Zu Hause alt werden, im Pflegefall von der Familie versorgt – das wünschen sich viele ältere Menschen und ihre Kinder. Doch immer mehr Angehörige, vor allem Töchter und Schwiegertöchter, üben heute einen Beruf aus, den sie kaum oder nur unter Einbußen damit vereinbaren können. Dieser Problematik schenken Arbeitgeber, Gewerkschafter und Politiker noch zu wenig Aufmerksamkeit, trotz neuerer Instrumente wie der Pflegezeit, kritisiert eine aktuelle Studie der Universität Duisburg-Essen (UDE).
In einem internationalen Verbundprojekt Carers@Work, an dem auch andere Hochschulen beteiligt sind, haben Prof. Dr. Gerhard Bäcker und Dr. Angelika Kümmerling vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) 13 groß- und mittelständische Unternehmen untersucht. Sie stellten fest, „dass die neue Variante der alten Vereinbarkeitsproblematik, Pflegetätigkeit und Beruf zu kombinieren, derzeit in den Unternehmen noch keine große Rolle spielt“.
Zwar bieten einige Firmen inzwischen Maßnahmen an, die über die gesetzliche Pflegezeit hinausgehen. Dazu gehören Auszeiten, flexible Arbeitszeit und Stundenreduzierungen – doch diese werden bislang nur in Einzelfällen nachgefragt. Die Gründe hierfür sind derzeit noch unklar. Wichtig sei, dass die Beschäftigten sicher sein können, dass diese Aus- und Pflegezeiten ihre Aufstiegschancen nicht verbauen. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Maßnahmen verpuffen und insbesondere in höheren Qualifikationsstufen und von männlichen Arbeitnehmern nicht angenommen werden.
Vor allem Frauen Leidtragende
„Besonders Frauen wird so eine weitere Unterbrechung der Arbeitszeit aufgebürdet, die ihre Karrierechancen blockiert, die Rente kürzt oder in einigen Fällen den Ausstieg aus der Erwerbsarbeit bedeuten kann“, kritisieren die Wissenschaftler. „Wenn der Staat an der – preiswerten – Angehörigenpflege festhalten will, müssten Maßnahmen durchgesetzt werden, die Pflegenden helfen, die Kosten zu kompensieren.“
Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie wichtig es neben der allgemeinen Anerkennung ist, auch die Rückkehr in die ursprüngliche Arbeitssituation zu ermöglichen. Pflegende seien nicht weniger berufs- oder karriereorientiert als Nicht-Pflegende: „Sie übernehmen – ganz im Sinne des Gesetzgebers und zum Wohle der Gemeinschaft – die Verantwortung für ihre alten Eltern, den kranken Partner oder das kranke Kind. Dabei haben sie weniger freie Zeit für Hobbies und Freunde und nur wenig Unterstützung“, meinen Bäcker und Kümmerling.
Hier seien auch die Unternehmen gefordert: In allen Qualifikationsstufen, sowohl in den männerdominierten als auch in den frauendominierten Bereichen, muss ein offenes und vertrauensvolles Betriebsklima herrschen, das es den Betroffenen möglich macht, Vereinbarkeitsprobleme mitzuteilen und förderliche Maßnahmen nachzufragen. „Arbeit muss so organisiert werden, dass sie teilbar ist und mit familiären Anforderungen in jeder Lebensphase koordiniert werden kann“, fordern die IAQ-Wissenschaftler. „Dabei ist es prinzipiell notwendig, bestehende Arbeitsorganisationen neu zu denken, sodass auch Führungskräfte im Notfall ersetzbar sind.“
Weitere Informationen: http://www.iaq.uni-due.de/projekt/2011/carersatwork.php
Prof. Dr. Gerhard Bäcker,
gerhard.baecker@uni-due.de;
Dr. Angelika Kümmerling,
angelika.kuemmerling@uni-due.de