Bundeskabinett billigt Pflege-Bahr

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Das Bundeskabinett hat gestern mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP beschlossen, dass es erstmals eine staatliche Förderung für eine private Pflegezusatzversicherung geben wird. Das Gesetz muss aber voraussichtlich noch den Bundesrat passieren. Kritiker sprechen von einem „Geschenk für die Versicherungswirtschaft“, die Oppositionsparteien haben bereits ihren Widerstand angekündigt.

Am Mittwoch hat die Bundeskabinett das sogenannte „Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz“ (PNG) verabschiedet. Damit soll erstmals die private Pflegevorsorge nach Vorbild der Riester-Rente staatlich gefördert werden. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zeigte sich mit dem Beschluss zufrieden: „Diese Pflegevorsorge ist wichtig, weil die gesetzliche Pflegeversicherung immer nur einen Teil der Pflegekosten übernimmt“, erklärte Bar gestern in Berlin. „Eine private kapitalgedeckte Vorsorge ist deshalb eine notwendige und sinnvolle Ergänzung. Sie sorgt auch dafür, das die Pflegeversicherung demographiefest und stabil wird.“ Am 01. Januar 2013 sollen die Neuregelungen in Kraft treten.

60 Euro Förderung im Jahr, unabhängig vom Einkommen

Doch wie sehen die Förderpläne der Bundesregierung konkret aus? Damit möglichst viele Menschen von der Förderung profitieren können, ist vorgesehen, dass unabhängig vom persönlichen Einkommen Versicherte der gesetzlichen Pflegeversicherung künftig eine Zulage in Höhe von 60 Euro jährlich zu ihrer Versicherungsprämie erhalten, wenn sie eine freiwillige und private Pflege-Zusatzversicherung abschließen. Allerdings ist die Förderung an Bedingungen geknüpft. So müssen mindestens zehn Euro pro Monat (120 im Jahr) als Mindestbeitrag eingesetzt werden. Darüber hinaus wird die Förderung nur gezahlt, wenn laut Versicherungsvertrag in der höchsten Pflegestufe III mindestens 600 Euro pro Monat an Unterstützung vorgesehen sind. Die Auszahlung der Förderung übernimmt die Rentenversicherung.

Bei der Versicherung muss es sich um eine sog. Pflegetagegeldversicherung handeln. Der Umfang des Versicherungsschutzes kann individuell bestimmt werden, wobei die untere Grenze durch den monatlichen Mindestbeitrag von 10 Euro gegeben ist und die obere Grenze maximal die doppelte Leistung der sozialen Pflegeversicherung umfassen darf. Anspruch auf die Versicherungsleistung haben die Sparer allerdings erst nach einer Karenzzeit von 5 Jahren nach Beginn der Einzahlung. Wie bei einer Risikoversicherung üblich, gehen die Beträge des Einzelnen in den Topf der Versichertengemeinschaft, wenn der Pflegefall nicht eintritt.

Vorgaben für die privaten Versicherungsunternehmen

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) sind auch Vorgaben für Versicherungsunternehmen geplant. Versicherer, die diese private Pflege-Zusatzversicherung anbieten, dürfen Antragsteller nicht aufgrund gesundheitlicher Risiken ablehnen. Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge dürfen ebenfalls nicht vereinbart werden. Auch ist eine Deckelung der Verwaltungs- und Abschlusskosten vorgesehen.

Kritik von Opposition und Arbeitgeberverbänden

Teils deftige Kritik musste sich schwarz-gelb von Opposition und Arbeitgeberverbänden gefallen lassen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann (SPD), warf der FDP "Klientelpolitik zugunsten der Besserverdienenden und der Versicherungswirtschaft" vor. "Die Zuschüsse zur Pflegeversicherung sind das Schweigegeld, mit dem die Zustimmung der FDP zum Betreuungsgeld erkauft wird." Das Pflege-Neuausrichtungsgesetz muss noch den Bundesrat passieren, wo die Regierungsparteien derzeit keine Mehrheit haben. Die SPD hatte bereits angekündigt, im Bundesrat gegen die private Pflegevorsorge zu stimmen.

Bundeskabinett billigt Pflege-Bahr

Als beschämend bezeichnete die pflege- und altenpolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, die Pläne des Gesundheitsministeriums. Der Pflege-Riester sei ein einziger Unsinn, der nichts zur Lösung der finanziellen Probleme der Pflegeversicherung beitrage. Scharfenberg stellte sogar die Finanzierung des Pflege-Riesters infrage. Die Bundesregierung würde derzeit mit 100 Millionen Euro kalkulieren, dies reiche nur für insgesamt 1,5 Millionen Versicherungsverträge. "In Deutschland leben aber 80 Millionen Menschen, die alle einer guten und nachhaltigen Pflegeabsicherung bedürfen", sagte Scharfenberg. Schließe nur jeder zweite einen solchen Vertrag ab, werde der Haushalt sogar mit 2,5 Milliarden Euro belastet.

Kritik kam aber auch von den Arbeitgeberverbänden. Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist die geplante Förderung „kein Beitrag, um die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung zu sichern“. Hundt sprach sich dafür aus, Leistungsbestandteile aus der Umlagefinanzierung herauszunehmen und noch stärker auf private Vorsorge zu setzen.

Andere Gründe hatte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die Pläne zu kritisieren – Die Vorgaben für die Versicherer seien schlichtweg zu streng. Weil die Anbieter keine Gesundheitsfragen erheben dürften, drohten die geförderten Produkte so teuer zu werden, dass sich nur noch diejenigen versichern, bei denen ein hohes Risiko der Pflegebedürftigkeit vorliegt, sagte ein GDV-Sprecher gegenüber dpa. Die Politik müsse „ordnungspolitisch dringend nachjustieren“.

PKV-Verband begrüßt Kabinettsbeschluss

Entgegen der Kritik begrüßte der Verband der privaten Krankenversicherung den Kabinettsbeschluss der Bundesregierung als Schritt in die richtige Richtung. „Es ist sehr zu begrüßen, dass die Regierungskoalition die Bürger beim Aufbau einer privaten Pflegevorsorge unterstützt. Zusätzliche, kapitalgedeckte Absicherung für den Pflegefall ist die dringend notwendige Antwort auf die demografische Entwicklung“, sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach. „Die Unternehmen werden nun prüfen, welche preislich attraktiven Produkte im Rahmen der geplanten Förderkriterien möglich sind“.

Zugleich äußerte auch Leienbach Bedenken, dass die Angebote aufgrund der fehlenden Gesundheitsfragen teurer sein könnten als ungeförderte Policen. Ob die Bürger künftig verstärkt privat vorsorgen, sei zu hoffen, bleibe aber abzuwarten.