Welche Präventionsmaßnahmen können die Schaden-Kosten-Bilanz nachhaltig verbessern? Gibt es bereits konkrete Projekte des Bayerischen Versicherungsverbands, um durch Prävention langfristig Kosten zu senken?
Im Bereich der Naturgefahren brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Das Gesamtsystem muss in der Lage sein, klimawandelbedingte Schäden zu verhindern bzw. zu senken. Die deutschen Versicherer haben sich seit 2021 wiederholt öffentlich für die systematische Entwicklung eines Gesamtkonzepts ausgesprochen – und auch einen Vorschlag vorgelegt, der auf drei Kernelementen basiert: verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung, privater Versicherungsschutz für Hauseigentümer und Risikoteilung zwischen privaten Versicherern und dem Staat für den Fall extremer Naturkatastrophen.
Viele Gebäudeeigentümer glauben immer noch, sie seien vom Überschwemmungsrisiko nicht betroffen – obwohl das heute nahezu überall passieren kann. Deshalb müssen wir gemeinsam weiter aufklären. Genau hier setzen wir an: Wir beraten und unterstützen Gebäudeeigentümer, indem wir ihnen erklären, wie sie sich vor Feuer, Überschwemmung und anderen Gefahren schützen können. Unsere Vertriebe und Risk Manager leisten hierbei wichtige Aufklärungsarbeit – zusätzlich setzen wir auf Informationsangebote über Social Media und unsere Websites. Seit fast zwanzig Jahren organisiert die Versicherungskammer zudem Klima-Symposien für Fach-Experten, Politiker, Wissenschaftler, Kunden und Journalisten, um das Thema in all seinen Facetten zu diskutieren.
Auch die hohen Leitungswasserschäden werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Leitungswasser verursacht branchenweit rund die Hälfte des Schadenaufwandes in der Wohngebäudeversicherung. Allein im Jahr 2023 bundesweit rund 4,5 Milliarden Euro – mehr als für Naturgefahren. Gebäudealter, Gebäudeausstattung und Inflation sind dabei wesentliche Kostentreiber. In Kooperation mit der Senseguard GmbH bieten wir daher unseren besonders betroffenen Kunden an, einen Sensor einbauen zu lassen, der mögliche Leckagen erkennt und im Falle eines Rohrbruchs sogar das Wasser absperren kann. Damit können Schäden deutlich vermindert werden. Das mindert auch die belastenden Nachfolgewirkungen für den Kunden: Handwerker-Termine, Trocknungszeiten, Verlust persönlicher Dinge etc.
Die Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden wird immer wieder diskutiert. Wie stehen Sie dazu? Würde eine solche Lösung die Risiken gerechter verteilen, insbesondere für Versicherer wie Sie, die sich stark in betroffenen Gebieten engagieren?
Die Versicherungsbranche ist sich einig: Eine Pflichtversicherung als singuläre Lösung löst das Problem nicht nachhaltig. Sie verhindert keinen einzigen Schaden. Außerdem nimmt sie per se jeden Anreiz, selbst etwas zu tun.
Man darf keine falsche Rechnung aufmachen: Schäden reduzieren sich nicht, indem der Gesetzgeber eine Pflichtversicherung oder staatliche Eingriffe in die risikogerechte Prämienkalkulation vornimmt. Nur Schäden, die infolge Prävention nicht entstehen, halten die Prämien stabil.
Welche Forderungen an die Politik ergeben sich aus Sicht des Bayerischen Versicherungsverbands, um die Stabilität der Wohngebäudeversicherung langfristig zu gewährleisten?
Es bedarf eines Gesamtkonzepts, das neben der unabdingbaren Versicherung auch Prävention und Klimafolgenanpassung vorsieht. Entscheidend ist, dass in Überschwemmungsgebieten nicht mehr gebaut wird und dass eine Klimagefährdungsbeurteilung fester Bestandteil jeder Baugenehmigung wird. Zudem braucht es eine Pflicht zum individuellen Hochwasserschutz sowie Baumaterialien, die bei Neubauten und Sanierungen an die jeweilige Gefährdungslage angepasst sind. Geplant, gebaut und saniert werden muss so, wie es die Anpassung an den Klimawandel erfordert.