„Wir betrachten die Beratung zur Absicherung des Pflegerisikos als essenziell“

Quelle: Ramona Paul@Ideal

Der Pflegenotstand ist in Deutschland keine Zukunftsprognose mehr, sondern bereits Realität. Umso wichtiger wird die private Pflegevorsorge. Ramona Paul, Head of Product Development & Placement bei der Ideal Versicherung, gibt Einblicke, wie sowohl junge als auch ältere Zielgruppen für das Thema Pflegezusatzversicherung sensibilisiert werden können – und welche Rolle Versicherungsmakler dabei spielen.

Versicherungsbote: Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der Produktgestaltung von Pflegezusatzversicherungen? Und wie gehen Sie damit um?

Ramona Paul: Die Herausforderungen sind ebenso vielfältig wie groß: Rein statistisch betrachtet, wird die wachsende Lebenserwartung auch die Anzahl der Pflegebedürftigen steigen lassen. Das Statistische Bundesamt hat berechnet, dass bereits im Jahr 2035 etwa 5,6 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein werden. Damit steigt auch der Bedarf an Pflegeleistungen, zudem verlängern sich die Leistungszeiträume. Und schon heute galoppieren die Kosten für die Pflege davon. All diese Faktoren müssen bei der Kalkulation berücksichtigt werden, denn die Prämien müssen für die Dauer des Pflegezeitraumes auskömmlich sein. Das führt dazu, dass Pflegeabsicherung zunehmend teurer wird.

Die fünf Pflegegrade decken ein breiteres Spektrum an Pflegebedarfen ab, was eine differenziertere Einschätzung des Pflegebedarfs ermöglicht, aber auch die Komplexität erhöht. Die genaue Risikobewertung und auch die Festlegung angemessener Prämien sind komplizierter geworden. Wir müssen umfangreichere Daten analysieren und Modelle entwickeln, um Wahrscheinlichkeiten sowie Kosten der Pflege in den verschiedenen Pflegegraden abschätzen zu können. Zudem müssen Pflegezusatzversicherungen ein gewisses Maß an Flexibilität mitbringen, um unterschiedliche Kundenbedürfnisse bedienen zu können.

Wie reagieren Sie auf die zunehmende Diskussion über die Rolle der Familienangehörigen in der Pflege und deren mögliche finanzielle Entlastung durch Pflegevorsorgeprodukte?

Leistungen aus der privaten Pflegerente oder Pflegetagegeldern sind nicht zweckgebunden. Das macht die Zusatzversicherungen, insbesondere auch für die Pflege zu Hause, so attraktiv. Auf diesen Vorteil sollte in der Beratung hingewiesen werden. Denn ausgezahlte Leistungen können natürlich auch zur Kompensation von Verdienstausfällen pflegender Angehöriger verwendet werden. Ein Pflegefall trifft die Familie meist unerwartet. Deshalb ist es vorteilhaft, wenn die Pflegevorsorgeprodukte zusätzliche Leistungen für Angehörige enthalten, wie telefonische Beratung oder Pflegeschulungen vor Ort, um die plötzlichen Herausforderungen im Pflegefall meistern zu können.

Wie können Aspekte der Prävention und Gesundheitsförderung in Pflegevorsorgeprodukte integriert werden, um den Eintritt in die Pflegebedürftigkeit möglichst hinauszuzögern?

Ideen in diese Richtung gibt es bereits viele. Wir erwarten, dass künftig mehr Apps zur Prävention und Gessundheitsförderung in Pflegevorsorgeprodukte integriert werden. Dadurch können nicht nur die Lebensqualität der Kunden verbessert, sondern auch langfristig die Kosten für Pflege reduziert werden. Denkbar ist eine Kombination aus regelmäßigen Gesundheitschecks, der Förderung eines gesunden Lebensstils, technologischer Unterstützung, Schulungs- und Aufklärungsprogrammen sowie finanziellen Anreizen für präventives Verhalten. Partnerschaften mit Gesundheitsdienstleistern und eine langfristige, individuelle Begleitung der Versicherten sind ebenfalls entscheidend für den Erfolg solcher Maßnahmen.

