Der Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestages billigte gestern mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung. Dabei wurden auch Zugeständnisse an die Privatversicherer gemacht.
Auf der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses standen am Mittwoch neue Änderungsanträge bei der Förderung der privaten Pflegevorsorge, wobei sich speziell der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) für Nachbesserungen stark gemacht hatte. Dies berichtet heute das Versicherungsjournal, dem die entsprechenden Änderungsanträge vorliegen. Dabei wurde der sogenannten „Pflege-Bahr“ gemeinsam mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) mit den Stimmen der Regierungskoalitionen verabschiedet.
Ab 2013 soll nun eine private Pflegezusatzversicherung mit 5 Euro im Monat staatlich gefördert werden können, wenn der Versicherungsnehmer einen Eigenbeitrag von mindestens 10 Euro monatlich einzahlt und laut Vertrag in der Pflegestufe III mindestens 600 Euro Monatsrente garantiert werden.
Weniger Zulagenberechtigte, unterjährige Verträge gestattet
Unter anderem konnte der PKV-Verband die Gesundheitspolitiker bei einer Anhörung am Montag überzeugen, dass ein unterjähriger Vertragsbeginn und auch ein unterjähriges Vertragsende beim Pflege-Bahr zugelassen sind. Damit wird nun auch einem monatlichen oder quartalsweisen Abschluss solcher Verträge der Weg geebnet. Ohne die Unterjährigkeit hätte ein Versicherungsnehmer, der im Dezember einen Vertrag hätte abschließen wollen, auf einen Schlag 120 Euro einzahlen müssen, argumentiert das Versicherungsjournal.
Der Forderung des PKV-Verbandes, dass die Versicherer Risikoaufschläge erheben dürfen oder Leistungsausschlüsse durchsetzen können, kam der Ausschuss jedoch nicht nach. Aber zumindest erreichte der Dachverband der privaten Krankenversicherer eine weitere Eingrenzung der Zulageberechtigten. Bezieher von Pflegeleistungen können die neue Zusatzversicherung nicht mehr abschließen, ebensowenig Menschen, die schon einmal vorübergehend Pflegeleistungen bezogen haben. Zudem bleibt die Regelung bestehen, dass nur Personen ab 18 Jahren ein Anrecht auf staatliche Förderung haben. Auch der Wunsch nach Pflege-Pools als Ausgleich für Überschäden wurde den Versicherern erfüllt.
Am Kontrahierungszwang wurde hingegen ebensowenig gerüttelt wie an der Unmöglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Vertrages. Der PKV-Verband wurde beauftragt, ein brancheneinheitliches Vertragsmuster zu entwerfen, dass auch einer Deckelung der Verwaltungs- und Abschlusskosten Rechnung trägt.
Kritik von Krankenkassen und Verbraucherverbänden
Heftige Kritik übten Opposition, Krankenkassen, Gewerkschaften und Sozialverbände am "Pflege-Bahr". So sagte Professor Klaus Jakobs, Leiter des öffentlichen Institutes der AOK, dass die Verträge für ältere Menschen zu teuer seien – jüngere Menschen würden sich hingegen schwer tun, den Nutzen einer solchen Pflegeversicherung zu erkennen. Seiner Meinung nach sei es besser, die Pläne der Bundesregierung schnellstens in einer Schublade verschwinden zu lassen.
Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) gab zu bedenken, dass die Verwaltungskosten der Versicherer die staatlichen Zulagen für die private Pflegeförderung komplett auffressen könnten. „Die überbordende Bürokratie für Kleinstbeträge vernichtet jede Möglichkeit einer effizienten Vertragsführung“, argumentiert Kleinlein auf der Homepage des BdV. Zudem müsse damit gerechnet werden, dass die Verträge weitaus teurer sein werden als jene Pflegeversicherungen, bei denen die Versicherer über Gesundheitsfragen und Risikoprüfung eine Vorauswahl der Versicherten treffen können. In Folge werden dann Gesunde weiterhin nur die günstigeren, bereits heute auf dem freien Markt erhältlichen Angebote abschließen. Da dann voraussichtlich hauptsächlich Kranke und Personen mit hohem Pflegerisiko den „Pflege-Bahr“ wählen, müssen zusätzliche Risikozuschläge in die Prämien einkalkuliert werden. „Das ist ein versicherungsmathematischer Super-GAU“, kritisiert Kleinlein die Pläne der Bundesregierung.
Als „gänzlich unnütz“ bezeichnete Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die 5-Euro-Zulage. Eine Entlastung der gesetzlichen Pflegekassen sei damit nicht zu erreichen. „Sie löst die Probleme der sozialen Versicherung nicht. Im Gegenteil, sie erschwert die Haushaltskonsolidierung unnötigerweise um 90 Millionen und 2,2 Milliarden Euro, je nach Nachfrage“, sagte Hüther.