Die Wirtschafts- und Finanzkrise wurde von Beginn an auch als Vertrauenskrise beschrieben. Wie es nun um das Vertrauen in Regierung, Banken und Wirtschaftsunternehmen bestellt ist, untersuchte das Edelman-Trust-Barometer 2010. "Verlierer" der Studie sind vor allem Banken.
Wirtschaftsunternehmen konnten 2009 weltweit nach einem massiven Einbruch im vergangenen Jahr wieder leicht an Vertrauen hinzugewinnen.
Die deutsche Regierung genießt mit 43 Prozent den höchsten Vertrauenswert seit zehn Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt das Edelman Trust Barometer 2010. Im Rahmen der mindestens einmal jährlich durchgeführten Studie wurden in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres weltweit 4.875 Meinungsführer zum Thema Vertrauen in Institutionen (Regierung, Wirtschaft, NGOs und Medien) befragt.
Demnach gaben 54 Prozent der befragten Entscheider an, darauf zu vertrauen, dass Wirtschaftsunternehmen „das Richtige“ tun (2009: 50 Prozent). Die Deutschen bleiben jedoch deutlich kritischer: Nur 40 Prozent der hiesigen Entscheider konnten dieser Aussage zustimmen (2009: 34 Prozent).
Nachdem im vergangenen Jahr in den USA das Vertrauen in die Wirtschaft um mehr als 20 Prozentpunkte auf europäisches Niveau abgerutscht war, hat dieses mit 54 Prozent wieder nahezu das Vorkrisen-Niveau erreicht (2008: 59 Prozent).
Die Deutschen bleiben nicht nur skeptischer, sondern auch pessimistischer: 78 Prozent der befragten Entscheider hierzulande gehen davon aus, dass die Unternehmen nach der Rezession zur Tagesordnung zurückkehren und keine Konsequenzen ziehen werden.
Besonders kritisch wirkt sich diese Haltung auf den Bankensektor aus. Nur 19 Prozent vertrauen der Bankenbranche, das sind nochmal fünf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Die Banken bilden damit das Schlusslicht im Vertrauensranking der Branchen. Nur jeder fünfte deutsche Entscheider geht davon aus, dass die Regierung über Einfluss bei Banken verfügen wird – so wenig wie in keinem anderen untersuchten Land.
Das Vertrauen steigt auf breiter Front, Vertrauenszuwächse in einzelnen Bereichen gehen nicht zu Lasten anderer: Die Unternehmen legen zu, zugleich aber in noch viel stärkerem Maße tun dies auch Regierungen und NGOs.
Sie sind nicht nur in Deutschland die Vertrauensprofiteure der Krise: Weltweit stieg das Vertrauen in die Regierungen um vier Punkte auf 47 Prozent. NGOs legten auf traditionell hohem Niveau um drei Punkte auf 57 Prozent zu. In Deutschland verzeichnet die Regierung ein Plus von sieben Punkten und erreicht 43 Prozent, NGOs sind mit 51 Prozent am vertrauenswürdigsten (2009: 49 Prozent). Zu den Spitzenreitern des Vertrauensgewinns zählt die US-amerikanische Regierung mit einer Steigerung um 16 Punkte auf 46 Prozent.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Vertrauen für Deutsche wichtigster Reputationsfaktor / Finanzertrag fast überall unwichtigster Reputationsfaktor:
Vertrauen ist in Deutschland zum wichtigsten Reputationsfaktor von Unternehmen geworden (62 Prozent, 2009: 67 Prozent).
Im letzten Jahr war noch der Umgang mit den Mitarbeitern das wichtigste Beurteilungskriterium. Deutschland führt damit den globalen Trend des Bedeutungszuwachses von Vertrauen bei der Unternehmensreputation an: Weltweit liegt die Qualität von Produkten und Dienstleistungen trotz des Verlustes von drei Punkten (69 Prozent) knapp vor dem Vertrauen, das bei 66 Prozent stabil bleibt.
Deutsche haben weltweit am wenigsten Vertrauen in Banken:
In keinem Land der Welt wird den Banken so wenig Vertrauen geschenkt wie in Deutschland: Der ohnehin niedrige Wert von 34 Prozent im Jahr 2007 hat sich bis 2009 bei den 35-64-jährigen Befragten halbiert. Nur 17 Prozent dieser Entscheider trauen Banken zu, das Richtige zu tun, weltweit sind es wie im Vorjahr 46 Prozent. Über alle Altersgruppen beträgt der Wert in Deutschland 19 (2009: 24 Prozent), weltweit 48 Prozent (2009: 47 Prozent).
