Die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Form der Riester-Rente soll zukünftigen Rentnern eine auskömmliche Rente ermöglichen, obwohl das Niveau der gesetzlichen Rente durch verschiedene Reformen deutlich sinken wird. Gesamtwirtschaftlich gesehen wäre es jedoch effizienter gewesen, die Stärken der gesetzlichen Rente zu erhalten und das Umlagesystem über weitere Steuertransfers zu unterstützen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Längerfristig seien mit der Kapitaldeckung keine höheren Renditen zu erzielen. Zudem sei das Kapitaldeckungsverfahren kurzfristig weitaus anfälliger für weltwirtschaftliche Krisen, wie derzeit die hohen Verluste von privaten Pensionsplänen in den USA zeigen.
Erklärtes Ziel der Rentenreformen der Jahre 2000 bis 2007 war es, die Beitragssätze zur Rentenversicherung auch bei einer wachsenden Zahl von Rentnern nicht über 22 Prozent steigen zu lassen. Das Rentenalter wurde heraufgesetzt, das Rentenniveau gesenkt und die Formel zur Rentenberechnung geändert. Die staatlich geförderte Riester-Rente, die die Beschäftigten ohne die Beteiligung der Arbeitgeber ansparen, soll das in Zukunft niedrigere Rentenniveau ausgleichen.
In ausführlichen Simulationsrechnungen stellen die Wissenschaftler Dr. Camille Logeay, Dr. Volker Meinhardt, Dr. Katja Rietzler und Dr. Rudolf Zwiener die Rentenreformen erstmalig in Bezug zur aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dabei zeigt sich:
Weder für die künftigen Rentner noch für die sozialen Sicherungssysteme rechnet sich der Systemwechsel.
Auf den ersten Blick haben die Reformen zwar für die heute Beschäftigten Vorteile, ebenso wie für ihre Arbeitgeber:
Der Beitragsatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll bis zum Jahr 2030 lediglich auf maximal 22 Prozent steigen. Doch weil die Arbeitgeber sich an den Kosten für die nun notwendige zusätzliche Altersvorsorge nicht beteiligen, müssen die Beschäftigten das fehlende Geld vollständig über eigene Ersparnisse ausgleichen.
Einschließlich der Beiträge zur Riester-Rente müssen Arbeitnehmer 15 Prozent ihres Bruttoeinkommens für ihre Altersvorsorge aufwenden - 11 Prozent als hälftiger Beitragssatz zur gesetzlichen Rente und 4 Prozent für die private Vorsorge. Ohne die Rentenreformen würde der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 dagegen auf knapp 25 Prozent steigen, zeigen Berechnungen des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Die - hälftige - Belastung für die Beschäftigten wäre mit 12,5 Prozent deutlich geringer.
Die Einführung einer kapitalgedeckten Komponente fordert den privaten Haushalten somit eine höhere Sparleistung ab. Das hat wiederum Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Mit Hilfe seines makroökonometrischen Modells kann das IMK diese Konsequenzen für die ersten Jahre seit Einführung der Riester-Rente näherungsweise beziffern. Es spielte dazu die Entwicklung wirtschaftlicher Eckdaten mit und ohne Riester-Rente durch.
Die Ergebnisse: Im Zuge der Rentenreformen stieg die Sparquote der privaten Haushalte zwischen 2002 und 2007 um knapp einen Prozentpunkt. Ihr Konsum schwächte sich um anderthalb Prozent ab. Dieser Verlust an Nachfrage wurde nicht durch höhere Investitionen von Unternehmen ausgeglichen. Das dämpfte die Wirtschaftsleistung innerhalb von sechs Jahren real um fast ein Prozent, das Beschäftigungsniveau um gut ein halbes Prozent.
Im gleichen Zeitraum reduzierten die Reformen die Ausgaben der Rentenversicherung um zwei Prozent. Diesen Einsparerfolg des Staates machte die vergleichsweise schlechtere wirtschaftliche Entwicklung aber wieder zunichte, so die Ökonomen. Weil sich Konjunktur und Beschäftigung im Vergleich schwächer entwickelten, hatten Städte und Gemeinden sowie die anderen Zweige der Sozialversicherung weniger Einnahmen und höhere Ausgaben, etwa für Arbeitslosengeld.
