Dass Arbeitsbiografien immer lückenhafter werden, ist längst kein Geheimnis mehr. Nun liegen Forschungsergebnisse des "Instituts für Empirische Sozialökonomie" (Inifes) vor. Die Studienautoren Prof. Dr. Ernst Kistler und Falko Trischler warnen vor Problemen bei der Alterssicherung: "Die Gefahr der Altersarmut steigt und ist hochgradig gruppenspezifisch."
Kistler und Trischler haben untersucht, wie sich Erwerbsbiografien zwischen 1984 und 2007 verändert haben. Dabei differenzieren sie zwischen der Phase des Berufseinstiegs, der Kernerwerbsphase und der Phase des Altersübergangs.
Deutlich anders sieht heute die Einstiegsphase der 20- bis 30-Jährigen aus. Der durchschnittliche Berufsstart verschob sich, weil die Ausbildungen länger wurden. Vor allem aber spielt frühe Arbeitslosigkeit eine immer größere Rolle.
Ob Männer oder Frauen, ob in Ost- oder Westdeutschland: Für alle Gruppen nahm zwischen 1991 und 2007 das Risiko zu. Selbst Dauerarbeitslosigkeit ist in dieser Lebensphase keine Seltenheit mehr. Jeder zwanzigste 20- bis 30-Jährige war in den fünf Jahren von 2003 bis 2007 mindestens zweieinhalb Jahre ohne Job.
Zum Vergleich: Zwischen 1985 und 1989 war nur jeder hundertste von derartiger Dauerarbeitslosigkeit betroffen.
"Arbeitslosigkeit wird zur allgemeinen Erfahrung", schreiben Kistler und Trischler über die Einstiegsphase. Weil weder Berufskenntnisse noch relevante Rentenansprüche gesammelt werden, zieht diese Erfahrung dauerhaft Nachteile nach sich. Außerdem ist bei den Unter-30-Jährigen der Anteil der Vollzeitbeschäftigten gesunken, und schon in dieser Lebensphase haben Frauen seltener eine Vollzeitstelle.
Die Kernerwerbsphase - 30- bis 50-Jährige. Dieser Lebensabschnitt hat sich über die Jahrzehnte am wenigsten verändert. Die wesentliche Neuheit im Vergleich zu den 1980er-Jahren ist, dass nun mehr Frauen arbeiten.
Das mündete laut Inifes aber nicht in einen erheblichen Zuwachs an Frauen in Vollzeitjobs, sondern eher in mehr geringfügige und Teilzeit-Beschäftigung.
Etwa jede sechste westdeutsche Frau zwischen 30 und 50 bleibt noch immer die meiste Zeit dem Arbeitsmarkt fern. Arbeitslosigkeit und prekäre Jobs sind in dieser Phase etwas seltener als zu Beginn oder am Ende des Erwerbslebens. Aber immerhin jeder Fünfte arbeitete zwischen 2003 und 2007 dauerhaft in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis, und sieben Prozent waren sogar mehr als zweieinhalb Jahre ohne Job (1985 bis 1989: zwei Prozent).
Auch wenn Bildung hilft: Die Zeiten in Arbeitslosigkeit sind für Geringqualifizierte wie für Akademiker gestiegen.
Der Altersübergang - 51- bis 65-Jährige. Beim Vergleich der 1980er- und der 2000er-Jahre wird deutlich:
Es hat sich ein Keil zwischen Arbeitsende und Rentenbeginn geschoben. Die Mehrheit der Erwerbstätigen wechselt nicht mehr aus dem Beruf in die Rente. Verbreitet ist eine schwierige Überbrückungsphase am Ende des Erwerbslebens, und obwohl Kürzungen des Ruhegeldes drohen, gehen viele vorzeitig in Rente.
Ein immer größerer Teil der Älteren ist von Arbeitslosigkeit betroffen, auch im Westen, noch deutlicher aber im Osten. Bundesweit waren acht Prozent in dieser Altersgruppe im Zeitraum von 2003 bis 2007 mindestens zweieinhalb Jahre arbeitslos. Zwischen 1985 und 1989 waren es dagegen erst vier Prozent. Vor allem künftige Ostrentner, zunehmend aber auch Westrentner, werden nicht auf eine stabile Erwerbsbiografie zurückblicken können, warnen Kistler und Trischler.
Falko Trischler, Ernst Kistler: Gute Erwerbsbiographien, Arbeitspapier 1: Erwerbsverläufe im Wandel, Stadtbergen 2010. PDF
Hans-Böckler-Stiftung
INFES