Der Erfolg im Versicherungsvertrieb ist nicht an den Vertriebskanal gebunden, wohl aber an die Kanalbearbeitung. Die aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bain & Company „Nachhaltiger Vertriebserfolg in Ausschließlichkeitsorganisationen und Maklervertrieben“ zeigt, dass markengebundene Vertriebe und Versicherungsmakler bei den Gesamtkosten sowie im Gesamtergebnis vergleichbar sind.
Vertrieb ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren im Versicherungsgeschäft. Versicherer investieren seit vielen Jahren in die Steigerung ihrer Vertriebskraft. So übernahm die Swiss Life 2008 die Vertriebsorganisation AWD, ERGO führte Anfang 2009 mehrere Maklervertriebe zusammen und andere große Versicherer, wie zum Beispiel Allianz oder AXA, bauten ihre konzerneigenen Markenvertriebe aus. Kaum ein Versicherer beschränkt sich heute jedoch auf den Eigenvertrieb. Die meisten verfolgen eine Multikanalstrategie, die eigene Agenturen, freie Makler, Direktvertriebe und den Vertrieb über Banken vereint.
Zu den wichtigsten Vertriebswegen gehören markengebundene Vertriebe – so genannte Ausschließlichkeitsorganisationen – und freie Makler. Ende 2009 hat Bain & Company in Zusammenarbeit mit acht großen deutschen Versicherern eine Benchmarking-Studie durchgeführt, die die beiden Kanäle erstmalig systematisch und quantitativ untersucht. Dabei zeigte sich, für viele Branchenexperten überraschend:
Kein Vertriebsweg ist deutlich überlegen – weder bei den Kosten noch in der Vertriebseffizienz.
Unter dem Strich sind beide Vertriebswege etwa gleich kostenintensiv und erfolgreich. Dennoch haben sie unterschiedliche Stärken und Schwächen und erfordern daher differenzierte Konzepte zur Marktbearbeitung.
Unterschiedliche Rollen von Maklern und Ausschließlichkeiten
Im Untersuchungszeitraum 2006 bis 2008 entwickelte sich das Neugeschäft der teilnehmenden Versicherungsunternehmen insgesamt rückläufig. Im direkten Vergleich zeigte sich, dass Makler hier etwas stärker sind. Sie bauten ihr Neugeschäft zwischen 2006 und 2008 pro Jahr um ein Prozent aus, während das Neugeschäft in den markengebundenen Agenturen um vier Prozent jährlich zurückging. Ihre Schwäche im Neugeschäft glichen die Markengebundenen jedoch durch eine bessere Kundenbindung aus.
Obwohl keine Ausschließlichkeit ihr Neugeschäft über alle Sparten hinweg ausbauen konnte, steigerten die Besten ihre Kundenbestände trotz leicht rückläufigem Neugeschäft jährlich um zwei bis drei Prozent.
Diese Unterschiede begründen sich einerseits in der unterschiedlichen Ausrichtung der jeweiligen Vertriebskanäle und andererseits in der geringeren Markenbindung der über Makler versicherten Kunden. Der Beitragsbestand beider Kanäle blieb im Betrachtungszeitraum auf ähnlichem Niveau.
Die Bain-Studie zeigt, dass der Vertriebskanal Makler für die Versicherer sowohl größere Chancen bietet als auch höhere Risiken birgt.
So steigerten einige Versicherer ihr Makler-Neugeschäft zwischen 2006 und 2008 um mehr als 30 Prozent jährlich, während andere hier Einbußen von bis zu fünf Prozent pro Jahr hinnehmen mussten.
„Erfolg im Maklerkanal erfordert laufende Investitionen und eine klare Ausrichtung und laufende Fokussierung auf die Bedürfnisse der jeweiligen Makler“, sagt Dr. Gero Matouschek, Partner bei Bain & Company und Leiter der Studie. „Dazu gehören eine hochprofessionelle Betreuung und Kompetenz, exzellente Abwicklungsprozesse, angepasste Produkte, Produktinnovationen, marktgerechte Verkaufsverpackungen und eine attraktive Incentivierung. Die Bedeutung dieser Erfolgsfaktoren ist je nach Maklersegment unterschiedlich.“
Differenzierte Kanalbearbeitung als Schlüssel zum Erfolg
Im Ausschließlichkeitskanal nimmt die Bestandsausschöpfung eines Vermittlers mit zunehmendem Kundenstamm ab.
