Ein bemerkenswerter Widerspruch zeigt sich beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung): In der Unfallversicherung besteht – anders als in anderen Kompositsparten – keine direkte Korrelation zwischen diesem Ergebnis und den Schaden-Kosten-Quoten. So erzielte die Allianz trotz einer außergewöhnlich hohen Schaden-Kosten-Quote von 136,35 Prozent das beste versicherungstechnische Ergebnis der Branche mit einem Gewinn von 231,89 Mio. Euro. Auch die Axa erwirtschaftete ein positives Ergebnis in Höhe von 32,88 Mio. Euro. Ebenso blieben die VGH Landschaftliche Brandkasse und der Bayerische Versicherungsverband mit 3,24 Mio. Euro bzw. 0,26 Mio. Euro in der Gewinnzone.
Interessanterweise ist der Bayerische Versicherungsverband der einzige Unfallversicherer, der seit 2021 gelegentlich Verluste beim versicherungstechnischen Ergebnis auswies – etwa im Jahr 2022 mit einem Minus von 5,50 Mio. Euro. Im Jahr 2023 jedoch verzeichneten alle Anbieter Gewinne. Der Branchendurchschnitt belief sich auf 26,17 Mio. Euro.
Der scheinbare Widerspruch zwischen Schaden-Kosten-Quote und versicherungstechnischem Ergebnis lässt sich nicht ohne Weiteres auflösen. Eine Erklärung über Rückversicherungen greift zu kurz: Auch in diesem Bereich zeigen die betroffenen Versicherer regelmäßig Rückversicherungsverluste. Im Jahr 2023 beliefen sich diese auf -82,64 Mio. Euro bei der Allianz, -3,84 Mio. Euro bei der Axa und -0,87 Mio. Euro beim Bayerischen Versicherungsverband – trotz Rückversicherungsquoten von 16 % bis 29 %. Rückflüsse aus Rückversicherungen tragen daher weder wesentlich zur Entlastung der Schaden-Kosten-Quote noch des versicherungstechnischen Ergebnisses bei.
Stattdessen könnten Rückstellungen eine zentrale Rolle spielen: Bereits in Vorjahren gebildete Rücklagen können aktuelle Schadenaufwendungen kompensieren und so das Ergebnis stabilisieren, während die Schaden-Kosten-Quote weiterhin die Bruttobelastung abbildet. Diese bilanzielle Besonderheit ist besonders in der Unfallversicherung relevant, da langfristige Verpflichtungen – wie Unfallrenten – häufig erst über mehrere Jahre hinweg realisiert werden. Für diese These spricht, dass die Allianz sehr hohe versicherungstechnische Bruttorückstellungen im Zweig Unfallversicherung hat: 9,15 Milliarden Euro. Auch die Axa fällt hier mit Rückstellungen von 1,23 Milliarden Euro auf. Der Bayersiche VersVerband hat Rückstellungen von 898,38 Mio. Euro: immerhin noch die siebthöchste Summe der Branche. Und die VGH Landschaftliche Brandkasse verfügt über Rückstellungen von immerhin noch 193,60 Mio. Euro.
Eine endgültige Klärung dieser Zusammenhänge ist an dieser Stelle nicht möglich, dennoch bleibt festzuhalten: Würde man die hohen Schaden-Kosten-Quoten isoliert als „rote Zahlen“ interpretieren, stünde dies im deutlichen Widerspruch zu den positiven versicherungstechnischen Ergebnissen. Dieser Widerspruch unterstreicht die Komplexität der bilanziellen Mechanismen in der Unfallversicherung.
Hintergrund: Alle genannten Zahlen stammen aus dem aktuellen Branchenmonitor Unfallversicherung 2024 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Dieses Analyseinstrument bietet umfassenden Zugang zu einer Vielzahl von Kennzahlen für die Jahre 2018 bis 2023 und deckt mit seiner Analyse 94 Prozent des Marktes ab. Der Branchenmonitor kann gemeinsam mit weiteren Branchenanalysen kostenpflichtig über die Webseite der Leipziger Experten bestellt werden.