Zahlreiche Neuregelungen, die im Lauf des Jahres 2012 in der privaten Krankenversicherung (PKV) anstehen, bieten die Chance auf strukturelle Veränderungen, insbesondere im Provisionsbereich. Innovative Ansätze seien schon deshalb gefragt, um der Praxis der „Umdeckungen um jeden Preis“ Einhalt zu gebieten und weiteren Imageschaden von der PKV abzuwenden, findet Gerd Güssler von „KVpro“.
Für die PKV-Branche wird es ein Jahr des Umbruchs: Zum 1. April treten mit dem Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts auch die Provisionsdeckelung (§ 12 VGA) sowie die verlängerte Stornohaftung (§ 80 VGA) für substitutive Krankenversicherungen in Kraft. Doch damit nicht genug: Auf der Agenda stehen auch die mögliche Neuregelung des Provisionsabgabeverbots sowie die zum 21. Dezember anvisierte Einführung der Unisextarife.
Die Neuregelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz schaffen zunächst einmal klare Vorgaben für die gesamte Branche: Mit der Provisionsobergrenze von neun Monatsbeiträgen und der fünfjährigen Stornohaftung soll nun den Umdeckungs-Exzessen der Vergangenheit ein Riegel vorgeschoben werden. Konkret geht es darum, den massenhaften Verkauf vermeintlich günstiger Einsteigertarife sowie die unsinnige, mehrmalige Umdeckung privatversicherter Krankenversicherungskunden finanziell unattraktiv zu machen.
Stumpfe Gesetzeswaffen
Was die Provisionsdeckelung angeht, so trifft diese vor allem jene Großvertriebe und Pools, die Umdeckung der seriösen Beratung vorziehen. Nur sie erhalten aufgrund ihrer Marktmacht bislang sehr viel höhere Vergütungen, als die Masse der (freien, ungebundenen) Makler und Vermittler mit durchschnittlich 7,6 Monatsbeiträgen Provision. Wenn jedoch einige Versicherer auch künftig um jeden Preis Kunden mit solchen Vertrieben hinzukaufen wollen, werden sie vermutlich nicht zögern, gerade den großen, umsatzstarken Vertrieben neue attraktive Vergütungsmodelle anzubieten, die deren Einbußen kompensieren.
Mehr Schlagkraft dürfte vom Instrument der verlängerten Stornohaftung ausgehen. Wer sich seine Provision über fünf Jahre sichern möchte, wird es sich zweimal überlegen, dem Kunden einen oft ungeeigneten und vor allem stornogefährdeten Billigtarif zu verkaufen. Stehen allerdings wieder hohe Neuprovisionen in Aussicht, wird die Versuchung, eigene Kunden zu einem Vertragswechsel zu bewegen, schon im zweiten Jahr nach Abschluss wieder hoch sein: Denn dann muss ja lediglich drei Fünftel der Erstprovision geopfert werden, um erneut eine volle Provisionszahlung einzustreichen. Die Stornohaftung würde also in erster Linie den seriösen Vertrieb treffen und nicht die „Umdeckungskönige“.
Tarif- und Provisionsgestaltung als Weichensteller
Um die Weichen jetzt richtig zu stellen, müssten sich die Versicherer entscheiden, ob sie mit seriös kalkulierten Tarifen und seriösen Vermittlern in den Markt gehen, die dem Kunden auch die erwartete Leistung bieten, oder auf problembehaftete Billiglösungen mit „Hauruck“-Vertrieben setzen, die nur kurzfristig Marktanteile bringen. Damit verknüpft ist die Frage nach der adäquaten Provisionsgestaltung: Soll eine am Kundenbedarf orientierte, sorgfältige und im Zweifel zeitaufwendige Beratung belohnt werden, oder ein aggressiver, auf den kurzfristigen Vorteil bedachter Verkauf?
Mit neuen Lösungen Missstände in der PKV korrigieren
Innovative Bezahlmodelle entwickeln
Versicherer, denen die quantitative und qualitative Entwicklung des eigenen Kundenbestands wichtig ist, sollten auch über Provisionsmodelle nachdenken, die Beratungen zum Tarifwechsel innerhalb der Gesellschaft (nach § 204 VVG) belohnen, anstatt wie bisher nur den kompletten „Stallwechsel“, der für den Vertrieb i.d.R. finanziell lukrativer ist, attraktiv zu machen. Denn Kundenverlust bedeutet für einen Versicherer auch Geldverlust. Angesichts einer möglichen Aufhebung des Provisionsabgabeverbots wäre es nun auch höchste Zeit, eine Strategie zu entwickeln, mit der Versicherer und Makler einem drohenden Preisdumping vorbeugen und weiterhin die qualifizierte Beratung der Kunden sicherstellen können.
Die Branche ist selbst gefordert
Um Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren und neue - etwa im Zuge der Einführung der Unisex-Tarife - gar nicht erst entstehen zu lassen, müssen nun neue Ideen und Lösungen her, in erster Linie rund um das Bezahlsystem.
Ob der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz den gewünschten Erfolg bringt, hängt also wesentlich davon ab, wie die Branche die Vorgaben umsetzt. Will sie wirklich die Chance nutzen und Missstände beseitigen oder werden die schwarzen Schafe kreative Lösungen finden, um die neuen Vorschriften zu umgehen und den Status Quo beizubehalten?
Gerd Güssler, ausgewiesener PKV-Experte und Marktbeobachter von KVpro.de, fordert die Krankenversicherer auf, die Gelegenheit zu nutzen und sich von den zwanzig Prozent ihrer Vermittler zu trennen, die ihnen zu 80 Prozent Schrott, also „falsche“ Kunden liefern. Darüber hinaus sollte die Branche den Mut haben, die zwanzig Prozent der Gesellschaften an den Pranger zu stellen, die 80 Prozent dieses Schrotts annehmen, nur um Marktanteile um jeden Preis zu generieren „Nur dann“, so der Experte, „müssen die achtzig Prozent der kundenorientierten Versicherer und Vermittler nicht weiter unter den schlechten Vermittlern leiden, die das Image der ganzen Branche verspielen.“ Gelingt es allen Beteiligten gemeinsam, einen notwendigen Konsens zu entwickeln und anzuwenden, wird davon langfristig das Ansehen der handelnden Personen sprich Vermittler und vor allem die öffentliche Wahrnehmung der PKV profitieren.