„Bürgerversicherung? Nein danke!“ Mit diesem Slogan starten die Betriebsräte der privaten Krankenversicherung eine Initiative gegen die Abschaffung der PKV als Vollversicherung. Über 75.000 Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche würden wegfallen, wenn die Bürgerversicherung kommt, klagen die Arbeitnehmervertreter.
Gewinnt die SPD die Bundestagswahl, dann könnte schon bald Realität werden, was für viele Beschäftigte in der Versicherungsbranche derzeit unvorstellbar scheint: Die private Krankenversicherung wird zugunsten einer Bürgerversicherung abgeschafft. Dann dürften Privatversicherer nur noch Zusatzversicherungen anbieten, das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wäre passé. Neben den Sozialdemokraten favorisieren auch die Grünen, Linkspartei, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Konzept einer Bürgerversicherung.
Aber nun regt sich Widerstand auch von Arbeitnehmerseite. Über 50 Betriebsräte von Versicherungsunternehmen haben eine Kampagne gestartet, um sich für den Erhalt der privaten Krankenversicherung auszusprechen. „Mit ganz wenigen Ausnahmen wird diese Initiative von den Arbeitnehmervertretungen aller PKV-Unternehmen getragen“, sagte Heike Rottmann, Betriebsratsvorsitzende der Barmenia Versicherungen, gegenüber dem Versicherungsjournal. Und während man bereits seit Monaten für die eigenen Interessen wirbt, verfügt die Initiative unter dem Namen „Bürgerversicherung? Nein danke!“ seit Dienstag auch über eine eigene Webseite. Mit Pressemitteilungen und Aktionen soll zukünftig die Debatte über die Zukunft des Krankensystems begleitet werden.
75.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Dass die Betriebsräte der PKV-Unternehmen an der Idee einer Bürgerversicherung keinen Gefallen finden, mag kaum verwundern. Schließlich steht der eigene Arbeitsplatz auf dem Spiel. Die Zahlen, mit denen die Initiative argumentiert, sind durchaus gewaltig. „So eine Bürgerversicherung ist nicht nur ein Irrweg, sondern vernichtet mehr als 75.000 Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche. Darüber hinaus sind viele tausend Arbeitsplätze in anderen medizinischen und verwaltenden Bereichen bedroht“, heißt es auf der Webseite der Initiative.
Umso offensiver wollen die Arbeitnehmervertreter in den nächsten Monaten an die Öffentlichkeit treten. Geplant seien Besuche bei Politikern fast aller großen Fraktionen, um die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter vorzutragen. Lediglich die CSU wolle man ausnehmen, da sich die Partei bereits eindeutig für den Erhalt der Vollversicherung positioniert habe. Firmenläufe, Aufkleber und Plakataktionen sollen die Bevölkerung sensibilisieren. Sogar ein Aktionstag ist geplant, in dem die Mitarbeiter der privaten Krankenversicherer eine Menschenkette um alle Unternehmensgebäude bilden wollen.
Speziell in den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen sei durch den Wegfall der PKV eine erhebliche Schwächung der Wirtschaftskraft zu befürchten, argumentiert die Initiative auf ihrer Webseite. Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes Prognos von Juli 2012 habe sich die Versicherungswirtschaft in diesen beiden Ländern als Schlüsselindustrie etabliert, die sogar die Automobilindustrie oder Chemiebranche in ihrer Bedeutung übersteige. All das stehe nun auf dem Spiel, wenn man die private Krankenversicherung abschaffe.
Wegfall der Arbeitsplätze könne nicht kompensiert werden
Das Fazit der Initiative „Bürgerversicherung? Nein danke!“: „Die sogenannte "Bürgerversicherung" vernichtet massiv innerhalb und außerhalb der PKV-Unternehmen Arbeitsplätze völlig ohne Not. Das duale System mit GKV und PKV hat sich dem Grunde nach bewehrt. Es genießt international höchstes Ansehen. Allerdings existieren bei beiden Systemen Probleme, die es zu lösen gilt. Hierzu fordern wir die Politiker unter Einbeziehung aller Beteiligten auf.“
Dass die privaten Krankenversicherer einfach eine Bürgerversicherung zu den Bedingungen der GKV anbieten können und die Arbeitsplätze deshalb erhalten bleiben, betrachten die PKV-Betriebsräte hingegen als unwahrscheinlich. So habe auch die gesetzliche Krankenversicherung massiv Arbeitsplätze abgebaut, in den letzten 15 Jahren mussten 23.000 Angestellte der Krankenkassen gehen. Auch seien die Privatversicherer keine Körperschaften öffentlichen Rechts, so dass sie eine entsprechende Leistung laut Gesetz gar nicht anbieten dürfen.
Letztendlich sei sogar zu befürchten, dass eine Bürgerversicherung die Ungerechtigkeiten im Gesundheitssystem erhöhe. "In einem Einheitssystem ist es für den Staat noch einfacher als bisher, medizinische Leistungen zu reduzieren. Exzellente medizinische Versorgung auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand gibt es dann nur noch in Privatarztpraxen und Privatkliniken", argumentieren die Betriebsräte. In diesem Sinne schaffe die Bürgerversicherung das, was sie eigentlich abschaffen will: Eine Zweiklassenmedizin.