Kfz-Versicherung 2023: Erstmals die gesamte Branche in den roten Zahlen

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Eine neue Studie zur Kfz-Versicherung zeigt das ganze Ausmaß der Krise: Erstmals schreiben alle 50 analysierten Unternehmen rote Zahlen. Versicherungsbote hat sich wichtige Kennzahlen der Kfz-Branche angesehen.

Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandschef der HUK-Coburg, bezeichnete die Kfz-Versicherung einst als „brachialen Markt“. Die aktuellen Zahlen bestätigen diese Einschätzung eindrücklich. Während 2022 noch die Hälfte der Versicherer eine Combined Ratio (CR) von über 100 Prozent verzeichnete, zeichnet der neue Branchenmonitor Kfz-Versicherung 2024 ein deutlich düstereres Bild: Im Jahr 2023 konnte kein einziges Unternehmen kostendeckend arbeiten. Die durchschnittliche CR kletterte von 102,55 Prozent auf alarmierende 112,24 Prozent – ein Rekordhoch in der jüngeren Branchengeschichte. Damit schreiben aktuell alle Versicherer rote Zahlen.

Ein ruinöser Wettbewerb in Zeiten steigender Kosten

Bereits in den Vorjahren standen die Versicherer unter erheblichem Druck. Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox fördern seit Jahren einen intensiven Preiskampf, der die Prämienentwicklung bremst. Parallel dazu belasten steigende Kosten die Bilanzen: Ersatzteile wurden 2023 im Schnitt 6,2 Prozent teurer, und Werkstattkosten stiegen weiter an. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Schadenaufwendungen, die pro Versicherer im Schnitt von 432,95 Millionen Euro in 2022 auf 509,80 Millionen Euro in 2023 anwuchsen – ein Zuwachs von rund 76 Millionen Euro je Versicherer.

Prämienentwicklung: die zu zaghafte Korrektur

Ein Blick auf die Prämienentwicklung zeigt, wie eng sie mit der Schadenquote verknüpft ist – und wo die Branche Fehler gemacht hat. Zwischen 2017 und 2019 stiegen die Durchschnittsprämien von 245,09 Euro auf 253,33 Euro, während die Schadenquote moderat von 79,16 auf 81,48 Prozent anstieg. Die Versicherer reagierten hier angemessen, indem sie die Prämien leicht erhöhten, um die höheren Schadenaufwendungen aufzufangen. Doch 2020 brachte die Corona-Pandemie eine kurzzeitige Entlastung: Weniger Verkehr führte zu einer deutlichen Senkung der Schadenquote auf 73,16 Prozent, was eigentlich Spielraum für stabile Prämien geboten hätte.

Stattdessen sanken die Prämien jedoch erneut und erreichten 2022 mit 245,49 Euro wieder das Niveau von 2017 – trotz bereits wieder steigender Schadenquoten. Diese unvorausschauende Preispolitik verschärfte die Probleme, als ab 2021 die Schadenquote sprunghaft anstieg. Mit 77,38 Prozent begann ein deutlicher Aufwärtstrend, der sich 2022 mit einem Höchststand von 84,18 Prozent fortsetzte. Dennoch zögerte die Branche mit Preisanpassungen.

Erst 2023 erfolgte eine Korrektur: Die Durchschnittsprämie stieg auf 254,73 Euro je Vertrag im Zweig Kraftfahrt Gesamt. Doch diese Anpassung kam zu spät und fiel zu gering aus, um die mittlerweile auf 94,08 Prozent gestiegene Schadenquote auszugleichen. Die Branche hinkt damit den steigenden Kosten weiter hinterher und setzt sich einem zunehmenden wirtschaftlichen Risiko aus.

Versicherungstechnisches Ergebnis: Ein düsteres Bild

Das versicherungstechnische Ergebnis vor Veränderung der Schwankungsrückstellung zeigt die anhaltende Schieflage der Branche besonders deutlich. Während der Durchschnitt über die 50 größten Versicherer im Jahr 2018 noch bei 13,81 Millionen Euro lag, sorgte die Corona-Pandemie 2020 sogar für eine vorübergehende Erholung auf 36,79 Millionen Euro. Doch dieser positive Effekt war nicht von Dauer. Bereits 2022 rutschte das durchschnittliche versicherungstechnische Ergebnis dramatisch ab und erreichte -9,04 Millionen Euro: erstmals im Untersuchungszeitraum ein negativer Wert.

