Lässt sich die Euro-Krise entschärfen, indem die Europäische Zentralbank eine klare Garantie für Staatsanleihen übernimmt? Diesen Standpunkt vertritt die gewerkschaftsnahe "Hans-Böckler-Stiftung". Die Zentralbank müsste demnach stärker als bisher wie eine nationale Notenbank agieren, "EZB" und "EFSF" sich besser ergänzen.
Die Bundestag stimmt heute über eine Erweiterung des Rettungsschirmes EFSF ab – und damit über ein vergleichbares Instrument, wie es 2008 zur Finanzkrise beitrug, denn mit einem Trick sollen vermeintlich unsichere Geldanlagen zu sicheren Anlagen umdefiniert werden. Ziel des viel zitierten "EFSF-Hebels" ist es, Staatsanleihen kriselnder EU-Staaten für private Investoren attraktiver zu gestalten, so dass dem EU-Rettungsfonds mehr Geld zur Verfügung steht als die zunächst vereinbarten 440 Milliarden Euro.
Aber wie funktioniert diese Aufwertung? Als Beispiel kann das sogenannte "Versicherungsmodell" dienen, bei dem Allianz-Vorstand Paul Achleitner federführend war. Ähnlich einer Teilkaskoversicherung übernimmt hierbei der Euro-Rettungsfonds Garantien für Staatsanleihen, so dass potentielle Privatinvestoren ein geringeres Verlustrisiko haben, wenn sie Anleihen von Krisenländern wie Portugal oder Spanien kaufen. Die Risiken eines Staatsbankrottes werden durch die Garantien im Sinne der privaten Investoren abgefedert, denn bei einem Teilschuldenerlass wird das Risiko auf alle Eigner verteilt. So sollen private Investoren dazu gebracht werden, mehr Geld in Krisenstaaten zu investieren.
Die Konsequenzen dieser Maßnahme sind jedoch umstritten. Im Idealfall könnte der Rettungsschirm sogar Geld sparen, da er nicht selbst die Staatsanleihen aufkaufen muss. Wenn es aber schief geht, könnte sich die Haftung für Staatsanleihen auch für den Steuerzahler als Fass ohne Boden erweisen, denn die privaten Geldgeber werden bei einem Schuldenschnitt zuerst ausgezahlt, erst danach kann der EFSF-Fonds selbst Ansprüche anmelden.
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung schlägt nun einen alternativen Weg vor, der sowohl der Europäischen Zentralbank als auch dem Rettungsschirm eine tragende Rolle zuweist. Nach Ansicht von Professor Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK, ließe sich die Eurokrise besser beherrschen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) eine klare Garantie für die bestehende Staatsschuld in ihrem Währungsgebiet abgeben würde – Ähnlich agieren bereits mit Erfolg die amerikanische FED sowie die Bank of England. Dem entgegen sei allein eine „Hebelung“ des erweiterten Rettungsschirmes kein geeigneter Weg, um die Schuldenkrise im Euroraum zu entschärfen. Ein Schuldenschnitt würde nach Ansicht des Finanzexperten sogar das Risiko einer unkalkulierbaren Eskalation erhöhen, weil Misstrauen und Spekulation gegenüber Staatsanleihen anderer Euro-Länder angefacht und das europäische Bankensystem erschüttert werden.
"Viele Ökonomen und Politiker verlieren sich auf Um- und Irrwegen, wenn es um die Stabilisierung des Euros geht", sagt Horn. "Es werden immer kompliziertere und riskantere Hilfskonstruktionen debattiert, anstatt sich auf grundsätzliche Zusammenhänge zu besinnen. Eine Währung kann nur erfolgreich sein, wenn die Zentralbank sie konsequent verteidigt. Die europäische Währungsunion kann stabilisiert werden, wenn die EZB offensiver als bisher eine zentrale Funktion jeder Notenbank übernimmt: Sie ist der Kreditgeber letzter Instanz (Lender of last resort). Und als solcher auch prinzipiell bereit, Staatsanleihen von Euro-Staaten in Schwierigkeiten aufzukaufen."
Dabei gebe es keinen Widerspruch zum erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF, betont Horn. "Es ist deshalb widersinnig, wenn der Bundestag nun beschließen will, dass die EZB nach Erweiterung des Schirms keine Staatsanleihen mehr aufkaufen soll." Vielmehr könnten sich EFSF und EZB als "erste und zweite Linie der Verteidigung" gut ergänzen. So solle die EFSF ihre neue Möglichkeit nutzen, Staatsanleihen von in Schwierigkeiten geratenen Euro-Staaten aufzukaufen. Mit diesem Instrumentarium sei es möglich, Krisenländern Kredite zu niedrigeren Zinsen zu geben, als auf den Finanzmärkten verlangt werden. Berechnungen des IMK zeigten, dass die Zinshöhe darüber entscheidet, ob zum Beispiel Griechenland seine Schuldenlast nicht nur bedienen, sondern auch vermindern kann.
Eine wesentliche Bedingung für den Erfolg der EFSF sei aber, dass die EZB glaubhaft signalisiert, dass sie bereit ist, einzuspringen, falls der Rettungsschirm jemals an finanzielle Grenzen stoßen sollte. Darunter versteht Horn eine Erklärung der EZB, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen. Wichtig sei, "dass dieses Signal explizit und nicht mehr verschämt an die Märkte gegeben wird. Erst auf diese Weise erlangt die Erklärung der Regierungen Glaubwürdigkeit, keinen Mitgliedstaat Bankrott gehen zu lassen", erklärt der Ökonom.
Die "zu Recht umstrittene Erhöhung der Mittel durch Hebelung, die die Märkte geradezu provozieren würde, mögliche Grenzen auszutesten" sei dann überflüssig, so Horn. Überflüssig würde auch das "wegen unvermeidlicher Ansteckungseffekte äußerst gefährliche Instrument eines Schuldenschnitts". Denn als Zentralbank verfüge die EZB, anders als alle anderen Akteure, über unbegrenzte Mittel und sei damit ultimativ glaubwürdig. "Es ist wie bei der Abschreckung im kalten Krieg", sagt Horn: "Man muss zeigen, dass man über wirksame Waffen verfügt, um sie nie benutzen zu müssen." Ein solches Vorgehen sei möglich, ohne die Preisstabilität zu gefährden. Wie schon in den vergangenen Monaten könne die EZB die Liquidität, die sie durch die Käufe der Staatsanleihen in die Märkte pumpt, durch Verkäufe anderer Anleihen wieder abziehen.