Unternehmer bemerken häufig zu spät, dass ihr Betrieb in eine Schieflage rutscht – nämlich erst dann, wenn Eigenkapital und Liquidität knapp werden und die Zahlungsunfähigkeit akut droht, kritisieren die Insolvenzexperten. Spätestens dann ist eine Restrukturierung nicht mehr zu vermeiden. Als wichtigste Maßnahmen sehen die Befragten in diesem Fall operative Kostensenkungsmaßnahmen, eine Reduzierung der Produktpalette und einen Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen. „Erst durch diese Maßnahmen wird wieder finanzielle Handlungsfähigkeit hergestellt, so dass eine Neuaufstellung etwa durch Erschließung neuer Geschäftsfelder und Märkte möglich wird“, so Richter.
Neues Insolvenzrecht kommt zur rechten Zeit
Die am 1. März 2012 in Kraft getretene Reform des Insolvenzrechts werde Unternehmen die Sanierung etwas erleichtern, erwarten die befragten Insolvenzexperten. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) bietet einen Schutzschirm für Unternehmen, die in einer finanziellen Schieflage stecken: Unternehmer können in der Insolvenz eine Sanierung in Eigenverwaltung durchführen, eine Art freiwilliges Insolvenzverfahren vor der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit. Dazu wird ihnen ein sogenannter Sachwalter zur Seite gestellt, der die Eigenverwaltung beaufsichtigt.
Kümmern sich Unternehmer frühzeitig um eine notwendige Restrukturierung, müssen sie die Kontrolle über ihren Betrieb also nicht abgeben. Ziel der Reform ist es, den Unternehmern die Angst vor der Insolvenz zu nehmen. „Das Gesetz geht in die richtige Richtung“, sagt Richter: „Unternehmer sollen einen Anreiz bekommen zu handeln, solange sie noch genügend Handlungsspielraum für eine Sanierung haben.“
Insolvenz gilt immer noch als Scheitern
Dennoch gehen die befragten Insolvenzexperten davon aus, dass das Gesetz nur eine leichte Verbesserung der Rahmenbedingungen für notleidende Unternehmen mit sich bringen wird. Sie halten die Stärkung des Insolvenzplanverfahrens für sinnvoll, glauben jedoch nicht, dass viele Unternehmen das Schutzschirmverfahren nutzen werden. „Ein offizielles Insolvenzverfahren gilt vielen Unternehmern immer noch als Stigmatisierung. Sie fürchten, dass Geschäftspartner und Kunden dann das Vertrauen in ihr Unternehmen verlieren“, sagt Richter.
Die Erfahrungen der Insolvenzexperten zeigen, dass Unternehmer trotz der Reform so lange wie möglich warten, bis sie einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren stellen. Auch nach dem Antrag erschwert die fehlende bzw. mangelhafte Transparenz in Form von aussagefähigen Unternehmensdaten die Arbeit des Insolvenzverwalters, beklagen Insolvenzexperten. Fehlende Einsicht bei den verantwortlichen Managern und enge Zeitfenster für die Sanierung sehen sie als größte Hindernisse bei ihrer Arbeit. „Wenn es schon fünf vor zwölf ist, wird die Sanierung eben für alle Beteiligten schwierig“, berichtet Richter.