Gleichzeitig ist ein großer Kundenstamm kein Erfolgsgarant für eine hohe Neugeschäftsproduktivität. Die erfolgreichen Ausschließlichkeiten erreichen ihre hohe Bestandsausschöpfung, indem sie fortlaufend die Betreuungs- und Verkaufskapazität pro Kunde sicherstellen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Vermittler und Versicherung. Schließlich besteht gerade bei erfolgreichen Vermittlern die „Gefahr“, dass der Kundenstamm zu groß wird.
Die Bain-Studie zeigt, dass in der Ausschließlichkeit – anders als bei Maklervertrieben – die durchschnittliche Provisionshöhe keinen Einfluss auf die Neugeschäftsproduktivität und die Bestandentwicklung hat. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Ausschließlichkeit ist vielmehr die Ausgestaltung des Vergütungssystems als Ganzes. Erhöhte Produktivität konnte bei den Häusern nachgewiesen werden, die eine überproportionale Progression der Vergütung nach absoluter Produktion bieten und Vergütungsteile an einen Geschäftsplan mit wenigen und klaren Jahreszielen koppeln.
„Unsere Studie identifiziert klare Aufgaben und Kriterien für die Weiterentwicklung der markengebundenen Vertriebe“, so Versicherungsvertriebs-Experte Matouschek. „Neben einem qualitativ hochwertigen Ausbau direkt angebundener Vermittler sollte es ein transparentes, einfaches und an die strategischen Ziele des Versicherungsunternehmens gebundenes Vergütungssystem geben. Außerdem ist die individuelle Betreuung der Vermittler, ausgerichtet an seinen Entwicklungspotenzialen, durch den Versicherer sicherzustellen.“
Insgesamt belegt die Bain-Studie, dass Erfolg sowohl in der Ausschließlichkeit als auch im Maklerkanal möglich ist.
Doch die Erfolgsfaktoren unterscheiden sich:
Ausschließlichkeitsorganisationen verlangen eine systematische Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der jeweiligen Spezifika des Versicherers. Dieser Kanal ist für die langfristige Kundenbindung prädestiniert.
„Noch immer ist die Kernherausforderung etablierter Ausschließlichkeitsorganisationen, eine angemessene und aktive Betreuung des eigenen Kundenbestandes sicherzustellen. Regelmäßiger Kontakt und ganzheitliche Beratung bezogen auf die individuelle Kundensituation sind wichtige Erfolgsfaktoren“, so Matouschek.
Im Maklerkanal ist es wichtig, sich auf den Markt und die Bedürfnisse der Makler zu fokussieren. Dieser Kanal erlaubt schnelle Erfolge, verlangt jedoch hochprofessionelle Betreuung und Prozesse. Matouschek: „Es ist wichtig, die Vertriebskanäle differenziert zu bearbeiten und keinen Kanal als Annex des anderen zu betrachten. Gerade in der Vermittlerbetreuung ist eine ausgeprägte Differenzierung gefragt.“
Die Studie
Die „Benchmarkingstudie Versicherungsvertrieb“ von Bain & Company vergleicht die Vertriebswege großer deutscher Versicherungen (AXA, Central, Generali, Gothaer, Provinzial Rheinland, Versicherungskammer Bayern, Volksfürsorge, Zurich):
Die Bereiche Ausschließlichkeits- und Maklervertrieb wurden jeweils getrennt betrachtet. Als Basis dienten die Vertriebsergebnisse des Jahres 2008, bei Mehrjahresvergleichen die Jahre 2006 bis 2008. Die Rohdaten wurden unmittelbar durch die teilnehmenden Versicherungen bereitgestellt. Alle Teilnehmer unterstützten die Validierung der Daten.
Bain & Company