"Die Erfolge der Rentenversicherung gingen vollständig zu Lasten der Gebietskörperschaften und der anderen Zweige der Sozialversicherung" , resümieren die Forscher.
Auch die Annahme, die kapitalgedeckte Altersvorsorge erziele höhere Renditen als das Umlagesystem, ist aus Sicht der Forscher problematisch. Denn die gemeinhin angenommene durchschnittliche Verzinsung von vier Prozent ist im historischen Vergleich hoch.
Um diese Rendite mit Anlagen im Inland zu erzielen, müssten die Kapitaleinkommen dauerhaft stärker wachsen als Löhne und Gehälter. Das ist in den vergangenen Jahren in Deutschland so geschehen. Doch langfristig sei eine derart deutliche Umverteilung nicht durchhaltbar, weil sie die inländische Nachfrage immer weiter schwäche, warnen die Forscher.
Anlagen in wachstumsstärkeren Schwellenländern seien ebenfalls mit Problemen behaftet, die die erwartete Rendite in Fragen stellen: International hoch wettbewerbsfähige Länder wie China exportieren per Saldo selber Kapital. Die Nachfrage nach Kapital aus Europa sei daher zu klein, "um die Probleme der Alterssicherung anderer Länder mit hohen Renditen zu lösen", attestieren die Wissenschaftler.
Zudem ergäben sich bei Anlagen in Auslandswährungen erhebliche Wechselkursrisiken. Und schließlich könnten schwere wirtschaftliche Krisen bei kapitalgedeckten Systemen Verluste verursachen, die sich kurz- und mittelfristig kaum mehr ausgleichen lassen. Das zeigt nach der IMK-Analyse die aktuelle Situation in den USA oder Irland.
Nach Berechnungen der OECD müssen in den USA alle über 45-Jährigen mit Renteneinbußen zwischen 17 und 25 Prozent rechnen. Sinkende Rentenzahlungen zwingen manche Rentner sogar dazu, wieder einen Job zu suchen. "In der gegenwärtigen Krise mit Massenentlassungen konkurrieren sie so mit Arbeitslosen um die wenigen neuen Arbeitsplätze" , schreiben die Forscher.
Ein weiterer Ausbau der Kapitaldeckung und eine Ausweitung beispielsweise auf die Pflegeversicherung berge deutlich mehr Risiken als Chancen, resümiert das IMK. Und die bereits umgesetzten Rentenreformen mit ihrer langfristig wirkenden Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus bedrohten die Legitimität der gesetzlichen Rente.
"Viele der heute Erwerbstätigen unterliegen noch dem Irrglauben, dass sie durch die Kombination aus gesetzlicher Rente und Riestersparen auch in Zukunft ein akzeptables Rentenniveau erreichen werden" , schreiben die Forscher.
Das sei aber nur zu gewährleisten, wenn das gesetzliche Rentenniveau nicht so stark wie vorgesehen abgesenkt werde.
Hans-Böckler-Stiftung / IMK
Auf den ersten Blick haben die Reformen zwar für die heute Beschäftigten Vorteile, ebenso wie für ihre Arbeitgeber:
Der Beitragsatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll bis zum Jahr 2030 lediglich auf maximal 22 Prozent steigen. Doch weil die Arbeitgeber sich an den Kosten für die nun notwendige zusätzliche Altersvorsorge nicht beteiligen, müssen die Beschäftigten das fehlende Geld vollständig über eigene Ersparnisse ausgleichen.
Einschließlich der Beiträge zur Riester-Rente müssen Arbeitnehmer 15 Prozent ihres Bruttoeinkommens für ihre Altersvorsorge aufwenden - 11 Prozent als hälftiger Beitragssatz zur gesetzlichen Rente und 4 Prozent für die private Vorsorge. Ohne die Rentenreformen würde der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 dagegen auf knapp 25 Prozent steigen, zeigen Berechnungen des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Die - hälftige - Belastung für die Beschäftigten wäre mit 12,5 Prozent deutlich geringer.
Die Einführung einer kapitalgedeckten Komponente fordert den privaten Haushalten somit eine höhere Sparleistung ab. Das hat wiederum Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Mit Hilfe seines makroökonometrischen Modells kann das IMK diese Konsequenzen für die ersten Jahre seit Einführung der Riester-Rente näherungsweise beziffern. Es spielte dazu die Entwicklung wirtschaftlicher Eckdaten mit und ohne Riester-Rente durch.
