Die Versicherungsbranche steht vor der ständigen Herausforderung, sich an neue Risiken anzupassen. Innovative Ansätze wie Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung und risikogerechte Prämien in der Elementarversicherung sind notwendig, um den Schutz zu verbessern. Warum für diese Innovationen stabile rechtliche Rahmenbedingungen sowie eine verlässliche Kalkulation notwendig sind, erklärt Dr. Matthias Land, Vorstand und Vorsitzender des Schadenausschusses der Deutschen Aktuarvereinigung e.V.
Die Versicherungsbranche steht kontinuierlich vor der Aufgabe, sich auf neue Risiken einzustellen – sei es durch innovative Deckungskonzepte oder durch bislang unbekannte Schadenbilder. Für die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) und ihre Mitglieder sind diese Entwicklungen von zentraler Bedeutung, denn sie erfordern nicht nur präzise Vorhersagen durch mathematische Modelle, sondern auch ein tiefes Verständnis für rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen.
Innovationskraft und stabile Rahmenbedingungen
Ein Beispiel für solche Innovationen bietet die Telematik in der Kfz-Versicherung. Hier schaffen einzelne Versicherer durch spezielle Tarife Anreize für vorsichtiges Fahren, während klassische Policen weiterhin breite Bevölkerungsschichten bedienen. Solche dualen Ansätze erhöhen die Vielfalt der Angebote und verbessern den Versicherungsschutz für unterschiedliche Bedürfnisse. Damit dies gelingt, brauchen Versicherer jedoch belastbare rechtliche Rahmenbedingungen, um die Amortisation ihrer Investitionen verlässlich kalkulieren zu können.
Insbesondere in der Elementarversicherung wächst der Innovationsdruck getrieben durch die Erderwärmung. Es werden höhere Kosten entstehen. Die DAV hat hier eine klare Position: Sowohl Prävention als auch risikogerechte Prämien sind unabdingbar. Einheitsprämien, wie sie gelegentlich vorgeschlagen werden, lehnen wir ebenso wie die BaFin ab. Solche Modelle schaffen Fehlanreize (sogenannter Moral Hazard) und führen zu Steuerungsproblemen – mit negativen Folgen für Versicherungsnehmende und Versicherungsunternehmen gleichermaßen.
Besondere Risiken - von Inflation bis PFAS
In der Haftpflichtversicherung sehen wir häufig die Entwicklung besonderer Schadenbilder. So hat die Inflation in den letzten Jahren insbesondere in der langabwickelnden Architektenhaftpflicht großen Druck auf die Schadenrückstellungen gemacht. Inflation stellt gerade in diesem Segment eine besondere Herausforderung dar, da Schadensmeldungen oft erst nach vielen Jahren bis Jahrzehnten eingehen. Aktuariate mussten entsprechend Methoden entwickeln, um auch die Risiken dieses Segments tragfähig zu gestalten – eine Aufgabe, die sie erfolgreich gemeistert haben.
Andere Felder wie die Krankenhaushaftpflicht werden weiter beobachtet, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen der medizinischen und sozialen Inflation. Zudem rücken neue Schadenbilder wie PFAS-Chemikalien („Ewigkeitschemikalien“) in den Fokus, deren langfristige Risiken erst fundiert analysiert werden müssen.
Zukunftssicherung durch die AG Risikoradar Schadenversicherung
Angesichts der zunehmenden Geschwindigkeit und Häufigkeit solcher Veränderungen wird die DAV im Januar 2025 die Arbeitsgruppe „Risikoradar Schadenversicherung“ gründen. Ziel ist es, neue Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Mitglieder entsprechend zu informieren. Das umfasst technische Risiken ebenso wie regulatorische Änderungen, etwa die europäische FIDA-Richtlinie oder Anpassungen in der Wohlverhaltensaufsicht der BaFin.
Meine Botschaft ist klar: Versicherungsnehmende und Versicherungsunternehmen können sich auf die Aktuariate verlassen. Wir erkennen Risiken frühzeitig und machen sie kalkulierbar. Durch unsere Arbeit schaffen wir Objektivität und ermöglichen faktenbasierte Entscheidungen – auch in einer zunehmend komplexen Risikolandschaft.