KI ist im Alltag der Versicherer angekommen

Quelle: DALL-E

Schadenmeldung und Weiterverarbeitung mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist längst keine Zukunftsmusik mehr, so Dirk Weske, Vorstand der PPI AG. In seiner Kolumne für Versicherungsbote stellt er ein Praxisbeispiel vor und verrät, was Versicherer vom flächendeckenden Einsatz solcher Modelle abhält.

Quelle: PPI AG

Ich möchte heute mit Ihnen über Künstliche Intelligenz (KI) sprechen. „Nicht schon wieder …“, mag jetzt der ein oder andere von Ihnen denken, schließlich wird der Begriff momentan nahezu inflationär verwendet.

Diesmal geht es aber nicht um Zukunftsversprechen oder die marketingtechnische Integration eines „Buzzwords“ in bestehende Produkte und Leistungen, sondern über erste konkrete Erfahrungen, bei denen KI einen unmittelbar positiven Effekt auf das Versicherungsgeschäft hat.

In meiner Kolumne aus dem vergangenen Jahr nannte ich drei mögliche Szenarien, in denen KI-Lösungen sinnvoll wirken können:

  1. Die Effizienz deutlich steigern
  2. Schwere menschliche Fehler vermeiden
  3. Neue Geschäftsfelder beziehungsweise Produkte erschließen

Die häufigsten Anwendungen finden sich bei Versicherungen in der ersten Kategorie: Es gibt nach wie vor viele Prozesse, die mithilfe von KI optimiert werden können. Wesentlicher Hebel sind dabei große Stückzahlen. Unserer Erfahrung nach bietet sich an dieser Stelle zum Beispiel der Bereich der hochfrequenten Schadenbearbeitung an.

Ich habe Ihnen ein praktisches Beispiel mitgebracht, in dem wir einen solchen Schadenbearbeitungsprozess mit KI-Unterstützung optimiert haben. Konkret geht es um eine Tierkrankenversicherung.

Kunden erstellen eine Schadenmeldung, gekoppelt an den Eingang der Rechnung. Nun geht der Prozess über eine formelle Schadenmeldungsprüfung über eine GOT-Prüfung (Gebührenordnung für Tierärzte), also die Ermittlung strukturierter Rechnungspositionen und die Prüfung auf Erstattungsfähigkeit, zur Deckungsprüfung bis zur Regulierung.

Das alles war vor KI-Optimierung ein weitestgehend manueller Prozess, aus einem einfachen Grund: Die Rechnungsformate der Tierärzte sind undefiniert. Wo stehen die Rechnungspositionen? Wo die Identifikation des Tiers? Des Tierarztes? Der Behandlungstag? Alles Informationen, die von Tierarzt zu Tierarzt an vollkommen unterschiedlichen Stellen der Rechnung stehen – Felder, die darüber hinaus teilweise maschinen- und teilweise handgeschrieben sind.

Etablierte OCR-Systeme (Optical Character Recognition – Texterkennung auf Basis strukturierter Mustervorlagen/-formulare) stoßen hier an ihre Grenzen, die Varianz zwischen den Formaten ist schlichtweg zu hoch. Eine vorgeschaltete KI kann jedoch so angelernt werden, dass die grundsätzlichen vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen den Schadenmeldungen/-rechnungen verschiedener Tierärzte – denn am Ende geht es ja immer um eine Tierkrankenversicherung – im Zusammenhang erkannt und ausgenutzt werden. Nämlich, indem zunächst die Bedeutung der unstrukturierten Felder erkannt und die ausgelesenen Daten erst nachfolgend in ein für Standardsoftware auswertbares und interpretierbares Format gewandelt werden. Die Optimierung der nachfolgenden Prozessschritte ist aufgrund der deutlich verbesserten Datenqualität dann ein Leichtes. Ein Paradebeispiel für den sinnvollen Einsatz von KI.

Warum kommen Lösungen wie diese trotzdem noch nicht flächendeckend zum Einsatz? Ein Grund dafür ist das geringe Vertrauen vieler Entscheider in die neue Technologie. Viele befürchten Fehler im produktiven Einsatz. Diese Sorge ist nicht gänzlich unbegründet: Auch wir beobachten in Projekten, in denen wir KI-Lösungen einsetzen, dass die Technologie (zunächst) nicht fehlerfrei läuft – es ist eben ein lernendes System.

Um diese Lernkurve zu beschreiten, nutzen wir meistens zunächst eine Teilautomatisierung: Wir trainieren die KI darauf, bei Unsicherheiten ein menschliches Clearing anzufordern. Im Beispiel der Tierkrankenversicherung enthielt das Bedingungswerk etliche Ausnahmen, für die im Zweifelsfall ein menschlicher Mitarbeiter zur Klärung herangezogen werden muss. Die Idee des lernenden Systems ist es aber, diese Clearing-Quote mit steigendem Lernerfolg schrittweise zu reduzieren.

Dieses Beispiel zeigt: KI ist keine Zukunftsmusik, sondern auch für den Alltag von Versicherungen praxistauglich nutzbar. Allerdings darf man die Erwartungen nicht zu hochschrauben. Denn die KI ist kein Allheilmittel, sondern ein Werkzeug, das – wie jedes Werkzeug – nur dann einen Mehrwert stiftet, wenn es richtig eingesetzt und vor allem richtig trainiert und eingeführt wird.