Die private Krankenversicherung (PKV) steht vor großen Herausforderungen in der Digitalisierung. Besonders die Integration in die Telematikinfrastruktur (TI) ist entscheidend, schreiben Holger von Mallek und Jan Laßmann (beide adesso SE) im Gastbeitrag.
Die private Krankenversicherung (PKV) spielt eine wichtige Rolle im deutschen Gesundheitssystem, indem sie Wahlfreiheit bietet und Innovationen fördert. Gleichzeitig steht sie vor Herausforderungen wie den steigenden Gesundheitskosten und der fortschreitenden Digitalisierung. Ein zentraler Baustein dieser Digitalisierung ist die Telematikinfrastruktur (TI), die essenzielle Vorteile wie Interoperabilität und Datensicherheit bietet. Allerdings gestaltet sich ihre Umsetzung aufgrund regulatorischer Hürden als anspruchsvoll, was die Einführung erschwert.
Status quo Digitalisierung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Die TI hat sich im deutschen Gesundheitswesen etabliert und ermöglicht den sicheren Datenaustausch zwischen Leistungserbringern. Durch politische Vorgaben werden immer mehr Akteure im Gesundheitswesen zur Nutzung verpflichtet. Die GKV ist dank der Gesundheitskarte und dem damit verbundenen einfachen Zugang zur TI Vorreiter bei der Nutzung.
Ein Beispiel für die fortschreitende Digitalisierung ist das E-Rezept, dessen Nutzung seit dem Produktivstart 2021 stark gestiegen ist (358 Mio. Stück). Die Ausstellung durch medizinische Einrichtungen, die Einlösung in Apotheken und die App-Downloads zeigen eine zunehmende Akzeptanz. Das E-Rezept bietet Patienten mehr Bequemlichkeit, Effizienz und Flexibilität, da es das Warten in Arztpraxen und das Suchen nach Papier-Rezepten überflüssig macht.
Die elektronische Patientenakte (ePA) stellt ein weiteres wichtiges Element der TI dar. Obwohl sie verfügbar ist, wird sie derzeit jedoch noch nicht flächendeckend genutzt.
Status quo Digitalisierung in der privaten Krankenversicherung
Die PKV war bereits früher Gesellschafter der Gematik, ist 2015 ausgetreten und seit April 2020 wieder aktiv an Bord. Dort vertritt der PKV-Verband die Interessen der PKV und gestaltet den gesundheitspolitischen Rahmen mit. Da die TI bisher auf Karten und Hardware basiert, müssten PKVen kurzfristig elektronische Gesundheitskarten (eGK) ausgeben, um teilnehmen zu können. Mittelfristig plant die PKV jedoch eine Teilnahme mit einer digitalen Identität. Diese dient als sicheres Authentifizierungsmittel im digitalen Raum und ist wichtig für die Datensouveränität. Die Umsetzung einer solchen Identität gestaltet sich im stark regulierten deutschen Gesundheitswesen jedoch schwierig und langwierig.
PKV-Unternehmen als First-Mover, aktive Teilnehmer oder Beobachter
Die PKVen sind zunehmend aktive Treiber der Digitalisierung im Gesundheitswesen und etablieren sich als Vorreiter im Bereich digitaler Gesundheitsanwendungen. Durch gezielte Investitionen in innovative Unternehmen und Technologien fördert die PKV die Entwicklung und Integration digitaler Lösungen, die auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Versicherten zugeschnitten sind.
Eine Initiative des PKV-Verbandes unterstützt ein Wagniskapitalfonds, der Start-ups im Bereich digitaler Gesundheitsanwendungen fördert. Diese Unternehmen entwickeln Lösungen wie Apps zur Unterstützung von Therapieplänen, telemedizinische Angebote oder Plattformen zur Vermittlung von Fachärzten und stärken damit die Vorreiterrolle der PKV in der digitalen Gesundheitsversorgung.
Einige PKV-Unternehmen bieten zusätzlich innovative Services wie Symptom-Checker, digitale Belegeinreichung und Facharzt-Terminvermittlung an. Erste Angebote zur ePA sind verfügbar, jedoch noch nicht vollumfänglich, da die Teilnahme an der TI für die PKV-Unternehmen freiwillig ist.
Ein zentrales Problem bleibt die fehlende flächendeckende Anbindung an die TI, z. B. im Zusammenhang mit dem Implantate-Register, dass eine eindeutige Krankenversichertennummer (KVNR) voraussetzt. Dies zeigt die Notwendigkeit einer stärkeren TI-Integration der PKV, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden und den Versicherten eine bessere Anbindung an das Gesundheitssystem zu ermöglichen. Ein weiterer Aspekt ist der hohe administrative Aufwand, der für die Versicherungen mit der Anforderung einer neuen KVNR verbunden ist. Dieser Prozess ist zeitintensiv und kann zu Verzögerungen führen.
Welche Rolle sollte die PKV in der Telematikinfrastruktur einnehmen?
Die PKV sollte eine proaktive und gestaltende Rolle in der TI übernehmen, um ihre Versicherten optimal in die digitale Gesundheitswelt zu integrieren und die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens maßgeblich mitzugestalten. Dabei ergeben sich mehrere zentrale Handlungsfelder.
Als Partner der Digitalisierung kann die PKV durch ihre Gesellschafterrolle in der Gematik aktiv an der Weiterentwicklung der TI teilnehmen. Dadurch ist es möglich, die spezifischen Bedürfnisse der Versicherten einzubringen und die Digitale Transformation des Gesundheitswesens mitzugestalten. Gleichzeitig sollte die PKV als Innovationsförderer agieren, indem sie moderne, digitale Gesundheitslösungen vorantreibt. Ein besonderes Augenmerk könnte dabei auf Technologien wie digitale Identitäten und den Einsatz von Wearables zur Gesundheitsüberwachung liegen. Diese Technologien bieten langfristig das Potenzial, nicht nur die Gesundheit der Versicherten zu fördern, sondern auch Gesundheitskosten zu senken.
Darüber hinaus kommt der PKV die wichtige Rolle zu, als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens zu fungieren. Eine Harmonisierung der technischen Standards zwischen PKV und GKV ist entscheidend, um die Interoperabilität sicherzustellen.
Synthese für die weitere Digitalisierung der PKV
Die PKV hat in der Digitalisierung durch Effizienzsteigerung und Verbesserung der Kundenzufriedenheit bereits große Fortschritte gemacht. Zu bewältigen sind die Integration in die TI und der weitere Ausbau digitaler Services.
Zukünftig können weitere technologische Fortschritte wie prädiktive Analytik und Telemedizin die PKV prägen. Dies kann helfen Gesundheitsrisiken zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten oder ortsunabhängige, sofortige medizinische Behandlung zu erhalten.
Durch den Einsatz weiterer moderner IT-Lösungen können noch mehr digitale Prozesse und personalisierte Angebote geschaffen werden. Big Data und Künstliche Intelligenz ermöglichen automatisierte Prozesse und einen noch individuelleren Service.
Ein weiterer wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Digitalisierung im Gesundheitswesen ist das Engagement und die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Gemeinsam können die Potenziale digitaler Technologien voll ausgeschöpft und eine effizientere Gesundheitsversorgung für alle erreicht werden.