Im Jahr 2023 verschärfte sich die Situation nochmals deutlich: Das Ergebnis fiel auf -53,05 Millionen Euro. Dies markiert einen drastischen Rückgang um 44 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr und unterstreicht die tiefe Krise, in der sich die Branche befindet.

Insgesamt schaffen es nur noch drei Unternehmen, überhaupt ein positives versicherungstechnisches Ergebnis in 2023 auszuweisen:

  • Allianz: 30,67 Millionen Euro (2022: 94,77 Millionen Euro)
  • R+V Direkt: 5,50 Millionen Euro (2022: 1,52 Millionen Euro)
  • Provinzial Nord Brandkasse: 2,18 Millionen Euro (2022: 7,30 Millionen Euro)

Für den Großteil der Versicherer stellt sich die Lage jedoch weitaus düsterer dar. 46 Unternehmen mussten 2023 negative versicherungstechnische Ergebnisse hinnehmen. Folgende Unternehmen stellen das Schlusslicht der Tabelle:

  • R+V Allgemeine: -166,61 Millionen Euro
  • LVM: -166,43 Millionen Euro
  • HUK-Coburg Allgemeine: -223,46 Millionen Euro

Anstieg bei Vertragszahlen und gebuchten Bruttoprämien

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage verzeichnete die Kfz-Versicherungsbranche 2023 weiterhin steigende Vertragszahlen. Im Durchschnitt hielten die 50 analysierten Versicherer rund 2,28 Millionen Verträge im Zweig Kraftfahrt Gesamt, ein Zuwachs von etwa 52.755 Verträgen gegenüber 2022. In 2017 lag die Zahl der durchschnittlich gehaltenen Verträge noch bei 2,03 Mio. Verträgen. Die Nachfrage zieht also langsam, aber stetig an.

Die durchschnittlich gebuchten Bruttoprämien entwickelten sich hingegen erwartungsgemäß. Nach einem Anstieg von 510,61 Millionen Euro je Versicherer im Jahr 2021 auf 516,67 Millionen Euro in 2022, kletterten sie 2023 auf 548,64 Millionen Euro. Der Zuwachs 2022 resultierte einzig aus wachsenden Vertragszahlen, der aktuelle Zuwachs von fast 32 Millionen Euro im Zweig Kraftfahrt Gesamt resultiert hingegen auch aus den Prämienerhöhungen. Doch trotz der höheren Einnahmen bleibt die finanzielle Belastung durch die gestiegenen Schadenaufwendungen und Betriebskosten derart hoch, dass zusätzliche Einnahmen das Defizit nicht ausgleichen können.

Combined Ratio 2023: Die besten und schlechtesten Werte

Ein genauer Blick auf die Combined Ratio der einzelnen Versicherer verdeutlicht das Ausmaß der Krise. Während 2022 noch 25 Versicherer eine CR unter 100 Prozent ausweisen (und somit auskömmlich wirtschaften) konnten, gelang es 2023 keinem einzigen Unternehmen mehr, kostendeckend zu arbeiten.

Die besten Combined Ratios 2023

  1. Provinzial Nord Brandkasse: 101,01 % (2022: 95,60 %)
  2. Cosmos: 101,13 % (2022: 91,95 %)
  3. ADAC Auto: 103,40 % (2022: 95,46 %)
  4. Baloise Sachversicherung: 103,54 % (2022: 97,00 %)
  5. R+V Direkt: 103,82 % (2022: 117,24 %)

Diese Versicherer konnten ihre Combined Ratio vergleichsweise niedrig halten. Besonders die R+V Direkt fällt positiv auf, da sie ihre CR im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessern konnte.

Die schlechtesten Combined Ratios 2023:

  • Alte Leipziger: 117,49 %
  • SV Sachsen: 118,73 %
  • Rhion Versicherung: 119,58 %
  • Allianz Direct: 120,22 %
  • HDI Versicherung: 120,55 %
  • Debeka Allgemeine: 123,69 %
  • DEVK VVaG: 125,25 %
  • WGV-Versicherung: 128,34 %
  • Nürnberger Allgemeine: 129,62 %
  • BGV-Versicherung: 132,77 %

Hintergrund: Die hier präsentierten Zahlen und Analysen stammen aus dem „Branchenmonitor Kraftfahrtversicherung 2024“ der V.E.R.S. Leipzig GmbH, der soeben erschienen ist. Die Studie untersucht die 50 größten Kfz-Versicherer und deckt damit rund 90 Prozent des Marktes ab. Neben diesem Report stehen weitere aktuelle Branchenmonitore kostenpflichtig auf der Webseite der Leipziger Experten zum Download bereit.