Was tun mit der betrieblichen Altersversorgung im Falle der Liquidation einer Gesellschaft?

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Was geschieht mit der betrieblichen Altersversorgung (bAV), wenn ein Unternehmen liquidiert wird? Welche Unterschiede bestehen zum Insolvenzverfahren und wie verhält es sich bei den verschiedenen Durchführungswegen? Und nicht zuletzt: Kann die Einrichtung einer Liquidationsversicherung helfen? Michael Gerhard, Aktuar (DAV) bei der Longial GmbH, erklärt es in seinem Gastbeitrag.

Die Gründe, die Liquidation einer Gesellschaft anzustreben, können vielfältig sein. Nicht notwendigerweise ist ein drohendes Insolvenzverfahren der Auslöser. Womöglich ist nur der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll. Auch veränderte Rahmenbedingungen (Produktionsfaktoren, steuerliche Aspekte etc.) können die Liquidation einer Gesellschaft sachgerecht erscheinen lassen. Bei kleineren Firmen stellt sich zudem bei Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers regelmäßig die Frage nach der Liquidation, wenn keine Lösung für die Nachfolgefrage gefunden wird.

Mit Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft endet deren Geschäftstätigkeit. Im Rahmen des sich anschließenden Liquidationsverfahrens sind bestehende Forderungen einzuziehen und laufende Verpflichtungen zu befriedigen. Erst im Anschluss erfolgt die Verteilung des verbleibenden Vermögens. Die Gesellschaft kann dann aus dem Handelsregister gelöscht werden. Zu den bestehenden Verpflichtungen gehören regelmäßig auch Anwartschaften bzw. Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV), welche die Gesellschaft ihren Mitarbeitern in Aussicht gestellt hat oder zahlt. Doch Leistungen der bAV verpflichten den Arbeitgeber in aller Regel auf Jahrzehnte.

Vor diesem Hintergrund stellt sich bei entsprechenden Gesellschaften die Frage, ob – und wenn ja, auf welche Weise – sich die Gesellschaft von der bAV lösen und damit enthaften kann.

Zur Beantwortung dieser Frage muss zu Beginn naturgemäß eine Analyse der bestehenden Versorgungswerke stehen. Die Gesellschaft muss sich einen Überblick darüber verschaffen, welche Verpflichtungen tatsächlich vorhanden sind.

Arbeitgeber, die als Durchführungsweg für ihre betriebliche Altersversorgung die Direktversicherung gewählt haben, trifft nach dem Dienstaustritt eines Versorgungsberechtigten dann keine eigene (mittelbare) Verpflichtung mehr, wenn die so genannte versicherungsvertragliche Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG (Betriebsrentengesetz) gewählt wurde, was den Regelfall darstellen dürfte. Analoges gilt für bestimmte Pensionskassen, die dem Sicherungsfonds der Versicherungswirtschaft angehören. In diesen Fällen besteht also gegenüber dem Arbeitgeber keine Verpflichtung, welche die Liquidation behindern würde.

In anderen Fällen bestehen in der Regel für den Arbeitgeber Verpflichtungen, die einer eigenen Enthaftung bedürften. Dies gilt also nicht nur dann, wenn eine bAV als unmittelbare Versorgungszusage (Direktzusage) erteilt wurde. Auch bei einer Versorgung über eine nicht dem Sicherungsfonds angehörende Pensionskasse, eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds besteht eine Verpflichtung, die – auch wenn Sie nur mittelbar eingegangen wurde – einer Enthaftung bedarf, wenn eine Liquidation abgeschlossen werden soll.

Für eine entsprechende Enthaftung kommt für solche Personen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Liquidation aus den Diensten der Firma ausscheiden die Übertragung der bAV auf einen Folgearbeitgeber in Betracht, wobei die Voraussetzungen im Einzelnen zu prüfen wären.

Nicht selten besteht auf Seiten des neuen Arbeitgebers für eine solche freiwillige Übertragung jedoch keine Bereitschaft. Denn in aller Regel besteht bei dem neuen Arbeitgeber ein eigenes Versorgungswerk, zu dem eine übernommene Versorgung dann in Konflikt stehen würde.

Als ein einfache(re)s Mittel, sich von Verpflichtungen der bAV zu enthaften, kommt in bestimmten Fällen die Abfindung der betreffenden Anwartschaft bzw. des betreffenden Anspruchs durch eine Einmalzahlung in Betracht. Für Verpflichtungen, die unter den Geltungsbereich des BetrAVG fallen, ist eine solche Abfindung nach § 3 BetrAVG allerdings nur dann zulässig, wenn die Anwartschaft bzw. Leistung von marginaler Höhe ist (für das Jahr 2024: EUR 35,35 Rente monatlich bzw. EUR 4.242 einmaliges Kapital). In solchen Fällen steht dem ehemaligen Arbeitgeber sogar ein einseitiges Abfindungsrecht zu. Im Rahmen des sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetzes 2 soll im kommenden Jahr eine Ergänzung zu den Abfindungsmöglichkeiten erfolgen. Nach dem derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf, ist beabsichtigt, auch Abfindungen von Anwartschaften bzw. Ansprüchen in der doppelten Höhe für den Fall zuzulassen, dass der Abfindungsbetrag als zusätzlicher Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung verwendet wird. Solche Abfindungen sollen dann allerdings der Zustimmung der jeweiligen versorgungsberechtigten Person bedürfen. Ob und wann die Regelungen im Jahr 2025 in Kraft treten werden, ist derzeit noch offen.

