Riester-Sparen soll künftigen Ruheständlern dabei helfen, das reduzierte Niveau der gesetzlichen Rente auszugleichen. Doch ob das funktioniert, ist auch nach zehn Jahren nicht klar. Die Datenlage zum Vorsorgesparen ist sehr lückenhaft, zeigt eine Analyse aus dem „Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut“ (WSI) in der „Hans-Böckler-Stiftung".
Die Riester-Rente feiert Geburtstag. Vor gut zehn Jahren, im Juni 2001, beschloss der Bundestag das Altersvermögensgesetz, Anfang 2002 trat es in Kraft. Seitdem fördert der Staat bestimmte Anlagen zur privaten Altersvorsorge am Kapitalmarkt. Bis 2009 flossen rund neun Milliarden Euro an Zulagen und Steuerbegünstigungen. Das Vorsorgesparen soll dazu beitragen, dass die Rentner der Zukunft ihren Lebensstandard halten können, wenn die gesetzliche Rente über die kommenden Jahrzehnte deutlich gesenkt wird.
Wird dieses Ziel erreicht? Das haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien untersucht. Trotzdem lässt sich die Frage nach wie vor nicht sicher beantworten, macht Dr. Florian Blank deutlich. Der WSI-Experte für soziale Sicherung hat die wissenschaftliche Literatur zur Riester-Rente aufgearbeitet. "Es zeigt sich, dass aufgrund der Forschungslage eine abschließende Bewertung nur für einzelne Aspekte möglich ist, da zu einigen zentralen Fragen keine oder nur lückenhafte Daten vorliegen oder verfügbare Daten teils widersprüchliche Schlüsse zulassen", lautet Blanks Fazit. "Diese Negativ-Erfahrungen im Kontext der Riester-Rente sollten dringend beachtet werden, wenn tatsächlich eine steuerlich geförderte private Pflege-Zusatzversicherung konzipiert werden sollte", sagt der Wissenschaftler. Darauf haben sich die Koalitionsspitzen am vergangenen Wochenende geeinigt ( versicherungsbote.de berichtete).
Bei der Riester-Rente sieht der Forscher auch an ganz grundsätzlichen Punkten noch erheblichen Klärungsbedarf:
Wie viele Personen nutzen die Vorsorge? So viel ist aus Berichten der Bundesregierung bekannt: Bis Ende Juni 2011 wurden knapp 14,8 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen. Die Deutsche Rentenversicherung führte Mitte 2010 11,6 Millionen Konten, über die Zulagen an Riester-Sparer gezahlt werden können. Die genaue Zahl derjenigen, die einen Anspruch auf Riester-Förderung hätten, ist jedoch nicht exakt bekannt. 2007 waren nach Schätzungen 38,6 Millionen Menschen anspruchsberechtigt.
Zudem bleiben blinde Flecken. So rechnen Wissenschaftler damit, dass beispielsweise im Jahr 2008 rund fünf Prozent der neu abgeschlossenen Verträge von den Sparern wieder storniert wurden. Diese Zahlen fließen zwar in die Statistik ein. Warum aus dem Vorsatz zur Vorsorge dann aber doch nichts wurde, ist unbekannt. Andere Studien belegen, dass etliche Sparer mit laufenden Verträgen die Förderung nur zum Teil ausschöpfen, andere lassen den Sparkontrakt ruhen. Auch hier ist unerforscht, woran das liegt. Fehlen den Versicherten Informationen? Haben sie finanzielle Schwierigkeiten, vielleicht den Job verloren? Gerade dieses Wissen, so Blank, sei wichtig, um möglicherweise sozialpolitisch gegensteuern zu können - und zu verhindern, dass ein relevanter Teil der privaten Altersvorsorge nur auf dem Papier existiert.
Kaum Daten zur Rendite. Für Versicherungen und Banken ist die Riester-Rente ein Milliarden-Markt. Anlageprodukte, zu denen der Staat eine Zulage zahlt, müssen vom Bundeszentralamt für Steuern geprüft werden. Bis Ende Januar 2011 hatte die Behörde mehr als 5.100 Produkte als "riesterfähig" zertifiziert. Auch wenn davon nur ein Bruchteil aktiv vertrieben wird, ist der Markt extrem unübersichtlich, zeigt Blanks Auswertung. Systematische Überblicke über Kosten und Renditen der Riester-Produkte fehlen.
Ungeklärt ist beispielsweise, ob die Anlagen tatsächlich durchschnittlich vier Prozent Rendite pro Jahr bringen - so, wie es bei Einführung der Zusatzvorsorge erwartet worden war. Die Bundesregierung konnte zu diesem für die Wirksamkeit des neuen Systems entscheidenden Aspekt bislang keine Daten liefern. Analysen und Simulationsrechnungen von Wissenschaftlern kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einzelne Studien im Auftrag von Verbraucherschützern, die eine Auswahl von Produkten unter die Lupe nahmen, stellten bei etlichen davon große Defizite fest: Die Kostenstrukturen des Vertrags seien für den Kunden oft intransparent, bei der Auszahlung im Alter gebe es selbst innerhalb einer Produktgruppe "dramatische Unterschiede".
Die Datenlücke müsse dringend geschlossen werden, mahnt Blank. Sein Vorschlag: Falls die nötigen Informationen von den Anbietern nicht zu bekommen seien, sollte versucht werden, durch Erhebungen bei Riester-Kunden Licht ins Dunkel zu bringen.
Einige, aber nicht alle Untersuchungen kommen zu dem Schluss, das die Riester-Förderung erhebliche Mitnahmeeffekte auslöst: Personen, die bislang ohnehin schon Geld für den Ruhestand zurückgelegt haben, würden andere Sparformen durch ein Riester-Produkt ersetzen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. WSI-Experte Blank sieht auch hier weiteren Forschungsbedarf. Schließlich gehe es darum, wie zielgenau die Riester-Förderung wirkt.