Der Niedriglohnsektor in Deutschland breitet sich weiter aus: Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten mit Niedriglohn liegt nach aktuellen Berechnungen bei 22,8 Prozent. Besonders prekär ist die Lage für Frauen und Jugendliche.
Die Leipziger Volkszeitung zitierte in ihrer Sonnabend-Ausgabe aus bisher unveröffentlichten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2010. Demnach arbeiten immer mehr Beschäftigte unterhalb der Niedriglohnschwelle. Aktuell liegt diese in den alten Bundesländern bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 1890 Euro, in Ostdeutschland bei 1379 Euro. Laut Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird ein sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigter als Niedriglöhner eingestuft, wenn er weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohnes erhält. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor betrug demnach 4,6 Millionen Menschen und stieg im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent.
Frauen und Jugendliche besonders betroffen
Aus den Daten der Arbeitsagentur geht hervor, dass mittlerweile mehr als jede dritte Frau und nahezu jeder zweite Jugendliche (unter 25 Jahren sowie ohne Einrechnung der Auszubildenden) trotz einer Vollzeittätigkeit unterhalb der Niedriglohnschwelle arbeitet. Dies betraf im vergangenen Jahr 715.000 Jugendliche sowie 2,558 Millionen Frauen. In einigen Branchen ist der Niedriglohn sogar zum Standard geworden: so erhalten drei von vier Angestellten im Gastgewerbe und im privaten Haushaltssektor weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens.
Kommt ein Mindestlohn light von 6.90 Euro?
Bundeskanzlerin Angela Merkel wagte am Wochenende einen ersten Vorstoß in Richtung Mindestlohn, nachdem die CDU eine branchenübergreifende Lösung jahrelang abgelehnt hatte. Aktuell wird in der christdemokratischen Partei ein „Mindestlohn Light“ von 6,90 Euro pro Stunde diskutiert. Hierfür soll eine Kommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften erste Vorschläge ausarbeiten, die sich am Tarifniveau der Zeitarbeit orientieren. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Es geht nicht um einen politischen Mindestlohn, es geht nicht um Lohnfindung im Parlament, sondern zwischen den Tarifparteien.“
Die Gewerkschaften zeigten sich gesprächsbereit. Entgegen der CDU-Pläne betonte jedoch Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass die Arbeitnehmerverbände eine Lohnuntergrenze von mindestens 8,50 Euro anstreben. Dies sei das mindeste, um ein menschenwürdiges Leben ermöglichen zu können. Auch SPD-Franktionsvize Hubertus Heil begrüßte gegenüber der Braunschweiger Zeitung den Vorstoß der Kanzlerin. „Wir wollen aber konkrete Taten sehen, nicht nur warme Worte hören.“ Grüne und Linkspartei betonten ebenfalls ihre grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.