KI als Wegbereiter für Effizienz und Innovation: Die Zukunft der Industrieversicherung

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Kann die künstliche Intelligenz (KI) tatsächlich all unsere Probleme lösen? Ganz so einfach ist es sicherlich nicht. Auch im Industrieversicherungsgeschäft steckt das Thema noch in den Kinderschuhen. Welche Anwendungsgebiete im Mittelpunkt des KI-Einsatzes in der Industrieversicherung stehen und wo Herausforderungen auf die Branche warten, erklärt Artur Reimer, CEO bei corify und Vorstand von Hypoport Insurtech AG.

Künstliche Intelligenz ist das Schlagwort der Stunde. Spätestens seit dem erfolgreichen Start von ChatGPT im November 2022 – und dem breiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zuspruch – scheint kein Unternehmen mehr an der Nutzung von KI-Modellen vorbeizukommen. Doch der Erfolg von KI ist kein Selbstgänger. In der Industrieversicherung etwa hängt er nicht allein von der Wahl eines Anwendungsfalls ab. Vielmehr ist die zentrale Herausforderung, eine belastbare Datenbasis zu schaffen und Prozesse so zu standardisieren, dass Künstliche Intelligenz ihr Potenzial voll entfalten kann.

Künstliche Intelligenz erhält durch die breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Anerkennung für das Sprachmodell von OpenAI einen starken Aufwind, wie keine andere Technologie derzeit. In der Versicherungsbranche werden Machine- und Deep-Learning-Modelle allerdings schon weitaus länger als zwei Jahre eingesetzt, wenn auch nicht in der tiefen technischen Komplexität, wie sie derzeit angewendet wird. So werden Machine- und Deep-Learning-Modelle bereits erfolgreich genutzt, um beispielsweise Betrugsmuster zu erkennen, Versicherungstarife zu entwickeln oder personalisierte Versicherungslösungen anzubieten. Die dadurch entstehenden Effizienzgewinne wirken sich positiv auf Bearbeitungszeiten, Kosten und die Erfüllung von Kundenbedürfnissen aus.

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Anwendungsfälle stehen im Mittelpunkt des KI-Einsatzes

Doch nicht alle Geschäftsfelder in der Versicherungsindustrie binden KI-Verfahren gleichermaßen häufig und intensiv in ihre Prozesse ein. So steht das Industrieversicherungsgeschäft bei der umfassenden Nutzung von KI-Modellen noch ganz am Anfang. Das liegt vor allem an der Individualität der Geschäftsabläufe und an der Struktur der Daten – denn bis heute gibt es keinen einheitlichen Datenstandard, der für eine flächendeckende Nutzung von Künstlicher Intelligenz genutzt werden kann. Dies erschwert die Skalierung von KI-Anwendungen erheblich.

Für die Industrieversicherungsbranche ist es daher entscheidend, diesen Mangel an Standardisierung zu überwinden. Daten müssen nicht nur strukturiert, sondern auch qualitativ hochwertig und interoperabel organisiert werden, um die Grundlage für skalierbare KI-Prozesse zu schaffen. Standards spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie Konsistenz und den Austausch von Daten ermöglichen. Ohne diese Standards besteht die Gefahr, dass isolierte Einzellösungen entstehen, die langfristig die Effizienz und Skalierbarkeit behindern.

Ein konkretes Beispiel aus der Industrieversicherung, in dem KI-Prozesse und Datenstandardisierung bereits ineinandergreifen, ist das KFZ-Flotten-Geschäft. Dieser Bereich bietet durch jahrzehntelange Dokumentation und stabile Datenbestände, etwa aus der Zulassungsstelle und Flottenmanagement-Systemen, eine solide Grundlage für die Anwendung von KI-Lösungen. Und doch besteht weiterhin die Notwendigkeit, diese Daten zu strukturieren und zu standardisieren, insbesondere in Kombination mit spezifischen Risikodaten, um Prozesse effizienter zu gestalten.

Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Anforderungen ist das Tool Corify Fleet Management (CFM), ein Feature des corify-Marktplatzes. Über eine Schnittstelle zum GDV-DL (Dienstleister des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft) werden Zulassungsdaten abgerufen, klassifiziert und den passenden Versicherungsnehmern zugeordnet. Eine solche Klassifizierung der KFZ-Daten schafft eine konsistente Datenbasis, die weitere Prozesse wie Ausschreibungen und automatisierte Verwaltungsaufgaben im Flottenmanagement effizient unterstützt. Diese Anwendung verdeutlicht, wie die Kombination aus vorhandenen Daten, Standardisierung und KI operative Effizienzgewinne im KFZ-Flotten-Geschäft ermöglicht.

