Arbeitgeber pochen auf Anpassungen bei Rente, Pflege und Bürgergeld

Quelle: BDA | Michael Hübner

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert eine umfassende Reform der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Dazu gehört die dynamische Anhebung des Rentenalters je nach Lebenserwartung sowie Maßnahmen zur Senkung der Lohnzusatzkosten. Auch in der Pflege, im Gesundheitssystem und beim Bürgergeld sieht Dulger dringenden Handlungsbedarf.

Mit klaren Forderungen zur Anhebung des Rentenalters und zur Reform der sozialen Sicherungssysteme hat sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zwei Wochen vor der Bundestagswahl zu Wort gemeldet. „In den Wahlprogrammen und im Wahlkampf kommen die Sozialsysteme zu kurz“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Doch die Debatte über die Zukunft der Rentenversicherung dürfe kein Tabuthema bleiben.

Rentenalter an Lebenserwartung koppeln

Dulger fordert, das Renteneintrittsalter dynamisch an die steigende Lebenserwartung anzupassen, um eine stabile Einnahmebasis zu schaffen. Derzeit wird das gesetzliche Renteneintrittsalter bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben - eine Regelung, die ab dem Geburtsjahrgang 1964 voll greift. „Wir sollten uns ernsthaft damit auseinandersetzen, die Rente an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln“, so der Arbeitgeberpräsident.

In ihrem aktuellen Jahresgutachten 2024/25 hatten bereits die Wirtschaftsweisen die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der ferneren Lebenserwartung gefordert (Versicherungsbote berichtete).

Ein weiteres Ziel sei es, Menschen dazu zu motivieren, über das gesetzliche Rentenalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. „Viele würden gern länger arbeiten, auch, weil sich Menschen über regelmäßigen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen freuen. Etwa, wenn die Kinder aus dem Haus sind“, erklärte Dulger. Er sieht Möglichkeiten, etwa durch eine Umschulung oder Anpassung der Tätigkeiten, Beschäftigte mit jahrzehntelanger Erfahrung weiterhin produktiv in Unternehmen einzubinden. So könne beispielsweise ein erfahrener Fliesenleger nach dem Renteneintritt in die Arbeitsvorbereitung oder den Einkauf wechseln.

Sorgen um hohe Lohnzusatzkosten

Dulger kritisierte zudem die steigenden Lohnzusatzkosten, die mittlerweile die 40-Prozent-Marke überschritten hätten. Dies mindere das Netto-Einkommen der Beschäftigten erheblich. „Arbeit macht nur dann Spaß, wenn sie gut bezahlt ist und die Beschäftigten auch mit ordentlich Netto vom Brutto auf der Hand nach Hause gehen“, sagte Dulger. Er forderte umfassende Reformen der Sozialsysteme, um die Belastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu senken.

Reformen bei Pflege, Gesundheit und Bürgergeld gefordert

Auch in der Pflege und im Gesundheitssystem sieht der Arbeitgeberpräsident dringenden Handlungsbedarf. Dulger betonte, dass die Versorgung im Alter gesichert und bezahlbar bleiben müsse: „Wir brauchen auch hier Generationengerechtigkeit." Die Finanzierung der Pflege dürfe die jüngeren Generationen nicht übermäßig belasten.

Kritik äußerte Dulger zudem am 2023 eingeführten Bürgergeld. Arbeit müsse sich immer stärker lohnen als der Bezug von Sozialleistungen, mahnte er. In einigen Fällen, etwa bei Alleinerziehenden mit mehreren staatlichen Hilfen, führe Mehrarbeit nicht zu einem deutlichen finanziellen Vorteil. Hier sei Nachbesserungsbedarf dringend erforderlich.

Appell für eine jährliche Reformdebatte

Dulger fordert, die sozialen Sicherungssysteme regelmäßig im Deutschen Bundestag zu diskutieren. „Ich wünsche mir einmal pro Jahr im Deutschen Bundestag eine echte Debatte über die Zukunftsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme“, so der Arbeitgeberpräsident. Die Politik dürfe Reformen nicht länger aus Angst vor Wählerverlusten blockieren.

Kritik von DGB und SPD

Kritisch gegenüber den Forderungen von Arbeitgeberpräsident Dulger äußerten sich derweil der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die SPD. So veröffentlichte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel folgendes Statement auf der DGB-Homepage: „Wenn das im Ernst die großen Ideen der Arbeitgeber für ein zukunftsfähiges Deutschland sein sollen, dann wären die Aussichten zappenduster. Auch Arbeitgeberpräsident Dulger muss endlich begreifen, was kluge Arbeitgeber längst wissen: Unternehmen gelingt es da, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, wo Beschäftigte in mitbestimmten Betrieben gute Arbeitsbedingungen vorfinden und gesund bis zur Rente arbeiten können und wollen. Wer das Rentenalter hochsetzen will, kürzt die Renten – und das trifft immer die am meisten, die lange Jahre hart gearbeitet haben.“

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, schrieb auf X: „War absehbar, dass solch eine Forderung kurz vor der Wahl wieder aus der politischen Mottenkiste hervorgezogen wird. Die Menschen arbeiten lange & hart - sie haben Respekt verdient. Wo sind die Impulse, damit alle Menschen bis zu Rente fit arbeiten können?“