Viele Führungskräfte haben eine ambivalente Haltung gegenüber einem verstärkten KI-Einsatz in ihrem Unternehmen. Sie forcieren ihn deshalb eher zögerlich, so die Beobachtung von Barbara Liebermeister, Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Im Gastbeitrag erklärt sie, welche Ursachen und Folgen zögerlicher KI-Einsatz hat und stellt Ergebnisse einer Online-Befragung von Führungskräften vor.
In vielen Unternehmen laufen bereits Pilotprojekte zur Nutzung der Künstlichen Intelligenz (KI). Diese beschränken sich zumeist zwar noch auf die Bereiche Marketing, Vertrieb und Unternehmenskommunikation. Dessen ungeachtet erahnen jedoch bereits viele Mitarbeiter aufgrund der erster Nutzungsversuche, welch enormes Entwicklungs- und Innovationspotenzial noch in der KI-Technik ruht – ein Potenzial, das nicht nur die Macht hat, einzelne Arbeitsprozesse zu verändern, sondern auch die Struktur und Geschäftsmodelle von Unternehmen sowie die Zusammenarbeit in ihnen. Und zwar speziell dann, wenn sich die KI mit der Robotik und Automatisierung zur sogenannten KIRA verbindet.
Dies veranlasste das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden, dazu, sich in seinem jüngsten Leadership-Trendbarometer mit den Fragen zu befassen,
- wie stark werden KI-Tools von den Führungskräften in den Unternehmen heute schon in ihrem Arbeitsalltag genutzt und
- wie sehr forcieren sie deren Einsatz in ihrem Bereich.
An der Online-Befragung nahmen 275 Führungskräfte teil (Deutschland: 173; Schweiz: 54; Österreich: 48). Ihr zentrales Ergebnis war: Die meisten Führungskräfte haben ein ambivalentes Verhältnis zur KI-Nutzung in ihrem Betrieb sowie in ihrem eigenen Arbeitsalltag.
Führungskräfte erachten KI-Einsatz als erfolgsrelevant…
So sind zwar 84,5 Prozent der befragten Führungskräfte überzeugt, dass ein professioneller KI-Einsatz für den Erfolg der Unternehmen in ihrer Branche eine „hohe“ oder gar „sehr hohe“ Bedeutung hat; nur 22,5 Prozent von ihnen nutzen aber solche KI-Tools wie ChatGPT, Deepl und Copilot heute schon nahezu täglich. Das heißt, beim Gros der Führungskräfte sind solche KI-Tools noch nicht in den Arbeitsalltag integriert, obwohl immerhin 55,6 Prozent angeben, sie würden diese zumindest einmal pro Woche nutzen.
Als Gründe für diese eher zögerliche Nutzung, obwohl der KI-Bahnbrecher ChatGPT inzwischen vor fast zwei Jahren zur allgemeinen Nutzung freigeschaltet wurde, nennen die Führungskräfte, die KI-Tools seltener als ein Mal pro Monat nutzen
- „Keine entsprechende Förderung im Unternehmen“ (34,8 Prozent)
- „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“ (24,6 Prozent) und
- „Zeitmangel“ (18,4 Prozent).
Insbesondere die hohe Zustimmung zum Item „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“ deutet auf eine tendenzielle Überforderung der Führungskräfte hin. Folglich wären eine diesbezügliche Förderung und Unterstützung von ihnen seitens der Unternehmen wichtig. Entsprechendes gilt für den Befund, dass fast jede fünfte Führungskraft äußert, sie nutze aus „Zeitmangel“ so selten KI-Tools. Dies deutet auf eine falsche Prioritätensetzung bei vielen Führungskräften hin, da zugleich das Gros von ihnen betont, ein professioneller KI-Einsatz habe für den Erfolg ihres Unternehmens eine „hohe“ bis „sehr hohe“ Relevanz.
… forcieren die KI-Nutzung aber eher zögerlich.
Mit der eher zögerlichen eigenen KI-Tool-Nutzung der Führungskräfte korrespondiert, dass sich nur 21,1 Prozent von ihnen aktiv für eine stärkere Nutzung der KI-Technik in ihrem Arbeitsumfeld einsetzen. Dies überrascht nicht, da nur etwa jede vierte Führungskraft (26,1 Prozent) es als eine ihrer strategischen Hauptaufgaben begreift, den KI-Einsatz in ihrem Verantwortungsbereich voranzutreiben. Dies deutet auf ein signifikantes Engagement-Defizit der Führungskräfte im KI-Bereich hin.
