"Wenn die Arbeits- und die Lohnstückkosten jetzt bei uns schneller wachsen als in den Krisenländern, ist das ein notwendiger, richtiger erster Schritt. Wir erleben ja derzeit die positiven Auswirkungen: Höhere Löhne bei stabiler Beschäftigungsentwicklung schaffen die Voraussetzungen für einen relativ kräftigen privaten Konsum. Der stützt die deutsche Konjunktur. Aber dieser Prozess muss sich fortsetzen. Um die Währungsunion wieder in die Balance zu bringen, müssen nicht nur die Defizit-, sondern auch die Überschussländer reagieren", sagt Horn. "Das geschieht bislang kaum."
So haben nach IMK-Berechnungen Irland, Spanien und Portugal ihre Lohnstückkosten bis Mitte 2012 so stark gesenkt, dass deren Entwicklung über die gesamte Zeit der Währungsunion gerechnet wieder in Einklang mit dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen: Knapp zwei Prozent Zunahme pro Jahr. Deutschland mit seiner schwachen Lohnentwicklung habe hingegen das EZB-Inflationsziel lange Zeit deutlich unterschritten. Wäre dieses seit Existenz der Währungsunion eingehalten worden, lägen die Arbeits- und Lohnstückkosten in Deutschland um 16 Prozent höher als sie es heute tatsächlich sind.
"Allein die enormen Kosten, die jetzt bei der Rettung des Euro drohen, machen deutlich, dass die Fixierung vieler Ökonomen und Politiker auf möglichst niedrige Löhne und Arbeitskosten ein Fehler ist. Das ist keine nachhaltige Strategie für mehr Wohlstand", sagt Horn.
Darüber hinaus hat die relativ schwache Lohnentwicklung im vergangenen Jahrzehnt nach der IMK-Untersuchung auch die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland geschwächt: Seit Gründung der Währungsunion 1999 ist die Wirtschaft in Deutschland um gut 20 Prozent gewachsen, analysieren die Wissenschaftler. Die realen Rentenzahlbeträge gingen im gleichen Zeitraum aber um beinahe 20 Prozent zurück. "Ein erheblicher Teil dieser Entwicklung ist den geringen gesamtwirtschaftlichen Lohnsteigerungen in dieser Zeit geschuldet", schreiben die Forscher.