Fällt eine Verpflichtung nicht unter den Geltungsbereich des BetrAVG – z. B. weil die Anwartschaft nur vertraglich, aber nicht gesetzlich unverfallbar ist – sind zwischen allen Parteien einvernehmlich geschlossene Abfindungsvereinbarungen möglich.

Naturgemäß kann aber nicht in jedem Fall eine Enthaftung der Gesellschaft durch eine Übertragung auf einen Folgearbeitgeber bzw. eine Abfindung erfolgen. In der Praxis ist der Anteil der möglichen Übertragungen bzw. Abfindungen oftmals sogar eher gering. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit § 4 BetrAVG eine Enthaftungsmöglichkeit durch den Abschluss einer sogenannten Liquidationsversicherung vorgesehen. Liquidationsversicherungen sind bei einer Pensionskasse oder einem Unternehmen der Lebensversicherung einzurichten. Dies bedarf nicht der Zustimmung der versorgungsberechtigten Person, wenn die Überschussanteile der Liquidationsversicherung ab Rentenbeginn leistungserhöhend verwendet werden. Im Übrigen können auch Verpflichtungen, die nicht unter den Geltungsbereich des BetrAVG fallen – dann jedoch einvernehmlich – auf einen Liquidationsversicherer übertragen werden.

Die Einrichtung einer Liquidationsversicherung ist aus Sicht der zu liquidierenden Gesellschaft zwar eine in allen Fällen mögliche, aber nicht unbedingt gewünschte Lösung. Denn der Abschluss einer Liquidationsversicherung ist in aller Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden, da sie naturgemäß zu den aktuell geltenden Rechnungsgrundlagen – also oftmals mit einem gegenüber der bestehenden Versorgung geringeren Rechnungszins – eingerichtet wird. Für die Finanzierung der Liquidationsversicherung per Einmalbeitrag werden dann zur Ablösung der bestehenden Verpflichtung mehr Mittel benötigt, als dies unter Anwendung der früheren Rechnungsgrundlagen (bzw. der internen Rechnungsgrundlagen der Firma) der Fall gewesen wäre. Ob diese Vermögensmittel vorhanden sind, muss die Gesellschaft dann prüfen.

Einige Firmen ziehen als alternative Lösung für eine Enthaftung ein so genanntes Pension Buy-out in Betracht. Dies soll insbesondere bei unmittelbaren Versorgungszusagen Anwendung finden. Dabei werden die betreffenden Verpflichtungen auf eine sogenannte Rentnergesellschaft ausgegliedert. Dies kann so erfolgen, dass in einem ersten Schritt die Verpflichtungen mit den Vermögenswerten, welche zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung erforderlich sind, auf eine neue Gesellschaft (Rentnergesellschaft) übertragen werden. Dies kann durch Abspaltung oder Ausgliederung nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes durchgeführt werden. In einem zweiten Schritt wird diese Rentnergesellschaft dann von einem Dritten übernommen. Hierfür gibt es am Markt einige Anbieter.

Aber Vorsicht: Nach der Rechtsprechung des BAG hat der bislang versorgungspflichtige Arbeitgeber die Rentnergesellschaft finanziell so auszustatten, dass sie in Aussicht gestellte Leistungen und laufende Renten zahlen kann. Auch ist die Dotierung so zu bemessen, dass die Rentnergesellschaft gesetzlich vorgesehene Anpassungen vornehmen kann. Verletzt ein Arbeitgeber seine finanzielle Ausstattungspflicht, so wird die Ausgliederung dadurch zwar nicht unwirksam. Allerdings besteht neben der zehnjährigen, umwandlungsrechtlich begründeten Haftung des Arbeitgebers ggf. auch eine Verpflichtung zum Schadenersatz gegenüber den versorgungsberechtigten Personen. Zudem stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die zehnjährige gesamtschuldnerischen Nachhaftung an sich nicht schon ein Liquidationshindernis innerhalb der ersten zehn Jahre nach Ausgliederung darstellen könnte. Dies bedarf im Einzelfall einer rechtlichen Untersuchung.

Fazit:

Eine Gesellschaft kann nicht liquidiert werden, bevor nicht auch für die betriebliche Altersversorgung entsprechende Lösungen gefunden wurden. Das geht oftmals nicht von heute auf morgen. Die betreffenden Verpflichtungen sind zunächst zu identifizieren und die verschiedenen Alternativen für eine Enthaftung gegeneinander abzuwägen. In aller Regel führt die Durchführung der Enthaftung dann zu zusätzlichen Kosten und ist zudem zeitintensiv. Denn bei der jeweiligen Alternative können mit Unterstützung von Experten Vertragsunterlagen zu entwerfen oder versicherungsmathematische Berechnungen durchzuführen sein. Und falls die Zustimmung von versorgungsberechtigten Personen erforderlich ist, wird man die Hürde nehmen müssen, diese, womöglich schon vor Jahren ausgeschiedenen Personen, erst einmal zu erreichen, um sie dann – mit entsprechendem Informationsmaterial – für die jeweilige Lösung zu gewinnen. Diese Hürde wird man ggf. auch in manchen Fällen bei der formal nicht zustimmungspflichtigen Liquidationsversicherung nehmen müssen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Liquidationsversicherer gar nicht in der Lage ist, das bestehende (womöglich komplexe) Versorgungswerk unverändert abzubilden. Dann wird das Versorgungswerk vorab – ggf. mit Zustimmung der versorgungsberechtigten Personen – anzupassen sein. Man kann also nie zu früh anfangen...