Innerhalb ein und derselben Stadt kann das Armutsgefälle durchaus erheblich höher sein als zwischen den Bundesländern und Städten. Dies zeigt sich exemplarisch in den Städten Heilbronn (Baden-Württemberg) und Jena (Thüringen), die den von der Bertelmann Stiftung entwickelten Sozialraumatlas KECK zur Analyse einzelner Stadtviertel nutzen. Dabei zeigen sich eklatante Unterschiede in den Lebensbedingungen der heranwachsenden Generation. In manchen Stadtteilen liegt die Armutsquote von Kindern unter drei Jahren nur bei etwa 1,5 Prozent, in anderen bei über 35 Prozent. Es besteht die Gefahr, dass ganze Stadtteile von den Zukunftschancen abgeschnitten werden: Wer Geld hat, zieht woanders hin.
Die Auswertung des Sozialraumatlas soll in beiden Städten in ein Konzept münden, wie durch gezielte Angebote Kinder in benachteiligten Stadtvierteln gefördert werden können. Dabei wird Armut als einer mehreren Faktoren betrachtet, die die Entwicklungschancen von Kindern stark beeinflussen.
Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, plädiert als Konsequenz aus den Armutszahlen für eine bedarfsorientierte Verteilung der staatlichen Gelder: "Armut darf nicht in Chancenlosigkeit münden. Wo die Probleme größer sind, muss auch mehr Geld für gute Kitas und gezielte Förderung des Wohnumfeldes investiert werden. Gerade die frühkindliche Phase ist entscheidend für die Entwicklung eines Kindes."
Enge Armutsdefinition der Bertelsmann Stiftung
Die Bertelsmann Stiftung arbeitet mit einem vergleichsweise engen Armutsbegriff. Grundlage der Analyse ist die Definition, dass Kinder als arm gelten, die in Familien mit Bezug staatlicher Grundsicherungsleistungen (SGB-II-Bezug) aufwachsen. So fallen Eltern aus der Statistik, die zwar am Rand des Existenzminimums leben, aber gerade genug verdienen, dass sie nicht Hartz IV beantragen müssen.
Aktuell bereitet die Stiftung eine Studie vor, die die Armutsgefährdung regional stärker differenzieren kann. Unter anderem soll Armut mit Blick auf die verschiedenen Miet- und Lebenshaltungskosten in den Regionen der Bundesrepublik analysiert werden.
Der Rückgang der Kinderarmut ist nach Meinung der Experten nicht zuletzt den Müttern zu verdanken. "Der Trend geht unter anderem zurück, weil es mehr Frauen gibt, die Kleinkinder haben und trotzdem arbeiten", sagte Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung bei der Vorstellung der Zahlen in Gütersloh. Ob dies tatsächlich mit einer Verbesserung der Lebenschancen von Kleinkindern einher geht, ist zumindest diskussionswürdig. Ob diese Frauen gezwungen werden eine Arbeit aufzunehmen, weil das Geld aus der Grundsicherung zum Leben nicht reicht, und ob die Kinder in der Zeit der Erwerbstätigkeit gut betreut werden, dazu trifft die Studie keine Aussage.