Die Ergebnisse: Im Zuge der Rentenreformen stieg die Sparquote der privaten Haushalte zwischen 2002 und 2007 um knapp einen Prozentpunkt. Ihr Konsum schwächte sich um anderthalb Prozent ab. Dieser Verlust an Nachfrage wurde nicht durch höhere Investitionen von Unternehmen ausgeglichen. Das dämpfte die Wirtschaftsleistung innerhalb von sechs Jahren real um fast ein Prozent, das Beschäftigungsniveau um gut ein halbes Prozent.
Im gleichen Zeitraum reduzierten die Reformen die Ausgaben der Rentenversicherung um zwei Prozent. Diesen Einsparerfolg des Staates machte die vergleichsweise schlechtere wirtschaftliche Entwicklung aber wieder zunichte, so die Ökonomen. Weil sich Konjunktur und Beschäftigung im Vergleich schwächer entwickelten, hatten Städte und Gemeinden sowie die anderen Zweige der Sozialversicherung weniger Einnahmen und höhere Ausgaben, etwa für Arbeitslosengeld.
"Die Erfolge der Rentenversicherung gingen vollständig zu Lasten der Gebietskörperschaften und der anderen Zweige der Sozialversicherung" , resümieren die Forscher.
Auch die Annahme, die kapitalgedeckte Altersvorsorge erziele höhere Renditen als das Umlagesystem, ist aus Sicht der Forscher problematisch. Denn die gemeinhin angenommene durchschnittliche Verzinsung von vier Prozent ist im historischen Vergleich hoch.
Um diese Rendite mit Anlagen im Inland zu erzielen, müssten die Kapitaleinkommen dauerhaft stärker wachsen als Löhne und Gehälter. Das ist in den vergangenen Jahren in Deutschland so geschehen. Doch langfristig sei eine derart deutliche Umverteilung nicht durchhaltbar, weil sie die inländische Nachfrage immer weiter schwäche, warnen die Forscher.
Anlagen in wachstumsstärkeren Schwellenländern seien ebenfalls mit Problemen behaftet, die die erwartete Rendite in Fragen stellen: International hoch wettbewerbsfähige Länder wie China exportieren per Saldo selber Kapital. Die Nachfrage nach Kapital aus Europa sei daher zu klein, "um die Probleme der Alterssicherung anderer Länder mit hohen Renditen zu lösen", attestieren die Wissenschaftler.
Zudem ergäben sich bei Anlagen in Auslandswährungen erhebliche Wechselkursrisiken. Und schließlich könnten schwere wirtschaftliche Krisen bei kapitalgedeckten Systemen Verluste verursachen, die sich kurz- und mittelfristig kaum mehr ausgleichen lassen. Das zeigt nach der IMK-Analyse die aktuelle Situation in den USA oder Irland.
Nach Berechnungen der OECD müssen in den USA alle über 45-Jährigen mit Renteneinbußen zwischen 17 und 25 Prozent rechnen. Sinkende Rentenzahlungen zwingen manche Rentner sogar dazu, wieder einen Job zu suchen. "In der gegenwärtigen Krise mit Massenentlassungen konkurrieren sie so mit Arbeitslosen um die wenigen neuen Arbeitsplätze" , schreiben die Forscher.
Ein weiterer Ausbau der Kapitaldeckung und eine Ausweitung beispielsweise auf die Pflegeversicherung berge deutlich mehr Risiken als Chancen, resümiert das IMK. Und die bereits umgesetzten Rentenreformen mit ihrer langfristig wirkenden Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus bedrohten die Legitimität der gesetzlichen Rente.
"Viele der heute Erwerbstätigen unterliegen noch dem Irrglauben, dass sie durch die Kombination aus gesetzlicher Rente und Riestersparen auch in Zukunft ein akzeptables Rentenniveau erreichen werden" , schreiben die Forscher.
Das sei aber nur zu gewährleisten, wenn das gesetzliche Rentenniveau nicht so stark wie vorgesehen abgesenkt werde.
Hans-Böckler-Stiftung / IMK