Mit der Provinzial Nordwest verabschiedet sich ein weiterer Versicherer aus dem Geschäft mit Krankenhaushaftpflichtversicherungen. Die Sparte sei zunehmend unrentabler geworden, begründet Vorstand Ulrich Rüther diesen Schritt. Für Kliniken wird es zunehmend schwieriger, eine geeignete Haftpflichtversicherung zu finden.
Der Fehlgriff eines Arztes kann richtig teuer werden. Auf bis zu 2,8 Millionen Euro schätzen Versicherungsexperten die Summe, die Ärzte oder Kliniken nach einem Behandlungsfehler mit Geburtsschaden ihren Patienten überweisen müssen. Das Schmerzensgeld ist nur ein kleiner Teil davon. Hinzu gesellen sich Kosten für eine lebenslange Weiterbehandlung, Verdienstausfall und Medikamente.
Die steigenden Kosten bei Personenschäden setzen auch die Klinikhaftpflichtversicherer unter Druck. Im Dezember 2012 hatte sich mit der Zurich Versicherung einer der größten Anbieter vom Markt zurückgezogen – 200 Akutkrankenhäuser und 13 Unikliniken standen plötzlich ohne Versicherungsschutz da. Nun gibt auch die Provinzial Nordwest laut einem Bericht der Ärztezeitung ihr Haftpflichtgeschäft mit Krankenhäusern fast vollständig auf. Die Sparte sei zunehmend unrentabel geworden, begründete Vorstandsvorsitzender Ulrich Rüther die Entscheidung.
Geschäft mit Haftpflichtrisiken in tiefroten Zahlen
“Das Krankenhauspflichtgeschäft ist unter Druck“, sagte Ulrich Rüther bei der Bilanzpressekonferenz der Provinzial, die am 29. Mai in Münster stattfand. Der Versicherer sei nicht mehr in der Lage gewesen, auskömmliche Prämien zu erzielen. „Deshalb haben wir eingegriffen und uns vom Geschäft verabschiedet.“
Ein Blick auf die Zahlen bestätigt die Negativbilanz. Die Schaden-Kostenquote habe zu Hochzeiten bei 150 Prozent der Beiträge gelegen, berichtet der Versicherer. Das heißt: Pro Euro, der an Beiträgen eingenommen wurde, musste die Provinzial Nordwest 1,50 Euro für Schäden, Vertriebs- und Verwaltungskosten ausgeben. Die Sparte steckt deutlich in den roten Zahlen.
Dennoch beendet der Sparkassenversicherer sein Geschäft mit den Krankenhäusern nicht vollständig. In der Sachversicherung wolle man auch zukünftig mit Kliniken kooperieren. Auch kleinere Kliniken und Reha-Häuser können weiterhin auf einen Haftpflichtschutz hoffen.
Keine Haftpflicht-Police erhalten hingegen Akutkrankenhäuser. Hier sind die größten Risiken angesiedelt: Akutkliniken übernehmen die Notfallambulanz etwa nach Unfällen und sind auch für die stationäre Betreuung von Notfallpatienten zuständig. Das Prämienvolumen der Provinzial Nordwest werde im Bereich Klinikhaftpflicht von zwölf Millionen Euro auf unter eine Million Euro sinken.
Teurer Haftpflichtschutz für Ärzte und Kliniken
Mit dem Rückzug der Provinzial Nordwest verkleinert sich weiter die Zahl der Anbieter, die Haftpflichtversicherungen für Kliniken anbieten. Im Markt sind jetzt noch große Versicherer wie die Allianz, Ergo, R+V und die Versicherungskammer Bayern. Nach Jahren eines intensiv geführten Preiskampfes mit Verlusten haben die Versicherungen ihren Kunden teils deutlich die Prämien erhöht.
Dass die Bereitschaft der Versicherer nachlässt, bestimmten Ärzten und Kliniken Haftpflichtschutz zu gewähren, kritisierte bereits der Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) im Oktober 2012. „Die Zahl der Versicherer, die auch schwere Risiken und Fachrichtungen zeichnen, ist äußerst begrenzt“, sagte damals VDVM-Vorstandsmitglied Sven Erichsen der Financial Times Deutschland. So hätten sich große Versicherer vollständig aus der Deckung von Krankenhäusern zurückgezogen oder würden äußerst wählerisch bei der Auswahl der Kunden vorgehen. Manche Arztpraxen stünden sogar vor dem Aus (der Versicherungsbote berichtete).
Ursache für die Zurückhaltung der Versicherer ist der Anstieg der Schadenshöhen speziell bei Personenschäden, die laut früherer Berechnungen des GDV allein zwischen 1998 und 2003 um bis zu 32 Prozent in die Höhe schnellten. Zudem treten infolge des medizinischen Fortschritts neue Haftungsrisiken wie etwa die Präimplantationsdiagnostik hinzu, die für Versicherer kaum zu kalkulieren sind. Fachärzte wie Gynäkologen oder Humangenetiker finden immer seltener einen Schutz oder müssen teils deftige Prämienerhöhungen akzeptieren.