GDV fordere, dass die Förderung vereinfacht und das komplexe Zulagenverfahren entschlackt werde. Weniger Bürokratie bei der Förderung und den Zulagen habe auch die sogenannte Fokusgruppe Altersvorsorge gefordert – eine Expertenkommission der Bundesregierung, die Vorschläge für eine Reform der privaten Altersvorsorge ausgearbeitet hat.

"Neue Impulse verspricht laut Abschlussbericht der Fokusgruppe auch der Wegfall des 100-prozentigen Beitragserhalts in der Ansparphase, wofür sich der GDV bereits seit Längerem ausgesprochen hat. Die Flexibilisierung der Kapitalgarantie ermöglicht es Versicherern, rentablere und dennoch sichere Produkte anzubieten", so Schumann weiter. Da die Versicherer zum Rentenbeginn den Erhalt der Beiträge und Zulagen garantieren müssen, sind sie derzeit verpflichtet, große Teile der Kundenbeiträge in festverzinsliche und lang laufende Papiere zu investieren – die jedoch wenig Rendite erzielen.

Aktuell plant das Bundesfinanzministerium, die Förderfähigkeit von Altersvorsorge-Lösungen zu erweitern: Zukünftig sollen auch Bankauszahl- oder Fondsentnahmepläne staatlich gefördert werden, die keine lebenslange Rente garantieren. Dies wäre ein Paradigmenwechsel in der deutschen Rentenpolitik. In der Regel sehen diese Pläne nur eine Zahlung bis zum 85. Geburtstag vor. Moritz Schumann spricht sich gegen diesen Paradigmenwechsel aus. "Am Prinzip lebenslanger Leistungen darf aus Sicht der Versicherer nicht gerüttelt werden. Denn die private Zusatzrente dient in Ergänzung zur gesetzlichen Rente dazu, die lebensnotwendigen Ausgaben zu decken. Deshalb muss das Geld fließen, unabhängig davon, wie lange die Menschen leben. Ein Auszahlungsmodell, das dies nicht garantiert, ist keine gleichwertige Ergänzung zur gesetzlichen Rente", sagte Schumann dem Versicherungsboten.