In Deutschland geriet das provisionsbasierte Vertriebsmodell in die Kritik, zuletzt aufgrund den hohen Provisionszahlungen privater Krankenversicherer. Als Alternative wird das Modell der festen Honorarberatung genannt. Doch von einem Boom der Honorarberatung kann keine Rede sein. Zugleich wachsen die Zweifel, ob Beratungen auf Honorarbasis immer sinnvoll sind.
Vertriebskosten, Verwaltungskosten, Vermittlungsprovisionen – viele Verbraucher klagen über die fehlende Kostentransparenz bei Versicherungsverträgen und fühlen sich nicht immer gut beraten. Schnell verweisen Verbraucherverbände auf die Honorarberatung. Nicht ohne Eigeninteresse, bieten sie doch selbst derartige Beratungen an. Und preisen deren Vorteile: neben einer größeren Unabhängigkeit der Berater könne gerade bei jenen Vertragsabschlüssen Geld gespart werden, bei denen normalerweise besonders hohe Vermittlungskosten anfallen würden, etwa bei einer privaten Krankenversicherung, Lebens- oder Rentenversicherung.
Für Versicherungsmakler bedeutet die Honorarberatung zunächst einmal Konkurrenz. Doch laut Dieter Rauch vom Verbund Deutscher Tarifberater wächst auch bei Maklern das Interesse an provisionsfreien Beratungen, bringen sie doch als Experten das nötige Know How mit. Gegenüber der Financial Times kritisierte Rauch jedoch, dass gern gemogelt werde und die Bindung an die Produkte noch zu hoch sei, fehle es doch an gesetzlich verbindlichen Regelungen, wie eine Beratung genau zu definieren ist. Diese Gesetzeslücke erlaubt es, dass Versicherungsgesellschaften ihre Provisionen im Vertrag verstecken, getarnt als Nettotarif: Der Makler behauptet eine unabhängige Beratung, wird aber vom Anbieter für die Vermittlung entlohnt.
Aus diesem Grund geriet vor zwei Jahren die Hannoversche Leben in die Schlagzeilen. Sie sprach bereits von Nettotarifen, wenn die Abschlusskosten für einen Vertrag über die gesamte Vertragslaufzeit erhoben wurden und nicht, wie in der Branche üblich, innerhalb der ersten Jahre.
Und doch haben auch Versicherungsanbieter ein gesteigertes Interesse, die Provisionskosten zukünftig transparenter auszuweisen und Aufwendungen für die einmalige Vermittlung zu senken, rückt doch die dauerhafte Bindung des Kunden gegenüber dem erstmaligen Vertragsabschluss in den Vordergrund. Gegenüber der Financial Times äußerte Ulrich Wiesenewsky, Vertriebsexperte bei der Unternehmensberatung Towers Watson: "Das Element der Bestandsprovision wird an Bedeutung gewinnen im Vergleich zur Abschlussprovision." Zu erwarten ist folglich auch, dass zukünftig Makler verstärkt dafür honoriert werden, dass sie Kunden an einen Versicherungsanbieter dauerhaft binden können.
Honorarberatungen bisher die Ausnahme
Entgegen des angestimmten Lobgesangs kann sich die Honorarberatung in Deutschland bisher kaum durchsetzen. Am Neugeschäft aller Vertragsabschlüsse macht sie weniger als drei Promille aus – so das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Universitäten Köln und Münster und der Fachhochschule Dortmund.
Ein Grund hierfür sind paradoxerweise die hohen Kosten einer Honorarberatung. Laut Stiftung Warentest müsse hinsichtlich einer Altersvorsorge-Beratung einen Stundenlohn zwischen 100 und 300 Euro eingeplant werden, inklusive der Zeit für Recherche und persönliche Gespräche. Auch Towers Watson-Experte Ulrich Wiesenewsky erklärte gegenüber der Financial Times: "Für 100 Euro kann es keine seriöse Beratung geben. Ist es teurer, sinkt bei vielen Konsumenten die Bereitschaft, überhaupt etwas für die Altersvorsorge zu tun."
Wiesenewsky schlussfolgert, dass nach wie vor die Akzeptanz für Verträge mit eingerechneten Provisionen höher ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Honorarberatung nicht zwangsläufig zu einem Vertragsabschluss führen muss – wenn alles schief geht, hat der Konsument ein vierstelliges Honorar gezahlt und steht trotzdem ohne Versicherungsschutz da.
Auch werden verstärkt Zweifel laut, ob eine Honorarberatung in jedem Fall sinnvoll ist. Gerade bei preiswerten Produkten wie einer KFZ-Versicherung oder bei Angeboten, die stark standardisiert sind, kann eine Beratung auf Honorarbasis schon aufgrund der hohen Stundenlöhne schnell teurer werden als ein provisionsvermittelter Vertrag. Und letztendlich entscheidet über die Qualität der Beratung – auch die Qualität des Beraters.
So erwächst den Versicherungsmaklern auch weniger Konkurrenz durch unabhängige Honorarberater. Vom leichten Trend zur Zahlung eines Einmalbeitrages bei Vertragsabschluss profitieren eher die Ausschließlichkeitsorganisationen. Haben sie doch gegenüber unabhängigen Beratern einen Informationsvorsprung, weil sie vorab von den Anbietern über neue Produkte und Tarife informiert werden.