Dem mittleren Management fehlt oft die nötige Orientierung
Als Gründe für ihr eher geringes Engagement für einen stärkeren KI-Einsatz nennen die Führungskräfte unter anderem Datenschutzbedenken in ihrem Betrieb (62,7 Prozent). Zudem befürchten mehr als zwei Drittel von ihnen (72,8 Prozent), dass bei einem übermäßigen KI-Einsatz die menschliche Urteilsfähigkeit in ihrer Organisation verloren gehe. Als weiteres Problem wird die Integration der KI-Lösungen in die bestehenden Arbeitsabläufe und -strukturen genannt. So äußerten in den vertiefenden narrativen Interviews, die das IFIDZ mit etwa 15 Prozent der Befragungsteilnehmer im Anschluss an die Online-Befragung führte, diese immer wieder die Befürchtung, dass sie bei einem Vorpreschen ihrerseits im KI-Bereich nicht nur Probleme mit ihren Mitarbeitern, sondern auch mit den kooperierenden Bereichen und eventuell gar der Unternehmensleitung bekämen.
Diese Befürchtung ist begründet, denn in den meisten Unternehmen werden deren Kernleistungen heute in bereichsübergreifender Teamarbeit erbracht. Deshalb wirken sich Prozessänderungen in einem Bereich oft auf Nachbarbereiche aus. Auch die Unternehmenskultur wird beeinflusst. Deshalb ist bei einem verstärkten KI-Einsatz oft ein koordiniertes Vorgehen nötig. Unabdingbar sind zudem strategische Zielvorgaben seitens der Unternehmensleitung. Ansonsten fehlt den Führungskräften die nötige Orientierung. Die Folge: Sie bleiben weitgehend inaktiv oder ihr Engagement beschränkt sich auf einen punktuellen KI-Einsatz in ihrem Verantwortungsbereich.
Führungskräfte fühlen sich von der KI latent bedroht
Klare strategische Vorgaben sind auch nötig, weil nicht wenige Führungskräfte bei einem verstärkten KI-Einsatz mittelfristig einen Verlust von Arbeitsplätzen befürchten – speziell dann, wenn dieser zu einer verstärkten Automatisierung von Aufgaben und Prozessen führt. Zwar äußerten in der Online-Befragung nur 20,3 Prozent der Führungskräfte explizit diese Befürchtung, in den vertiefenden Interviews wiesen sie aber immer wieder darauf hin, dass ein verstärkter KI-Einsatz sich selbstverständlich auch auf die Führungssituation auswirke – und zwar allein schon deshalb, weil bei einer eventuell sinkenden Mitarbeiterzahl auch weniger Führungskräfte benötigt würden.
Auffallend war, dass dieses Bedrohungsgefühl am ausgeprägten bei den Führungskräften in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Unterkommunikation ist, in denen KI-Tools bereits überproportional stark genutzt werden; außerdem in solchen Stabsabteilungen wie Finanzen und Controlling, in denen eine Vielzahl von Daten zu erfassen und verarbeiten sind. Die Führungskräfte in der Produktion hingegen äußerten solche Bedenken nicht. Sie verwiesen eher darauf, dass ein möglicher KI-Einsatz ihnen mittelfristig eventuell sogar helfen könne, das Problem Fachkräftemangel zu lösen.
Bereichsübergreifendes Gesamtkonzept ist nötig
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es auch, wenn es um das Beantworten der Frage geht, welche Unterstützung die Führungskräfte seitens des Unternehmens brauchen, um den KI-Einsatz in ihrem Bereich zu forcieren, einer differenzierten Betrachtung bedarf; also einer Lösung, die unter anderem berücksichtigt,
- welcher Funktion hat der Bereich in der Organisation,
- wozu soll die KI in ihm genutzt werden und
- welche Auswirkungen hat der verstärkte KI-Einsatz auf die Mitarbeiter und die (bereichsübergreifende) Zusammenarbeit.
Diese Überlegungen müssen wiederum in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, was das Unternehmen durch den verstärkten KI-Einsatz erreichen möchte – auch um zu vermeiden, dass auf der Bereichsebene viele Insellösungen entstehen, die wiederum Folgeprobleme in der Gesamtorganisation bewirken.
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden. Sie ist Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: Wie man Mitarbeiter als Follower gewinnt“. Sie betreibt zudem die Podcasts „Digital ist egal… Was zählt bist DU!“ und „Business Secrets: Warum Frauen gelikt werden und Männern gefolgt wird!”.