Der Finanzdienstleister "AWD" sorgt erneut für negative Schlagzeilen. Zu Wochenbeginn berichtete der "SPIEGEL", dass Finanzberater des Konzerns ihren Kunden zum Großteil hochriskante Produkte vermittelten. Nun liegt dem "NDR" eine Liste vor, die Falschberatungen von tausendfachem Ausmaß belegen könnte. Auch der "Stern" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über die Machenschaften des „Finanzoptimierers“.
Zuletzt hatte Carsten Maschmeyer, Gründer des Finanzdienstleisters AWD, mit seinen guten Verbindungen in die Politik von sich Reden gemacht. Gerhard Schröder, Walter Rister und Bert Rürup – viele prominente Entscheidungsträger gehörten zum Bekannten- und Freundeskreis des Unternehmers. Gegen Vorwürfe, wonach AWD mit fragwürdigen Methoden Kleinanleger abgezockt habe, konnte sich Maschmeyer jedoch bisher erfolgreich verteidigen. "Alles Einzelfälle" - so seine Behauptung.
Dem Norddeutschen Rundfunk liegt nun eine interne Liste vor, die möglicherweise Fehlberatungen von großem Ausmaß belegt. Über 30.000 Anleger sind auf dieser Liste aufgeführt, die in verlustreiche „Geschlossene Fonds“ investiert hatten. Diese Finanzprodukte waren hoch riskant: bis zu 90 Prozent Wertverlust mussten die Anleger in Kauf nehmen, für Managementfehler hafteten sie schlimmstenfalls mit ihrem Privatbesitz.
So vermittelte der AWD mehr als 34.000 Beteiligungen an „Drei-Länder-Fonds“, die zwar den Vermittlern hohe Provisionen bescherten, aber für die Kunden auch nach Abzug aller Ausschüttungen und Steuervorteile ein deutliches Minusgeschäft bedeuteten. Im schlimmsten Fall drohte ein Totalverlust – dennoch wurden sie von den AWD-Beratern als Baustein zur privaten Altersvorsorge beworben. Hinzu kommen etwa 13.000 Kunden, die mit Medienfonds Geld verloren haben. Macht in der Summe bereits 47.000 geschädigte Anleger, die dank einer AWD-Beratung einen finanziellen Aderlass erlitten.
Ein weiteres Detail lässt aufhorchen. So haben mindestens zwanzig Prozent der Anleger ihre Beteiligungen über Kredite finanziert. Sie sitzen nun auf einem doppelten Schuldenberg. Nicht nur bürgen sie mit ihrem Besitz für die Verluste der Fonds, sie müssen zusätzlich die hierfür aufgenommenen Kreditschulden abzahlen.
Dass diese Kreditdarlehen ebenfalls von der AWD vermittelt worden sind, ist für Verbraucherschützer ein Beleg für die systematische Falschberatung. Ariane Lauenburg von der Stiftung Warentest erklärte gegenüber der Tagesschau: „ich glaube, dass das Handeln des AWD auf Gewinn ausgerichtet war und nicht auf die Zufriedenheit der Kunden und dass dadurch so viele Anleger geschädigt wurden.“
Verhinderte Kungelei bessere Beratungsstandards?
Auch aus Sicht der Versicherungsbranche ist der Fall AWD interessant, vermittelte der Dienstleister doch im großem Umfang Lebens-, Unfall- und Krankenversicherungen. Und nicht selten war bei Stiftung Warentest von der schlechten Ausbildung der Berater die Rede. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so ist es also durchaus zulässig zu fragen, wieso Qualitätsstandards bei der Beratung in großem Ausmaß verletzt werden konnten.
Auch wäre in vielen EU-Ländern ein Handel mit hochriskanten Produkten wie den „Drei-Länder-Fonds“ gar nicht möglich gewesen, da sie dort schlichtweg verboten sind. Schon seit längerer Zeit steht die laxe Kontrolle des bundesdeutschen „grauen Kapitalmarktes“ in der Kritik, auf dem Finanzprodukte gehandelt werden, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. Angekündigte Verschärfungen werden von Verbraucherschützern wie Finanzexperten als unzureichend bewertet.
„Der kaum regulierte graue Kapitalmarkt ist ein Unikum, das in dieser Ausprägung in keinem anderen EU-Land existiert“, so stellte vor zwei Jahren eine Studie im Auftrag des Verbraucherministeriums fest. Das Bundeskriminalamt schätzt den verursachten Schaden jährlich auf 20 bis 25 Milliarden Euro. Und auch wenn hier nicht nur unseriöse Produkte angeboten werden, gibt es in der Bundesrepublik besonders viele Gesetzeslücken, die von Geschäftemachern ausgenutzt werden können.
So hat Maschmeyers Nähe zu einflussreichen Politikern erneut ein Geschmäckle. Als bei einer internen Sitzung im Jahr 2002 die sich abzeichneten Probleme mit den „Drei-Länder-Fonds“ diskutiert wurden, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wie klagewillige Anleger ruhig zu stellen seien, waren nicht nur AWD-Mitarbeiter anwesend. Sondern mit Günther Rexrodt auch ein ehemaliger Bundesminister.
Aus Sicht der Berater ließe sich jedoch anmerken: Zu einem Vertragsabschluss gehören immer zwei. Der Berater - und der kritische Kunde.