Jahrzehntelang sahen sich die deutschen Versicherer eher als Opfer denn als Täter im Nationalsozialismus. Dann begannen einige Unternehmen, sich mit ihrer Firmengeschichte zu beschäftigen, und manches änderte sich. Täter oder Opfer?
Eike Christian Hirsch widmet sich dieser Frage in seinem neuen Buch „Versicherer im Führerstaat – Hannovers Brandkasse und Provinzial 1933 – 1945“. Die Studie entstand im Auftrag der VGH Versicherungen und erscheint im Wallstein Verlag. Sie wurde heute in der Direktion der VGH der Öffentlichkeit präsentiert.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde jeder Versicherer zum Mittäter beim staatlichen Unrecht. Nicht zuletzt die Feuerversicherer, als sie nach der Pogromnacht 1938 die jüdischen Opfer nicht entschädigen durften, und die Lebensversicherer, die gezwungen waren, Policen jüdischer Kunden aufzulösen und den Rückkaufswert an den Oberfinanzpräsidenten zu überweisen. In Eike Christian Hirschs Studie „Versicherer im Führerstaat“ werden Namen und Schicksale solcher Kunden benannt. Die Studie steht in einer Reihe mit anderen Firmengeschichten von Unternehmen, die sich ihrer Vergangenheit stellen.
Geschildert wird vor allem der Firmenalltag in der Diktatur. Welche Vorschriften mussten befolgt werden? Unter welchem Anpassungsdruck standen Mitarbeiter und Geschäftsleitung? Der Alltag der Provinzial Lebensversicherung Hannover war seit 1933 noch stärker von der Nazi-Ideologie geprägt als der der Brandkasse. Es gab aber in beiden Häusern erschreckende Propagandatexte und einen ausgeprägten Führerkult. Bedauernd stellt Hirsch am Ende fest, dass die Brandkasse nach 1945 – als sie eigentlich frei war – nur sehr zögernd mitgeholfen hat, den enteigneten jüdischen Hausbesitzern zu ihrem Recht zu verhelfen.