Die Allianz ist Deutschlands größter Nahrungsmittel-Zocker! Kein anderes Finanzinstitut steckt hierzulande derart große Summen in die Spekulation mit Lebensmitteln. Sehr zum Unmut der Nichtregierungsorganisation „Oxfam“, die in einer Studie auf die Verstrickungen des Weltkonzerns aufmerksam macht. Dabei dreht sich alles um die Frage: Wie sehr trägt die Nahrungsmittelspekulation zum Hunger in der Welt bei?
Die einen hungern, die anderen machen Rendite. Seitdem sich Immobilien und Staatsanleihen zunehmend als unsicheres Geschäft erweisen, entdecken immer mehr Investoren Agrarrohstoffe als Spekulationsobjekt. Auch die deutschen Versicherer und Finanzinstitute beteiligen sich massiv an den Termingeschäften mit Nahrungsmitteln. Dies geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Nichtregierungsorganisation Oxfam hervor.
Nach Schätzungen von Oxfam haben deutsche Geldhäuser im letzten Jahr 11,395 Milliarden Euro in Agrarrohstoffe investiert. Die Summe macht etwa ein Sechstel des weltweiten Anlagevermögens aus. An vorderster Front steht dabei der Versicherungskonzern Allianz. Gewaltige 6,242 Milliarden Euro soll das Münchener Unternehmen im Jahr 2011 in fünf Fonds gesteckt haben, die direkt oder indirekt mit Agrarrohstoffen spekulieren. Die Zeichen stehen dabei sogar auf einen Ausbau des Engagements: Seit 2008 habe sich das Kapital, das die Allianz in Agrarrohstoffen anlegt, mehr als vervierfacht, teilte Oxfam in einer Pressemeldung mit. Oxfam fordert nun, dass die Allianz aus dem Geschäft mit den Nahrungsmitteln aussteigt – Auf der Hauptaktionärsversammlung des Versicherers am 9. Mai hatte Oxfam mithilfe der „kritischen Aktionäre“ bereits einen Gegenantrag gestellt.
Nahrungsmittelspekulation als Hungertreiber?
Nahrungsmittelspekulationen sind in die Kritik geraten, weil sie nach Ansicht von Kritikern wesentlich zu den Hungerkrisen der letzten Jahre beigetragen haben. Als im Jahr 2008 die ersten Auswirkungen der Immobilienkrise sichtbar wurden, stiegen vermehrt Anleger in das Geschäft mit Lebensmitteln ein – prompt schossen auch die Preise in die Höhe. Vielfach waren von der Teuerung auch Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen betroffen. In Afrika, Haiti oder auf den Philippinen kam es damals zu Unruhen wegen der hohen Lebensmittelpreise.
Für Oxfam ist folglich klar: Die Spekulation mit Lebensmitteln ist ein Verstärker für Hungerkrisen. "Menschen in armen Ländern geben bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus", sagte Frank Braßel, Leiter der Oxfam-Kampagne. Die seien "den Preissprüngen durch die Spekulation mit Nahrungsmitteln schutzlos ausgeliefert."
Zu einem ähnlichen Schluss kam die Hilfsorganisation Foodwatch, die im Jahr 2011 eine 90seitige Studie über den Zusammenhang von Spekulation und Nahrungsmittelpreisen präsentierte. "Die Spekulation auf den Terminmärkten hat die Nahrungsmittelpreise in die Höhe getrieben", sagte damals Foodwatch-Chef Thilo Bode zu manager magazin Online. "Diese Futures-Preise gelten als Referenz für die Preise am Spotmarkt, wo die realen Güter gehandelt werden. Deshalb ist der Zusammenhang zwischen Investitionen in Rohstoffderivate und den steigenden Lebensmittelpreisen evident." Die Kritik von Foodwatch richtete sich vor allem gegen die Deutsche Bank, die als Nummer 5 im weltweiten Geschäft mit Lebensmitteln gilt.
Allianz will weiter mit Nahrungsmitteln spekulieren
Die Allianz hingegen macht andere Gründe für die steigenden Lebensmittelpreise aus. In einer Stellungnahme des Konzerns gegenüber Oxfam erkannte die Allianz Asset Management AG Nahrungsmittelpreise und deren Volatilität zwar als besorgniserregend an. Die Rolle der Nahrungsmittelspekulation stritt das Unternehmen jedoch ab. „Unserer Meinung nach treiben Index-Investments nicht die Preise für die in Entwicklungsländern benötigten physischen Rohstoffe in die Höhe, da Indexhändler diese physischen Rohstoffe nicht kaufen, besitzen oder verbrauchen. Sie tragen nicht zur Nachfrage in den physischen Märkten bei.“
Als Gründe für steigende Preise führt die Allianz stattdessen Bevölkerungswachstum, stärkere Nachfrage, Agrartreibstoffe, geringe Nahrungsmittelreserven, Klimawandel, begrenzte Wasserressourcen sowie Korruption an. Ähnlich hatten sich zuvor schon andere Finanzinstitute positioniert. An ein Ende seines Agrar-Geschäfts denkt der Allianz-Konzern nicht. Ebenfalls lehnte der Versicherer eine Überprüfung seiner Rohstofffonds ab.
Mehrheit der Bankkunden gegen Lebensmittelspekulation
Allerdings haben die Geldhäuser einen prominenten Gegner: den Kunden. 84 Prozent aller Bundesbürger halten die Spekulation mit Rohstoffen für „nicht akzeptabel“. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes forsa im Auftrag von foodwatch.
Nur 11 Prozent der Befragten halten es demnach überhaupt für legitim, wenn etwa die Deutsche Bank Anlagen anbietet, bei denen auf Preise für Nahrungsmittel gewettet wird. Viele Bankkunden wollen auch persönliche Konsequenzen ziehen, falls sie erfahren, dass ihre Bank sich an solchen Geschäften beteiligt. So möchte jeder Zweite (49 Prozent) alle Anlagen kündigen, bei denen Geld in die Spekulation mit Nahrungsmitteln fließt. Ebenfalls 49 Prozent der Befragten wollen darüber nachdenken, ihr Konto bei dieser Bank zu kündigen und zu einem anderen Institut zu wechseln. 43 Prozent würden Bekannten davon abraten, Kunde bei dieser Bank zu werden.