Strafgebühr bei Fristversäumnis? Ein erstaunlich kurzsichtiger Vorschlag

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Einige Arztpraxen erheben bereits Strafgebühren von bis zu 100 Euro für unentschuldigtes Nichterscheinen, meist basierend auf vertraglichen Vereinbarungen mit den Patienten. Eine rechtliche Überprüfung dieser Praxis steht jedoch noch aus, da es bislang keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Kritiker argumentieren, dass solche Gebühren rechtlich problematisch sein könnten, wenn kein klarer Verdienstausfall nachweisbar ist oder die Höhe als unverhältnismäßig angesehen wird, was gegen das Prinzip der fairen Vertragsgestaltung verstoßen könnte.

Rechtlich ist dieser Vorschlag deswegen ebenfalls fragwürdig. Grundsätzlich gilt im deutschen Zivilrecht der Grundsatz „ohne Leistung keine Vergütung“. Das bedeutet, dass ein Arzt nur dann eine Zahlung verlangen kann, wenn eine Leistung erbracht wurde. Eine Strafzahlung für eine nicht erbrachte Leistung – nämlich eine ärztliche Behandlung, die aufgrund des Nichterscheinens des Patienten nicht stattfand – könnte rechtlich problematisch sein. Solche pauschalen Strafgebühren könnten in der Rechtsprechung als unverhältnismäßig und unzulässig betrachtet werden.

Verdienstausfall: Wann ist er überhaupt gerechtfertigt?

Ein weiterer Aspekt, der bei der Diskussion um Strafzahlungen oft übersehen wird, ist die Frage, wann tatsächlich ein Verdienstausfall für die Arztpraxis entsteht. In vielen Praxen, besonders in städtischen Gebieten oder bei Fachärzten, gibt es lange Wartezeiten. Es ist oft möglich, bei kurzfristigen Absagen andere Patienten nachrücken zu lassen oder spontane Konsultationen durchzuführen. In solchen Fällen entsteht kein echter Verdienstausfall – und eine Strafzahlung wäre schlicht nicht gerechtfertigt.

Die pauschale Einführung einer Strafzahlung ignoriert diese Tatsache und würde Praxen sogar dann finanzielle Vorteile verschaffen, wenn sie keine tatsächlichen Verluste erleiden. Dies wirft erhebliche Gerechtigkeitsfragen auf.

Bessere Lösungen: Effizientes Terminmanagement statt Strafen

Statt Patienten oder Krankenkassen zur Kasse zu bitten, gibt es effektivere und nachhaltigere Lösungen für das Problem der versäumten Arzttermine. Viele Praxen setzen bereits auf digitale Erinnerungsdienste, bei denen Patienten per SMS oder E-Mail an ihre bevorstehenden Termine erinnert werden. Diese einfachen Maßnahmen sind äußerst effektiv darin, die Termintreue zu erhöhen.

Darüber hinaus könnten flexible Stornierungsbedingungen dazu beitragen, die Zahl der nicht wahrgenommenen Termine zu verringern. Wenn Patienten die Möglichkeit haben, Termine kurzfristig und ohne Strafe abzusagen, sind sie eher bereit, rechtzeitig Bescheid zu geben, wenn sie einen Termin nicht wahrnehmen können. In Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden haben solche Systeme bereits ihre Wirksamkeit bewiesen.

Auch ein besseres Terminvergabesystem, bei dem Patienten online ihre Termine einsehen, verwalten und bei Bedarf anpassen können, würde helfen, die Zahl der verpassten Termine zu reduzieren. Ein flexibleres System könnte verhindern, dass Patienten Monate im Voraus Termine buchen müssen, die sie später möglicherweise nicht mehr wahrnehmen können.

Fazit: Eine verfehlte und kurzsichtige Maßnahme

Der Vorschlag von Andreas Gassen zur Einführung von Strafzahlungen für versäumte Arzttermine greift zu kurz und lässt die eigentlichen Herausforderungen des Gesundheitssystems außer Acht. Die Krankenkassen sind bereits finanziell stark belastet und könnten durch zusätzliche Kosten noch weiter unter Druck geraten. Gleichzeitig riskiert die Einführung von Strafgebühren, das Vertrauen zwischen Arzt und Patient zu untergraben und die Prävention zu schwächen – mit weitreichenden negativen Folgen für das gesamte Gesundheitssystem.

Anstatt auf Strafen zu setzen, sollten strukturelle Verbesserungen wie effizientes Terminmanagement und digitale Erinnerungen gefördert werden. Diese Maßnahmen haben das Potenzial, das Problem der versäumten Termine zu reduzieren, ohne Patienten oder Krankenkassen unverhältnismäßig zu belasten.