Dynamische Lebensentwürfe, veränderte Familien- und Rollenbilder, neue Sozialstrukturen und Karriereambitionen: Das Denken und Handeln junger Menschen in der Langfristperspektive ist im Wandel. Vor diesem Hintergrund verändert sich auch ihr Sicherheits- und Vorsorgeverständnis. Auf wen oder was verlassen sich junge Männer und Frauen in einer Notlage? Der „Heidelberger Leben Trendmonitor 2011“ versucht unter anderem darauf eine Antwort zu geben.
Deutschland ist wie viele andere europäische Länder durch einen demografischen Wandel gekennzeichnet. Hauptursache hierfür ist neben der sinkenden Geburtenrate die steigende Lebenserwartung. Hatten Anfang des 20. Jahrhunderts 25-Jährige im Schnitt noch 39 (Männer) bzw. 41 (Frauen) Jahre vor sich, sind es heute 53 bzw. 58 (Quelle: Statistisches Bundesamt). Zudem gibt es neben der steigenden Lebenserwartung eine zweite Seite des demografischen Wandels: Das subjektiv empfundene Alter sinkt, vor allem aufgrund der besseren medizinischen Versorgung. Viele Menschen fühlen sich jünger, als sie tatsächlich sind.
Neue Lebensphasen: Postadoleszenz und zweiter Aufbruch
Gleichzeitig ist der Trend der „Multigrafie“ zu erkennen. Der traditionelle Lebenslauf mit den klassischen Abschnitten Jugend/Ausbildung, Reproduktionsphase und Ruhestand ist immer seltener zu finden. In Zukunft, so die Prognose des Zukunftsinstituts, erweitern sich Biografien um mindestens zwei Lebensphasen: Zwischen Jugend- und Erwachsenzeit schiebt sich die Postadoleszenz: die Zeit des Ausprobierens sowie der Selbstfindung und Ausprägung individueller Vorlieben. Hinzu kommt der zweite Aufbruch, die Phase der Neuorientierung im mittleren Alter. Gleichzeitig unterliegt der bisherige Ruhestand einem starken Wandel – weg von einem passiven Lebensabend hin zu einer aktiven Lebensgestaltung im Alter.Zudem sind Biografien zunehmend geprägt von Phasen, die sich überschneiden (Kind/Karriere), zu Unterbrechungen führen (Sabbaticals, Arbeitslosigkeit) oder ihre „Neuauflagen“ finden (lebenslanges Lernen, neue Ehe/Familie, neuer Job). „Aus der längeren Lebenserwartung, der veränderten Einstellung gegenüber dem Alter und der ‚multigrafischen’ Lebensführung resultiert ein neues Verständnis von Absicherung im Alltag und Vorsorge im Alter“, erklärt Thomas Bahr, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Leben.
Neues Verständnis bekräftigt soziales Umfeld als Säule in der Not
Wie sieht das neue Verständnis von Absicherung und Vorsorge aus? Worauf würden sich junge Menschen in einer Notlage verlassen? Mit 81 Prozent sagt die breite Mehrheit, dass sie in einer Problemsituation am ehesten ihrer Familie vertrauen kann. Für rund die Hälfte wäre der Part- ner (49 %) der Fels in der Brandung. Auf Platz drei folgen Freunde (41 %). Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGovPsychonomics im Rahmen des „Heidelberger Leben Trendmonitors 2011“.
Demgegenüber stellt sich die institutionelle Absicherung als defizitär dar: Nur 15 Prozent der Befragten gaben an, sich in Notfällen und kritischen Situationen auf Versicherungen, Vorsorgeleistungen und Rücklagen verlassen zu können. Auf staatliche Sicherungssysteme baut hierbei nicht einmal jeder Zehnte (9 %).
Altersvorsorge: Wegbrechen alter Sicherheiten
Bei der Frage, wer für die Befragten im Alter sorgen wird, zeigt sich im Vergleich zu den vorherigen Generationen ein fundamentaler Wandel. Die Mehrheit der Befragten vertraut dem Lebenspartner (45 Prozent). Dass ihre Enkel oder Kinder im Alter für sie da sein werden, denken nur 38 Prozent. Und gerade einmal 18 Prozent gehen davon aus, dass der Sozialstaat im Alter für sie sorgen wird. „Familie und Staat, einst klassische Institutionen der Altersvorsorge, haben an Stellenwert deutlich verloren“, erklärt Andreas Steinle, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, das die Studie im Auftrag der Heidelberger Leben durchführte.
Wer soll das Vakuum füllen? Rund ein Viertel der Befragten (28 Prozent) sagten, mit einer privaten Versicherung vorzusorgen. Auf eine Kombination aus privater und staatlich geförderter Vorsorge setzt ebenfalls rund ein Viertel (27 %). 15 Prozent präferieren Geldanlagen oder den Erwerb einer Immobilie. Gleichzeitig gab jeder Fünfte an, sich über das Thema Altersvorsorge bislang keine Gedanken gemacht zu haben. „Das ist eine erschreckend hohe Zahl“, kommentiert Bahr das Ergebnis. „Sie zeigt, dass Finanzdienstleister noch viel leisten müssen, um der künftigen Rentengeneration die Notwendigkeit der Altersvorsorge aufzuzeigen.“
Altersvorsorge für junge Menschen: individuelle Beratung und Flexibilität gefragt
Insgesamt zeigen die Ergebnisse des „Heidelberger Leben Trendmonitors 2011“ ein deutlich verändertes Vorsorgeverständnis. Junge Menschen von heute haben einen immer länger werdenden Ruhestand vor sich, den sie körperlich fit nutzen wollen. Sie wollen im Alter die Früchte ihrer Arbeit ernten und den erreichten Wohlstand selbstbewusst genießen. Entsprechend erwarten sie nicht mehr nur die Absicherung ihres Ruhestandes, sondern Konzepte, die eine aktive Gestaltung der besten Jahre ermöglichen. Gleichzeitig suchen sie nach Angeboten, die sich individuell und situativ ihren multiplen Lebensphasen-Anforderungen anpassen.
„Altersvorsorgeanbieter müssen diesen Veränderungen gerecht werden, sich auf die Pluralisierung der Lebensstile einstellen und künftig die passenden Angebote entwickeln“, erklärt Bahr.
Eine Schlüsselrolle hierbei werde der Service spielen. Lebenslagen, Bedürfnisse und Wünsche der Kunden müssten mehr und mehr antizipiert werden. So könnten sie den als unterkühlt wahrgenommenen Finanzdienstleistungssektor langfristig emotionalisieren. „Im Idealfall handeln Altersvorsorgeanbieter künftig proaktiver, entlasten ihre Kunden systematisch und schaffen gemeinsam mit ihren Finanzvermittlern eine Atmosphäre der Aufmerksamkeit und Vertrauens, so dass eine Art Concierge-Service für Finanzdienstleistungen entsteht.“