Der Verband der Ersatzkassen (vdek) warnt vor den Risiken und Nebenwirkungen der Kopfpauschale. Eine Alternative zur beitragsfinanzierten Gesundheitsvorsorge sei die Kopfpauschale nicht. Gleichzeitig legte der Verband Sparvorschläge vor, die das Defizit der GKV mindern und Zusatzbeiträge entbehrlich machen sollen.
Der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), Christian Zahn, hat davor gewarnt, das bewährte beitragsfinanzierte System leichtfertig auf Kopfpauschalen umzustellen. „Mit den Zusatzbeiträgen bekommen wir einen Vorgeschmack auf die Probleme, die sich erst mit Kopfpauschalen ergeben“, erklärte Zahn.
Unklar seien eine Vielzahl von Fragen, zum Beispiel: Wie soll der zwingend notwendige Sozialausgleich finanziert werden? Das Steuersystem müsste komplett umgestaltet werden, um den Sozialausgleich zu finanzieren. „Ob das System Kopfpauschale plus Steuerausgleich dann am Ende gerechter ist als das derzeitige Beitragssystem mit eingebautem Sozialausgleich, darf getrost bezweifelt werden.“
Auch bei einem Einstieg in eine „Kleine Kopfprämie“ und einem Sozialausgleich von zehn Milliarden Euro stelle sich die Frage der Finanzierung. Zahn warnte davor, den notwendigen Steuerzuschuss aus den bisherigen Steuermitteln für den Bundeszuschuss zu finanzieren. „Das wäre Augenwischerei, denn es stünde ja nicht mehr Geld für die Krankenversicherung zur Verfügung.“
Mit der Kopfpauschale müsste zudem ein gigantisches bürokratisches Antragsverfahren etabliert werden. Zahn: „Bisher existiert keine Institution, die alle im neuen Sozialausgleich „Bedürftigen“ erfassen wird. Das Finanzamt kann diese Aufgaben nicht so ohne Weiteres übernehmen, da Geringverdiener und viele Rentner keine Steuererklärungen machen. Die Versicherten dürfen aber nicht zu Bittstellern werden!“ Bis jetzt sei keine Lösung bekannt, die nicht neue gigantische Bürokratiekosten produzieren würde. Eventuelle Mehreinnahmen durch die Einbeziehung weiterer Einkünfte der Versicherten würden durch die Verwaltungsaufwendungen wieder aufgefressen.
Zahn betonte, es sei vernünftig, eine Kommission gründlich und ergebnisoffen mit der Frage der zukünftigen Finanzierung der GKV zu beschäftigen.
Die in der Koalitionsvereinbarung gemachten Aussagen sollten deutlich überprüft werden, gegebenenfalls sollte die Politik auch den Mut haben, die Absichtserklärungen zu revidieren. Zahn warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf mehr Elemente der privaten Krankenversicherung (PKV).
„Das aktuelle IGES-Gutachten zur Demografiefestigkeit der PKV und tägliche Berichte in der Presse zeigen: Risikoäquivalente Beiträge und Rückstellungen schützen nicht besser vor steigenden Behandlungskosten als die umlagefinanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Die horrenden Kostensteigerungen der PKV belegen dies eindeutig.
Mangelnde Steuerungsmodelle, zu hohe Vergütungen und null Kostenbegrenzung haben zu diesem Dilemma geführt, sodass für viele Menschen die private Versicherung mehr und mehr zu einem Kostenproblem geworden ist. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass an dem bewährten umlage- und beitragsfinanzierten System der GKV mit seinen Steuerungsmöglichkeiten festgehalten werden sollte.“
Der Vorstandsvorsitzende des vdek, Thomas Ballast, forderte ein Sparpaket zur kurzfristigen Stabilisierung der Finanzen in der GKV. Bei einem aktuellen Defizit von vier Milliarden Euro in 2010 und rund zehn Milliarden Euro in 2011 sei Sparen das Gebot der Stunde.
Dazu gehören:
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Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von Arzneimitteln.
Einsparungen in Höhe von gut 2,8 Milliarden Euro könnten dazu beitragen, den Finanzdruck deutlich zu lindern. Deutschland ist neben Dänemark, Österreich und Bulgarien das einzige Land in der EU, das noch den vollen Steuersatz auf Arzneimittel erhebt. - die Begrenzung des Ausgabenanstiegs für die ärztliche Vergütung.
- die Wiedereinführung der Freiwilligkeit von Hausarztverträgen (§ 73 b SGB V), um zusätzliche Kostenbelastungen zu vermeiden.
- das Einfrieren der Preise im Krankenhaus.
- das Anheben des Herstellerabschlags für patentgeschützte, festbetragsfreie Arzneimittel von sechs Prozent auf zwölf Prozent in Verbindung mit einem Preismoratorium.
- das Stabilisieren des Apothekenabschlags möglichst auf 2,30 Euro.
- die Weitergabe der Großhandelsrabatte (derzeit angeblich 40 Prozent an Apotheken) an die GKV.
Mittelfristig sollen die Ausgaben bei den hochpreisigen Arzneimitteln begrenzt werden und ein anderes Preisfindungssystem etabliert werden.
In Preisverhandlungen zwischen GKV und Anbietern solle eine Preisobergrenze festgelegt werden. Geschieht dies nicht, könnte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf Vorschlag der GKV die Höchstpreise festlegen. Innerhalb einer vorgegebenen Zeit würde die „normale“-Kosten-Nutzen Bewertung - gegebenenfalls mit Preisnachjustierung - erfolgen. Für so genannte innovative Arzneimittel, die beim Schnelltest keinen Zusatznutzen erkennen lassen, müssten die Festbetragsregelungen erweitert werden.
Schließlich kritisierte Ballast den politischen Umgang mit den Zusatzbeiträgen. „Kassen, die nun Recht und Gesetz umsetzen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt, als Zusatzbeiträge zu erheben, werden an den Pranger gestellt, oder es werden ihnen Kartellabsprachen vorgeworfen. Dieser Vorwurf wird sich in Luft auflösen.“ Zusatzbeiträge seien politisch gewollt – nun muss die Politik mit dieser Realität umgehen.