Welche Strategien verfolgen Sie, um die Akzeptanz und das Bewusstsein für Pflegevorsorgeprodukte bei den Kunden zu erhöhen, insbesondere bei jenen, die die Notwendigkeit dieser Absicherung unterschätzen?

Als Maklerversicherer richten wir unsere Kommunikation und Marketingmaßnahmen zunächst an unsere Vermittler. Seitdem wir 2002 die private Pflegerentenversicherung in Deutschland eingeführt haben, machen wir kontinuierlich auf die Thematik einer alternden Gesellschaft und den damit einhergehenden steigenden Finanzierungsbedarf in der Pflege aufmerksam. Mittlerweile hat das Thema in der Öffentlichkeit enorm an Bedeutung gewonnen – leider vor allem, weil die Pflegesituation in unserem Land besorgniserregend ist. Den noch ist die Marktdurchdringung mit Pflegezusatzversicherungen immer noch sehr gering. Wir betrachten die Beratung zur Absicherung des Pflegerisikos als essenziell. Deshalb bieten wir unseren Vermittlern zahlreiche Vertriebsunterstützungen: Wir stellen Kampagnen zur Kundenansprache bereit, vermitteln Wissen in Workshops und Webinaren und bereiten Infomaterialien so wie Beratungshilfen auf. Wir richten alles darauf aus, das komplexe Thema Pflegevorsorgeberatung so einfach wie möglich zu gestalten.

Wie sollten Vermittler die Kommunikation und den Beratungsprozess für jüngere Zielgruppen, die sich oft noch nicht ausreichend mit dem Thema Pflegevorsorge auseinandersetzen, gestalten?

Grundsätzlich sollten Kommunikation und Beratungsprozess auf den Lebensstil und die Mediennutzung der jüngeren Zielgruppe abgestimmt sein. Wir stellen unseren Vermittlern beispielsweise Content für den Einsatz auf den gängigen Social-Media-Plattformen zur Verfügung. So helfen wir, Hürden in der Kundenansprache zu bewältigen und einen emotionaleren Zugang für die Beratung zu ermöglichen. Gerade weil die Zielgruppe noch so jung ist, kann hier jeder Vermittler mit den Vorzügen der frühen Eintrittsalter und des guten Gesundheitszustandes seiner Kunden punkten. Die Beiträge sind in jungen Jahren besonders günstig, bleiben bei der Pflegerente ein Leben lang konstant und verschaffen noch dazu im Alter ein finanzielles Polster, wenn der Pflegefall nicht eintritt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Vermittler Produkte anbieten sollten, die sich flexibel an veränderte Lebensumstände anpassen lassen.

Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, dass Pflegevorsorge oft als "unattraktives" Produkt angesehen wird? Und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um das Image dieser wichtigen Versicherung zu verbessern?

Wir halten Pflegevorsorgeprodukte sogar für besonders attraktiv. Der Knackpunkt ist, die Beratung konzeptionell anzugehen und nicht mit einem Tabuthema direkt ins Haus zu fallen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Kundengruppe der sogenannten Babyboomer enormen Bedarf hat, ihren Ruhestand zu planen und finanziell abzusichern. Normalerweise verzeichnen Makler und Vermittler in dieser Zielgruppe oft einen Beitragsschwund. Wir haben eine freie Konzeptberatung entwickelt, welche die Pflege- und Ruhestandsberatung aus der Nische holt und so Potentiale hebt.

Insbesondere die Pflegerente gegen Einmalbeitrag ist für die Babyboomer-Generation interessant, da freiwerdendes Kapital mit solider Verzinsung zum Schutz gegen das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit angelegt werden kann. So sichern sich die Kunden drei Optionen: eine lebenslange Rente im Pflegefall, eine Todesfallleistung für die Hinterbliebenen oder bei Kündigung den Rückkaufswert. Dadurch behalten sie die volle Kontrolle über ihr Vermögen, da immer eine dieser Optionen zur Anwendung kommt. Da sich insbesondere jüngere Vertriebspartner mit der Ansprache des wichtigen Themas Pflege schwertun, haben wir aktuell eine neue Kampagne „Wir sprechen Boomer!“ gestartet. In dieser richten wir uns speziell an junge Makler und Vermittler.

Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 02/2024 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen – in der Sonderausgabe „Versicherungsbotin“. Die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann hier kostenfrei abonniert werden.