Gemeinsam mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragte die Allianz Global Investors AG 216 Experten aus den sechs wichtigsten Altersvorsorgemärkten in Europa (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweiz und Niederlande) über die Zukunft der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) in den kommenden zehn Jahren.
Ziel der Befragung war es, Anhaltspunkte für Entwicklungen und Trends der beitragsorientierten bAV-Modelle in Europa zu gewinnen.
Trotz der Finanzkrise rechnen 89 Prozent der Befragten mit weiterem Wachstum im Bereich der beitragsorientierten betrieblichen Altersversorgung (defined contribution bzw. DC-Modelle).
Die meisten Teilnehmer (81 Prozent) bestätigen, dass es einen Trend weg von leistungsorientierten Vorsorgemodellen (defined benefit bzw. DB), in denen den Arbeitnehmern eine feste Rentenzahlung zugesichert wird, hin zu beitragsorientierten Lösungen in der bAV gibt.
Besonders akzentuiert ist diese Erwartung in Großbritannien (97 Prozent) und der Schweiz (93 Prozent). Insgesamt gehen drei Viertel der interviewten Experten von einer Dominanz der beitragsbezogenen Systeme in der Zukunft aus, eine Ausnahme bilden die Niederlande, wo eine Koexistenz beider Modelle oder hybride Lösungen erwartet werden.
Kosten sind für Arbeitgeber wichtiges Entscheidungskriterium
Die Kalkulierbarkeit der Kosten ist nach der Erhebung der wichtigste Grund (85 Prozent der Befragten) für Arbeitgeber, sich für eine beitragsorientierte bAV-Lösung zu entscheiden. In Deutschland stimmen 89 Prozent der Teilnehmer dieser Aussage zu.
In den Niederlanden, der Schweiz und Großbritannien findet dieser Punkt sogar noch höhere Zustimmung. Die direkte Einsparung von Kosten wird demgegenüber als weniger wichtig erachtet (63 Prozent der Teilnehmer), in Großbritannien allerdings sehen über 90 Prozent Kosteneinsparungen als wichtigen Treiber für DC-Pläne.
Nicht so häufig wurden in den meisten Ländern die Verringerung des Kapitalanlagerisikos, die Reduzierung des Langlebigkeitsrisikos sowie die höhere Transparenz über die Leistungen des Arbeitgebers genannt.
In Deutschland sehen 57 Prozent der Befragten auch die Rechnungslegung als Treiber an.
Tobias Pross, Geschäftsführer Pension Markets bei Allianz Global Investors KAG, sagt:
„Gemessen am Veränderungsdruck, den das ab kommendem Jahr für alle nach HGB bilanzierenden Unternehmen gültige BilanzrechtsModernisierungsGesetz (BilMoG) auf die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland ausübt, ist der Wert erschreckend niedrig. Durch die Einführung des BilMoG müssen Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen mit dem Marktzins diskontieren und auch Gehalts- und Rentendynamik berücksichtigen, was bei erstmaliger Anwendung zu einem Anstieg der Pensionsverpflichtung um die Hälfte führen kann.“
Rahmenbedingungen und Nachfrage für pan-europäische bAV-Lösungen
Die Umfrage lässt keine klare Aussage zu, ob sich in den kommenden zehn Jahren ein einheitlicher europäischer Markt für betriebliche Altersvorsorge entwickeln wird (42 Prozent ja, 40 Prozent nein).
Sollte sich dieser Markt jedoch entwickeln, gehen die Experten von einer Dominanz von DC-Plänen aus. Weitgehende Einigkeit besteht unter den Experten (70 Prozent), dass ein einheitlicher europäischer Markt nur nach weiteren Veränderungen der Sozial-, Arbeits- und Steuergesetzgebung zu erreichen sei.
Mehr als 70 % sehen multinationale Unternehmen als wichtigen Treiber für grenzüberschreitende bAV-Lösungen.
Keine Renaissance der staatlichen Rente durch Finanzkrise
Laut der Befragung rechnen 65 Prozent der Experten mit einem beschleunigten Wechsel von DB- zu DC-Modellen, ausgelöst durch die Finanzkrise. Besonders ausgeprägt ist diese Erwartung in Großbritannien (94 Prozent), eher gering ausgeprägt ist sie in Deutschland (46 Prozent). Umgekehrt gehen europaweit gerade einmal 20 Prozent der Befragten von einer Abkehr von der kapitalgedeckten Altersvorsorge und Hinwendung zur umlagefinanzierten staatlichen Rente aus.
Stattdessen werden Sicherungsmechanismen eine größere Rolle in DC-Plänen spielen:
Über 75 Prozent der Experten erwarten, dass es zu einer verstärkten Einbettung von Risikomanagement-Komponenten in DC-Plänen kommen wird.
Europaweit erwarten 56 Prozent (Deutschland 80 Prozent), dass die Absicherung durch ein stärkeres Gewicht risikoärmerer Anlageklassen in DC-Plänen erfolgen wird.
Rund die Hälfte rechnet mit der Einführung formeller Garantiezusagen. „Dynamische Risikosteuerung gewinnt im Pensionsmanagement immer stärker an Bedeutung und kann gleichzeitig dazu beitragen, die Nettofinanzierungskosten in der betrieblichen Altersvorsorge zu senken“, erläutert Pross.
Geringe finanzielle Bildung als Hemmnis
Der Mangel an finanzieller Bildung sowie an sachgerechter Beratung werden – mit unterschiedlicher Gewichtung auf Länderebene – als größte Hindernisse für die Fortentwicklung des DC-Marktes gesehen. Während in Frankreich 93 Prozent (Deutschland 80 Prozent) der Befragten die finanzielle Bildung als große Herausforderung sehen, scheint dies in den Niederlanden und der Schweiz kein vorrangiges Thema zu sein. In Deutschland geben 55 Prozent der Befragten die geringe Beteiligung der Arbeitnehmer als Hemmnis an.
Gestaltung der Auszahlungsphase
Die Präferenz der befragten Experten liegt bei einer inflationsindexierten Verrentung des Kapitals, wohingegen Einmalzahlungen zu Rentenbeginn kaum Zustimmung finden (23 Prozent).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit einem weiteren Anstieg kapitalgedeckter und beitragsbezogener Rentenmodelle zu rechnen ist. Das Einkommen der Rentner in Europa wird damit stärker als bisher Kapitalmarktschwankungen und Inflationsrisiken ausgesetzt sein.
Die Regulierung des Kapitalmarktes ist ein Weg der Absicherung. Der Ausbau von finanzieller Bildung sowie qualifizierte und verantwortungsvolle Beratung spielen ebenso eine wichtige Rolle.
Ergebnisse der Umfrage “Defining the Direction of Defined Contribution in Europe: Results of an Expert Survey“