Ferraris, Swimmingpools, Versicherungsverträge: Mit fragwürdigen Methoden setzten Mehmet Göker und sein Finanzvertrieb „MEG“ Millionen um – und ebenso schnell wieder in den Sand. Manche Versicherungsgesellschaften kooperierten gern mit dem exzentrischen Unternehmer. Doch heute wollen sie nichts mehr davon wissen: Die Alte Leipziger und deren Tochter Hallesche verklagten Regisseur Klaus Stern, der mit einem Dokumentarfilm das Geschäftsgebahren Mehmet Gökers beleuchtete.
Ganz gleich ob Axa, Inter oder Allianz: Als der Starverkäufer Mehmet Göker mit seinem Finanzvertrieb MEG noch Millionen umsetzte, da ließ sich so manches Vorstandsmitglied gerne auf den Veranstaltungen des Unternehmers blicken. Sektempfänge, Ferraris als Dienstwagen, rauschende Feste: Göker inszenierte seine Vertriebsfirma als Paralleluniversum, in dem die Verheißung eines nie enden wollenden Aufstieges möglich ist. Dass der selbsternannte „Sklave des Geldes“ hunderttausende Krankenversicherungsverträge an den Kunden brachte, ließ auch so manchen Entscheidungsträger in der Assekuranz gefügig werden. Sie gaben Göker Millionenvorschüsse ohne eine Gegenleistung. „Auf Zuruf habe ich von Versicherern Millionen bekommen. Da war keine Unterschrift“, fasst Göker sein gutes Verhältnis zu den Gesellschaften zusammen. Innerhalb weniger Jahre baute der charismatische Unternehmer eine Vertriebsfirma auf, die in der Spitze 1.000 Mitarbeiter beschäftigte.
Doch ebenso schnell wie der Aufstieg kam auch der Fall des Finanzvertriebes. Die Methode, PKV-Policen in einer nur 20minütigen Telefonberatung per Internet zu vermitteln, führte am Ende zu Stornoraten von bis zu 90 Prozent. Die MEG AG geriet in finanzielle Schwierigkeiten, im Jahr 2009 wurde die Firma für den symbolischen Preis von nur einem Euro verkauft. Zurück blieb ein Schuldenberg von 50 Millionen Euro. Das Unternehmen wurde zum Sinnbild eines Versicherungsvertriebes, der einseitig auf die Provision schielt – nicht aber am Wohle des Kunden orientiert ist.
“Alte Leipziger“ will nicht im Zusammenhang mit MEG genannt werden
Vom Aufstieg und Fall des Mehmet Göker berichtet der Dokumentarfilm „Versicherungsvertreter“ des Filmemachers Klaus Stern, der im März 2012 in die deutschen Kinos kam. Über mehrere Jahre hinweg hat Stern den Sohn eines aus der Türkei zugewanderten Schusters begleitet, hat insgesamt über 600 Seiten Material gesammelt und gesichtet. Dass dabei auch so manche Führungskraft eines Versicherungsunternehmens ins Zwielicht geraten könnte, war bei der Masse des gesichteten Materials fast zwangsläufig. Und so hatte Frank Kettnaker, Vorstandsmitglied der Alten Leipziger und Halleschen, in der ursprünglichen Version des Dokumentarfilms einen peinlichen Auftritt. Kettnaker erscheint bei einer Jubelveranstaltung des MEG auf der Bühne der Kasseler Stadthalle und sagt an die Adresse Gökers gerichtet: „...und vielen Dank für Ihren Erfolg, denn ihr Erfolg ist letztendlich ein Erfolg von uns allen, vielen Dank.“ Die Rede wurde später auch für ein Imagevideo des MEG verwendet.
In Sterns Dokumentarfilm erscheinen sollte die Sequenz jedoch nicht. Ende Januar 2012 erließ das Landgericht Köln auf Antrag Kettnakers eine Verfügung, nach der die Szene nicht mehr gezeigt werden dürfe – Andernfalls müsse der Regisseur mit einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe oder 250.000 Euro Geldbuße rechnen. Dass die Szene tatsächlich aus dem Film geschnitten wurde, reichten Frank Kettnaker und der Alten Leipziger nicht. Sie verlangten von Klaus Stern eine eidesstattliche Erklärung, dass die Rede für immer aus dem Film verschwindet.
Der Filmemacher weigerte sich jedoch, den Maulkorb zu akzeptieren. Und so berichtete die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) am Mittwoch von der ersten Auseinandersetzung zwischen Klaus Stern und dem Versicherer vor dem Kölner Landgericht. Er könne sich nicht vorschreiben lassen, was er in einem Dokumentarfilm zu bringen habe und was nicht, verteidigte sich der Regisseur – und bestand darauf, dass er in 12 Jahren Dokumentartätigkeit nie verklagt worden sei, selbst bei schwierigen Themen. Es sei nunmal eine Tatsache, dass sich Kettnaker vor Mehmet Göker verbeugt habe - und müsse deshalb im Film gezeigt werden dürfen.
Dem entgegen beteuerte Alte Leipziger-Vorstand Kettnaker, dass er zum Zeitpunkt seines Auftrittes nichts über die Machenschaften des Mehmet Göker gewusst habe. Er sei tief betroffen gewesen, als er erfahren habe, dass die MEG ihren Umsatz teils mit unseriösen Vertriebspraktiken erzielt. Die Alte Leipziger habe daraus Konsequenzen gezogen und nach und nach die Geschäftsbeziehungen zu Göker zurückgefahren, entschuldigte sich das Vorstandsmitglied.
Versicherer hat kaum Chancen auf Erfolg
Dass sich die Versicherung gegen den Regisseur durchsetzen kann, ist nicht zu erwarten: Die Vorsitzende Richterin Margarete Reske ließ bereits durchblicken im Sinne des Regisseurs zu entscheiden. „Wir neigen dazu, dass Herr Kettnaker die Filmszene hinnehmen muss. Es war ein beruflicher Auftritt bei einem Partnerunternehmen“, wird die Juristin von der HNA zitiert. Ein endgültiger Richterspruch wird für Ende Mai erwartet.
Wenn die Alte Leipziger mit ihrer Verfügung das Ziel erreichen wollte, etwas für ihren guten Ruf als Versicherer zu tun, so steht sie schon vor der Verkündung des Urteils als Verlierer fest. Zu dem Vorwurf, mit einem unseriösen Vertrieb kooperiert zu haben, gesellt sich jetzt der Verdacht, unliebsame Presse zensieren zu wollen. Einen schlimmeren Imageschaden gibt es kaum in einer Branche, die um das Vertrauen der Kunden ringt.