KI-Sprachmodelle können helfen, Daten zu standardisieren

Mit Blick auf KI-Modelle wie ChatGPT stellt sich die Frage: Welchen Mehrwert können große, vortrainierte Sprachmodelle für das Industrieversicherungsgeschäft bieten?

Das Industrieversicherungsgeschäft ist bislang überwiegend individualisiert. KI-Sprachmodelle können in diesem Zusammenhang als Werkzeug dienen, um das Geschäftsfeld zügig weiter in Richtung standardisierter Datenstrukturen zu entwickeln. Der Bedarf an solchen Lösungen wird besonders klar, wenn man exemplarisch die Prozesse im Bereich der intelligenten Risikoanalyse oder der automatisierten Schadenbearbeitung betrachtet.

Unternehmen wie corify, die an der Standardisierung von Risikodaten arbeiten, stehen vor der Herausforderung, unstrukturierte Datenpunkte (bespielsweise Dokumente wie Brandschutzkonzepte, Sicherheitsberichte oder Gebäudeinformationen) in ein einheitliches, standardisiertes Format zu überführen. Ziel ist es, diese Dokumente und deren Inhalte so aufzubereiten, dass sie in einem bestehenden Risikostandard nutzbar und weiter verarbeitet werden können.

Die manuelle Suche und Zuordnung von Datenattributen ist eine mögliche Option, wenn auch eine sehr zeitaufwändige. Eine effizientere Alternative ist der Einsatz von KI-Sprachmodellen, die dazu genutzt werden können, unstrukturierte Risikodaten automatisch in ein strukturierteres, standardisiertes Zielarchitekturformat zu überführen. Solche KI-gestützten Prozesse schaffen langfristig Vergleichbarkeit und Effizienz bei der Verarbeitung und Analyse von Risikodaten.

Langfristig bietet dieser Hebel, wenn er konsequent umgesetzt wird, ein enormes Potenzial für die Industrieversicherung. Sobald Unternehmen es geschafft haben, mittels KI-Modellen strukturierte und standardisierte Daten herzustellen, können mit der Zeit immer mehr Informationen in einem einheitlichen Format verarbeitet werden.

Einmal standardisiert, schaffen Daten eine belastbare Grundlage für KI-Anwendungen wie die Bewertung von Risiken im Ausschreibungsprozess oder die automatisierte Schadenbearbeitung. Standardisierte Daten ermöglichen präzise Risikoanalysen, schnellere und effizientere Ausschreibungen sowie automatisierte und ressourcensparende Abläufe in der Schadenbearbeitung. Darüber hinaus fördern sie den Einsatz fortschrittlicher Verfahren wie Predictive Analytics, die datenbasierte Entscheidungen unterstützen und die Effizienz der Industrieversicherung nachhaltig verbessern.

Die zuvor realisierten KI-Routinen, die nahezu beliebige Datenquellen in das standardisierte Datenformat transferiert haben, kennen dieses Ziel-Datenformat typischerweise sehr gut. Das ermöglicht es, sie teilweise für die zuletzt genannten Verfahren wiederzuverwenden und weiter zu entwickeln. In Systemen wie corify entsteht so eine intelligente Anwendungsschicht, die im Geschäftsalltag für die Nutzer einen entscheidenden Unterschied machen kann.

KI in der Industrieversicherung: Erfolg braucht einen langen Atem

Die Anwendung von KI-Modellen erlebt derzeit sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich einen regelrechten Hype. Dabei entsteht oft der Eindruck, dass Künstliche Intelligenz jedes Problem innerhalb kürzester Zeit lösen kann – und das fast ohne Aufwand. Dieser Mythos wird durch mediale Darstellungen verstärkt, die KI als universelle Lösung präsentieren: ein wahrer Heilsbringer.

Die Realität zeigt jedoch ein differenzierteres Bild. Das Industrieversicherungsgeschäft steht klar und deutlich dafür, dass die praktische Anwendung von KI noch in den Anfängen steckt. Die Identifikation von Use Cases, in denen KI einen konkreten Mehrwert schafft, erfolgt bisher meist punktuell und mit hohem Aufwand. Bis zur Einführung voll funktionsfähiger KI-Prozesse vergehen oft Jahre, da Wissen, Daten und passende Technologien zunächst aufgebaut werden müssen.

Doch genau diese Herausforderungen machen die Branche besonders spannend. Die Akteure der Industrieversicherung haben das Potenzial von KI erkannt und arbeiten daran, Innovationen und Technologien gezielt in bestehende Abläufe zu integrieren. Je stärker die Branche zukünftig mit spezifischen Use Cases arbeitet und ihre Datenbasis optimiert, desto klarer wird das enorme Potenzial, das Künstliche Intelligenz freisetzen kann.