Analysten sind von berufswegen Skeptiker und halten sich für Realisten. Wie diese den aktuellen Markt der Versicherungswirtschaft einschätzen und wo Sie Chancen und Risiken für Versicherer sehen, zeigt die aktuelle Accenture-Studie.
Analysten erwarten von Versicheren ungeachtet der schwierigen Marktsituation eine höhere Profitabilität. Gleichzeitig werden Vorstöße in Emerging Markets über bessere Ratings belohnt. Das geht aus einer aktuellen Studie des Managmentberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleisters Accenture hervor, für die 68 führende Finanzanalysten in 16 Ländern zu zahlreichen Themenfeldern wie Gewinnentwicklung und Wachstumsstrategien vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen in der Versicherungsbranche befragt wurden.
Für die Vergabe von Kaufempfehlungen erwarten die Analysten von den Versicherern im Geschäftsjahr 2012 eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite (RoE) von 14,9 Prozent vor Steuern, im Vergleich zu 13,7 Prozent im Jahr 2011. Die Anforderungen an die Profitabilität werden zudem weiter steigen. So fordert die Hälfte der Befragten von den mit einem „Buy“-Rating ausgestatteten Versicherern eine weitere Steigerung der Eigenkapitalrendite binnen drei Jahren.
„Noch 2011 lag die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der 20 größten internationalen Versicherer vor Steuern bei rund 11,9 Prozent. Angesichts dessen sind die Analystenerwartungen mehr als anspruchsvoll“, sagt Thomas D. Meyer, verantwortlicher Geschäftsführer bei Accenture für die Versicherungspraxis in der Region Europa, Afrika und Lateinamerika. „Die gesamte Branche wird von den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einem immer strengeren regulatorischen Umfeld beeinflusst. So haben Schaden-und Unfallversicherer mit einer höheren Volatilität bei Katastrophenschäden zu kämpfen, während sich Lebensversicherer mit niedrigen Zinsen und einer schwachen Nachfrage konfrontiert sehen. Für bessere Ratings müssen Versicherer die Analystengemeinde daher davon überzeugen, dass sie über die richtige Strategie verfügen, diesen Herausforderungen zu begegnen und gleichzeitig in der Lage sind, die Messlatte für Profitabilität und Wachstum höher zu hängen.“
Analysten belohnen die Expansion in Emerging Markets
Die Ausweitung des Geschäfts in Emerging Markets wird von den Analysten als entscheidender Faktor angesehen. So erachten alle Analysten für den Bereich Sach- und Haftpflichtversicherung M&A-Aktivitäten nordamerikanischer, europäischer und japanischer Versicherer in Märkten wie Brasilien, Russland, Indien, China, Mexiko oder Südkorea als ausschlaggebenden Faktor für überdurchschnittliche Ratings.
Im Segment „Leben“ erwartet das Gros von ihnen (88%) innerhalb der kommenden drei Jahre von den Versicherern organisches Wachstum.
Kundenorientierung, Service und Risikomanagement sind für Wachstum essenziell
Für die kommenden drei Jahre nennen Branchenexperten die Preisstruktur (95%), sprich die Tarifierung, und die Servicequalität (94%) als wichtigste Faktoren innerhalb der Versicherungsindustrie. Darüber hinaus messen 86 Prozent der Experten auch der Datenanalyse eine entsprechende Bedeutung bei. Zwei Drittel (67%) der Befragten betrachten zudem Investitionen in Riskomanagement-Technologien als erfolgskritisch für die Verbesserung der Performance.
Zunahme von Naturkatastrophen und neue regulatorische Vorgaben stellen Versicherer vor neue Herausforderungen
Umweltfaktoren, etwa die steigende Zahl an Naturkatastrophen, sind laut der Studie die größte Herausforderung für die Sachversicherer (58%), während neue Regularien (83%) wie Solvency II oder der Dodd-Frank-Act, als größte Bürde für Lebensversicherer wahrgenommen werden. Als zweitgrößte Herausforderung für die gesamte Branche wird die unsichere Renditeentwicklung bei Finanzanlagen genannt – bei den Sachversicherern mit 55 Prozent und bei den Lebensversicherern mit 65 Prozent.
Weitere Ergebnisse der Studie:
- Analysten im asiatisch-pazifischen Raum sehen die Entwickung der Branche am optimistischsten: Für Versicherungsunternehmen, die sie mit „Buy“ zum Kauf empfehlen, erwarten sie ein durchschnittliches Wachstum von 11 Prozent in diesem Jahr. Ihre Kollegen in Europa und Nordamerika sind etwas verhaltener und prognostizieren ein Wachstum von 6,7 bzw. 6,1 Prozent.
- Europäische Analysten sind am anspruchsvollsten in puncto Profitabilität: Sie erwarten von Versicherern, die sie zum Kauf empfehlen, eine durchschnittliche Vorsteuer-Eigenkapitalrendite von 16,4 Prozent, während Analysten in Nordamerika und Asien-Pazifik 12,1 bzw. 13,8 Prozent verlangen.
- Die Analysten in Nordamerika präferieren in den reifen Märkten der Industrieländer organisches Wachstum (92%), noch vor Akquisitionen in Emerging Markets (78%). Europäische Analysten bevorzugen ganz klar organisches Wachstum, sowohl in den reifen Märkten (81%) als auch in den Schwellenländern (59%).
- Generell sehen Analysten in der Volatilität der Finanzanlagen (71%) und in neuer Regulierung (52%) für Versicherungsanbieter in Nordamerika die größten Herausforderungen. Für die Europäische Assekuranz sehen sie in der Regulierung (61%) noch vor der Volatilität der Finanzanlagen (57%) die größten Bedrohungen. In der Region Asien-Pazifik wird Regulierung als das beherrschende Thema angesehen (92%), danach folgen das verlangsamte Wachstum in Kernmärkten (67%) und die Schwankungen bei den Investments (50%).
„Die im Vergleich zu einer analogen, im Jahr 2008 durchgeführten Accenture-Studie immer noch hohen Erwartungen an die Profitabilität und das Wachstum – die insbesondere höher sind als die aktuell erreichten Ergebnisse in den vergangenen Jahren – lässt vermuten, dass die Versicherungsanalysten von der Branche erwarten, die anstehenden Herausforderungen konsequent und mit großer Dringlichkeit anzupacken“, sagt Thomas D. Meyer.
Für die Studie hat Accenture weltweit 68 Finanzanalysten befragt, die über Versicherungsunternehmen berichten, darunter 38 Analysten für Sachversicherer, 25 für Lebensversicherer sowie fünf Analysten, die die gesamte Branche abdecken.