Der Technologiesektor ist am vertrauenswürdigsten:
Dem Technologiesektor wird mit 79 Prozent weltweit (2009: 76 Prozent) und in Deutschland mit 78 Prozent (2009: 66 Prozent) am meisten Vertrauen entgegengebracht – noch vor dem Einzelhandel, der in Deutschland auf 69 Prozent kommt (2009: 63 Prozent).
„Auch wenn die rasante Talfahrt des Vertrauens in die Wirtschaft weitgehend gestoppt scheint, wird auf lange Sicht nur eine Investition in nachhaltig vertrauensbildende Maßnahmen für einzelne Unternehmen zielführend sein“, erklärt Cornelia Kunze, Geschäftsführerin von Edelman Deutschland. „Das Handeln von Unternehmen wird sich noch stärker am Gemeinwohl orientieren müssen – hierfür werden Kooperationen mit besonders glaubwürdigen Partnern wie NGOs unumgänglich werden“, legt Kunze dar. „Dies wird von den weiteren Untersuchungsergebnissen untermauert.“
Deutsche Unternehmen verteidigen Platz in der Spitzengruppe:
Der Wert für Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland legt weltweit um vier Punkte auf 75 Prozent zu. Damit bleibt Deutschland den beiden Champions Kanada (76 Prozent) – 2009 noch mit 71 Prozent ebenfalls auf Platz zwei – und Schweden (76 Prozent, 2009: 72) dicht auf den Fersen.
NGO-Kooperationen als Königsweg zu Vertrauen:
Bis zu 70 Prozent der befragten Deutschen vertrauen am ehesten einem Unternehmen, das mit NGOs kooperiert, weltweit sind es 68 Prozent.
CEOs wieder glaubwürdiger / nur in Deutschland weiterhin niedrige Werte:
Im Vorjahresvergleich können CEOs als glaubwürdige Informationsquelle weltweit neun Punkte hinzugewinnen (40 Prozent). 2009 hatten die Unternehmenslenker weltweit einen Vertrauenstiefpunkt erreicht (31 Prozent). In Deutschland beträgt der Zuwachs vier Punkte auf 22 Prozent – der niedrigste Wert aller Länder. Akademiker bzw. Experten genießen in Deutschland (65 Prozent, 2009: 32) und weltweit das höchste Ansehen (64 Prozent, 2009: 62).
Wirtschaftsmedien am glaubwürdigsten – Glaubwürdigkeit von Werbung stürzt ab:
Der ohnehin geringe Vertrauenswert der Werbung vom vergangenen Jahr halbiert sich in Deutschland auf vier Prozent. Weltweit schenken 17 Prozent der Entscheider der Werbung Vertrauen (2009: 13 Prozent). Börsen- und Branchenanalysten führen weltweit mit 49 Prozent (2009: 48), in Deutschland verlassen sich die Entscheider an erster Stelle auf Wirtschaftsmedien (56 Prozent, 2009: 69) gefolgt von Analysten-Reports und den Fernsehnachrichten (beide 54 Prozent). Die Fernsehnachrichten brechen um sieben Punkte ein, die Analysten können drei Punkte gutmachen.
Cornelia Kunze kommentiert die Ergebnisse: „Das Edelman Trust Barometer 2010 gibt dem Top-Management einen unmissverständlichen Handlungsauftrag: Strategien müssen das Thema Vertrauen in den Mittelpunkt stellen. Das „Wer“ der Kommunikation hat sich zur essentiellen Frage entwickelt. Unabhängige Experten, aber auch der CEO als Gesicht des Unternehmens werden im Zuge einer zunehmenden Personalisierung dabei immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt“, erläutert Kunze. „Die Befragten fordern ganz klar, alle Stakeholder gleichermaßen einzubeziehen.“
Über das Edelman Trust Barometer
Das Edelman-Trust-Barometer 2010 ist eine Umfrage des Unternehmens zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit, die seit 2001 mindestens einmal jährlich durchgeführt wird.
Die Umfrage wurde von der Marktforschungsfirma StrategyOne in 25-minütigen Telefoninterviews mit Hilfe der Dienste von World One zwischen dem 29. September und dem 6. Dezember 2009 durchgeführt.
Für das Edelman-Trust-Barometer 2010 wurden 4.875 Meinungsführer in zwei Altersgruppen (25-34 und 35-64 Jahre) in 22 Ländern befragt. Alle Meinungsführer erfüllten folgende Kriterien: sie besitzen einen Hochschulabschluss, das jährliche Haushaltseinkommen befindet sich im oberen Viertel ihres Landes bezogen auf ihr Alter, sie lesen oder sehen mehrmals wöchentlich Wirtschafts-/Nachrichtenmedien und verfolgen mehrmals wöchentlich Fragen der öffentlichen Politik in den Nachrichten.