Prostata-Krebs: Oft nur eingeschränkte Lebensqualität nach OP

Quelle: Pressefoto Barmer GEK (Ausschnitt)

Eine operative Entfernung der Prostata nach Krebsdiagnose will gut überlegt sein. Das zeigen aktuelle Befragungsergebnisse des BARMER GEK Reports Krankenhaus 2012. Ein Jahr nach Krankenhausaufenthalt berichtet das Gros der Patienten von erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität.

70 Prozent der Befragten klagen nach einem Prostata-Eingriff über Erektionsprobleme, 53 Prozent über sexuelles Desinteresse und rund 16 Prozent über Harninkontinenz. 20 Prozent bestätigen operationsbedingte Komplikationen wie Blutungen oder Darmverletzungen (vgl. Grafik).

Entsprechend durchwachsen sind die Zufriedenheitswerte: 52 Prozent der Befragten sind mit dem Behandlungsergebnis uneingeschränkt zufrieden, 41 Prozent eingeschränkt, 7 Prozent unzufrieden. Das sind schlechtere Ergebnisse als nach Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks (63 Prozent uneingeschränkte Zufriedenheit). Die Autorin des Reports, Professor Dr. Eva Maria Bitzer vom Hannoveraner Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) stellt fest: "Trotz guter Heilungschancen muss ein großer Teil der Patienten mit gravierenden Neben- und Folgewirkungen dieser Behandlung rechnen, oft ein Leben lang."

Prostatakrebs eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Männern

Prostatakrebs besitzt eine hohe Versorgungsrelevanz. Nach dem Hautkrebs ist er die häufigste Krebserkrankung des Mannes und für etwa 10 Prozent der Krebssterbefälle unter Männern verantwortlich. Neben subjektiven Wahrnehmungen der Patienten analysiert die Studie auch die Behandlungshäufigkeit. Das überraschende Ergebnis: Zwischen 1994 und 2010 gab es einen Anstieg von 14,7 auf 20,9 Fälle je 10.000 Männer, die unter der Hauptdiagnose "Prostatakarzinom" im Krankenhaus behandelt wurden. Das entspricht einem Realzuwachs von rund 40 Prozent. Rechnet man jedoch den Alterungseffekt heraus, so blieb die Zahl der stationär behandelten Fälle in 18 Jahren unverändert.

Dazu bemerkt der BARMER GEK Vizechef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker: "Das spricht zunächst für eine sorgfältige Indikationsstellung durch die behandelnden Urologen. Allerdings bewegen sich die deutschen Fallzahlen im internationalen Vergleich auf hohem Niveau."

Denn in den USA ist die Krankenhausbehandlungsrate bei Prostataleiden nicht nur geringer, sondern auch rückläufig. Zwischen 1997 und 2004 ist sie altersbereinigt von 7,9 auf 5,6 Fälle je 10.000 Männer um 30 Prozent gesunken. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in Deutschland und den Vereinigten Staaten jeweils rund 83.000 Krankenhausbehandlungen des Prostatakarzinoms gezählt. Dabei ist die Bevölkerung der Vereinigten Staaten fast viermal so groß, aber im Durchschnitt auch deutlich jünger. Im altersstandardisierten Vergleich werden Prostataentfernungen hierzulande ungefähr doppelt so häufig durchgeführt: 7,8 versus 4,4 Fälle pro 10.000 Männer. Höhere Raten gibt es allerdings in Österreich: 11 Fälle pro 10.000 Männer. ...weiter auf Seite 2: Werden Prostata-Leiden zu oft operiert?

Prostata-Krebs: Oft nur eingeschränkte Lebensqualität nach OP

Werden Prostataleiden zu oft operiert?

Unter allen Behandlungsmethoden im Krankenhaus ist die operative Prostataentfernung mit Abstand am häufigsten - die "radikale Prostatektomie" erfolgt in jedem zweiten Fall. Erfreulich dabei: Wurden 2005 nur 30 Prozent der erkrankten Männer gefäß- und nervenerhaltend operiert, sind es aktuell 55 Prozent – über alle Altersgruppen hinweg und mit steigender Tendenz. Bei dieser schonenderen Form der Operation wird darauf geachtet, dass die Erektionsfähigkeit und Kontinenz des Mannes bestehen bleibt. "Hier kommt der medizinische Fortschritt altersübergreifend in der onkologischen Breitenversorgung an. Gleichzeitig bleibt aber weiterhin fraglich, ob die gravierenden Neben- und Folgewirkungen eines operativen Eingriffs oder einer Bestrahlung nicht mehr Männern erspart bleiben könnten", so Schlenker.

Auch Professor Bitzer bestätigt: Gerade beim Prostatakrebs müsse die Behandlung nicht immer gleich automatisch Operation, Bestrahlung oder Medikamente nach sich ziehen. "Für eine Therapieentscheidung sollten sich Arzt und Patient Zeit nehmen und in geeigneten Fällen auch die Möglichkeiten einer aktiven Überwachung und langfristigen Beobachtung in Erwägung ziehen." Und Schlenker resümiert: "Eine umfassende Aufklärung über die Chancen und Risiken der unterschiedlichen Therapiealternativen ist von elementarer Bedeutung für die Behandlungsentscheidung der Patienten."

h3>Weitere Ergebnisse zum Schwerpunktthema "Akut-stationäre Versorgung des Prostatakarzinoms":
  • Nach Hochrechnungen auf Basis der BARMER GEK Daten wurden 2011 bundesweit an deutschen Krankenhäusern rund 31.000 offene radikale Prostatektomien durchgeführt, außerdem 10.000 minimalinvasive Operationen, 3.000 mit Brachytherapien, 2.000 Chemotherapien und 1.600 perkutane Bestrahlungen.

  • Die Gesamtkosten für die stationäre Versorgung von Prostatakrebs-Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung beliefen sich 2011 auf rund 364 Millionen Euro. Die stationären Behandlungskosten pro Kopf lagen im vergangenen Jahr durchschnittlich bei etwa 5.900 Euro - bei jüngeren Patienten regelmäßig oberhalb von 6.000 Euro, bei Patienten ab 80 Jahren bei etwa 4.000 Euro.

  • Auch beim Prostatakrebs gehen die Behandlungszeiten seit 1994 stetig zurück, von 13,6 auf 8,0 Tage je Fall.

  • Prostatakrebs ist eine Erkrankung älterer Männer, die vor dem 40. Lebensjahr praktisch nicht auftritt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 69 Jahren. Das Erkrankungsrisiko eines 40-Jährigen für die nächsten 10 Jahre liegt bei 0,1 Prozent, das Risiko eines 70-Jährigen bei 6 Prozent.

  • Mit einem Krebs der Prostata kann man alt werden. Die meisten Patienten sterben nicht an ihm, sondern an etwas anderem. Er ist also weniger bedrohlich als andere Krebsarten – weil er erst im Alter auftritt und weil es neben mehr oder weniger aggressiven auch friedliche Formen gibt.

Eine aktuelle Broschüre dazu ist verfügbar auf www.barmer-gek.de/132373