Allianz setzt bei Tier-Krankenversicherung auf künstliche Intelligenz

Quelle: DALL-E

Die Allianz will künftig stärker die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI) nutzen. Als erstes wird die Tier-Krankenversicherung vollständig digitalisiert. Hierbei soll das interne KI-Modell bereits bei der Hälfte der Fälle die Bearbeitung auf etwa vier Stunden verkürzen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen auch auf andere Versicherungsbereiche übertragen werden.

Bisher wurden Versicherer eher als träge Tanker wahrgenommen. Bei der Digitalisierung wurde oft nur an der Oberfläche gekratzt. Zudem machte der zunehmende Fachkräftemangel vielen Unternehmen zu schaffen. Das führte zuletzt in verschiedenen Bereichen zu längeren Wartezeiten. Vermittler und Kunden berichteten zuletzt immer wieder von mehreren Wochen, bis Schadenfälle bearbeitet wurden. Dieser Umstand kommt zur Unzeit. Denn die Erwartungen der Kundschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die langsame Versicherungswirtschaft ist auch unter dem Brennglas, weil andere Branchen sich bereits deutlich beschleunigt hätten. Selbst den Pizzaboten können Verbraucher heute live per GPS-Tracking verfolgen.

Aber es gibt auch einige positive Ansätze. So will beispielsweise die Allianz im Bereich der Schadenversicherung der künstlichen Intelligenz eine zentrale Rolle geben. „Wir haben beschlossen, die Tier-Krankenversicherung als erstes Angebot von der Schadenerfassung bis zur Auszahlung komplett zu digitalisieren“, sagt Lucie Bakker, Vorständin für das Ressort Schaden in der Allianz Versicherungs-AG, im Gepräch mit Zeitung "Welt". Aktuell sei das hauseigene generative Modell bereits in knapp 50 Prozent der Schadenfälle in der Lage, alle relevanten Informationen aus eingehenden Rechnungen zu extrahieren und anschließend zu prüfen. Diese Vorgänge könne der Versicherer in weniger als vier Stunden abschließend bearbeiten und somit auch die Tierarztrechnung schneller begleichen. Die Summen seien in den meisten Fällen relativ gering. Hierzu zählten beispielsweise Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen. Diese kosteten zwischen 30 und 60 Euro. Operationen bei Pferden können derweil auch einige tausend Euro kosten.

Das Thema Tierversicherungen hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun. Denn in diesem Zeitraum hatten sich viele Deutsche ein Haustier angeschafft. „Das Thema ist sehr emotional für die Tierliebhaber und deshalb auch ein ideales Einstiegsprodukt in die Beziehung mit einem Versicherer“, sagt Bakker. Positive Erlebnisse könnten Vertrauen schaffen und Kunden zur Unterzeichnung weiterer Verträge animieren.

Neben der Schadenanlage basiert auch die Prüfung auf KI. „Jede Zeile der Rechnung wird mit der aktuellen Gebührenordnung und unseren Leitlinien verglichen sowie dokumentiert“, sagt Bakker. Einzelne Posten wie etwa Nahrungsergänzungsmittel für Pferde könnten dabei herausfallen. Diese erstattet der Versicherer unter Umständen nicht.

Basierend auf den Ergebnissen der Prüfung löse das Modell die Schadenanlage aus und veranlasst die entsprechenden Zahlungen oder Ablehnungen. Trotz der Automatisierung bleibt menschliche Kontrolle unerlässlich, besonders bei komplexen Fällen wie Pferdeoperationen. Fachkräfte, inklusive Tierärzte, sind nach wie vor wichtig, besonders da eine neue Gebührenordnung gilt, deren Auswirkungen nur Menschen bewerten können „Menschliches Auge und Verstand bleiben unersetzbar“, erklärt die Vorständin. Denn selbstverständlich müssten die Abrechnungen kontrolliert werden, wobei der Korrekturbedarf bei einigen Prozessen bereits unter fünf Prozent liege. Ziel sei es, diese Quote auf unter zwei Prozent zu senken. Ein Personalabbau ist nicht das Ziel der KI-Offensive. Vielmehr sollen die Mitarbeiter von Routineaufgaben entlastet werden. „Vor allem das Expertenwissen ist mindestens so wichtig wie früher“, unterstreicht Bakker.

Die Erkenntnisse aus der Tierversicherung sollen künftig noch breitere Anwendung finden. Einige Komponenten würden bereits für die gesamte Sachversicherung genutzt. Dazu zähle etwa das Auslesen der Daten bei der Schadenanlage. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Meldung per Fax, Mail oder postalisch komme. Alle relevanten Informationen würden über künstliche Intelligenz extrahiert und dem Sachbearbeiter so zur Verfügung gestellt, dass auch direkt weitere relevante Fragen beantwortet werden könnten. Bei einem Leitungswasserschaden erfahre er so zum Beispiel, ob an dem Tag Frost herrschte oder nicht.

Das seien nur die ersten Schritte, ein wirklicher Quantensprung stehe noch aus. Wie in vielen Bereichen der IT seien bisher stets Wenn-dann-Beziehungen programmiert worden. Diese basierten auf den über Jahrzehnte verfassten internen Leitlinien. Dies sehe dann beispielsweise so aus, dass wenn eine bestimmte Voraussetzung bestehe, der Schaden auch beglichen werden. Langfristig soll die künstliche Intelligenz in der Lage sein, interne Leitlinien selbstständig zu lesen und anzuwenden, was einen großen Fortschritt bedeuten würde. Davon sollte dann der ganze Konzern profitieren. Der persönliche Kontakt soll durch die technologischen Neuerungen jedoch nicht ersetzt werden – vor allem nicht in Katastrophenfällen. „Bei Überflutungen oder anderen größeren Schäden werden wir immer vor Ort sein und begutachten müssen“, unterstreicht Bakker.