Gibt es bald eine Hochwasser-Versicherung mit Versicherungspflicht für Elementarschäden? Das fordert der thüringische Justizminister Holger Poppenhäger (SPD). Bei der heute beginnenden Frühjahrstagung der Justizminister aus Bund und Ländern will Thüringens Justizminister die Einführung einer Pflichtversicherung für Anlieger von Hochwassergebieten ins Gespräch bringen.
Der thüringische Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) fordert eine Pflichtversicherung mit Elementarschäden-Absicherung für Bewohner hochwassergefährdeter Gebiete. Beim heutigen Kamingespräch im Rahmen der Frühjahrstagung der Justizminister aus Bund und Ländern will Thüringen das Thema Versicherungspflicht für Elementarschäden zur Diskussion stellen, berichtete die saarländische Justizministerin Anke Rehlinger (SPD) am Dienstag in Saarbrücken.
Thüringens Justizminister fordert Versicherungspflicht für Elementarschäden
Angesichts der großen Schäden durch die jüngste Flutkatastrophe ist der Anstoss dieser Debatte durchaus angebracht. "Wir müssen weg von dem System der Opferhilfe nach Kassenlage und abhängig davon, ob gerade Wahlkampf ist", sagte Poppenhäger. Weiterhin stellte er fest, dass nur wenige Menschen eine Elementarversicherung aus DDR-Zeiten hätten und diverse Versicherungen es ablehnten, Bewohner und Gewerbetreibende in Hochwassergebieten zu versichern.
Nur 32 Prozent der Hausbesitzer hat einen Elementarschutz in der Wohngebäudeversicherung
Das belegen auch aktuelle Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). So haben im Bundesdurchschnitt nur 32 Prozent der Haushalte diesen Versicherungsschutz für ihr Wohngebäude.
Derweil bemängelt Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, die mangelnden Angebote für hochwassergefährdete Gebiete. So hatte die Verbraucherzentrale Sachsen eine Anfrage an 40 Versicherer, welche zeigte, dass die Angebote nur unzureichend waren. So machten die Anbieter entweder gar kein Angebot oder klammerten den Überschwemmungsschutz aus. „Nach dem Hochwasser muss eine Lösung dafür gefunden werden, wie sich auch die Betroffenen absichern können“, so Billen.
Dem widersprach der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in einer Pressemitteilung. So heißt es: „Insgesamt können Versicherer 99 Prozent der Gebäude unproblematisch versichern. Und auch für das verbleibende Prozent lässt sich mit Selbstbehalten oder baulichen Präventionsmaßnahmen überwiegend Versicherungsschutz anbieten.“
Das bekräftigte Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des GDV: „Wir können fast allen Haushalten in Deutschland problemlos Versicherungsschutz gegen Hochwasser und Überschwemmung anbieten“. Weiterhin führte der GDV am Beispiel der Versichertenzahlen von den stark vom aktuellen Hochwasser betroffenen Orten Grimma und Döbeln die gute Versichertenquote an. Hier sei 2011 fast jedes zweite Gebäude innerhalb der Hochrisikozone 4 gegen Hochwasser versichert gewesen (in Grimma 46 Prozent und in Döbeln 47 Prozent). Im Bundesvergleich sind das überdurchschnittlich viele versicherte Gebäude.
Hochwasser-Versicherung mit Versicherungspflicht - der nächste Anlauf
Die aktuelle Forderung von Poppenhäger ist indes nicht neu. Bereits 2002 nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser hatten Verbraucherschützer aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für die Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung für Wohngebäude gekämpft. Doch nach zwei Jahren wurde die Idee seitens Politik und Versicherungswirtschaft verworfen. Die erforderlichen Garantien seien für den Bund und die Länder schlichtweg zu teuer gewesen.
Seinerzeit prangerten die Verbraucherschützer die Entscheidung gegen eine Elementarschaden-Pflichtversicherung als sehr kurzsichtig an und sollten in gewisser Weise Recht behalten. Mitte 2010 forderte die damalige Vorstandsvorsitzende des Bundes der Versicherten (BdV) Lilo Blunck: "Nahezu seit Jahrzehnten fordern wir, die Elementarschadenversicherung als Pflicht einzuführen". Auch 2010 wurde eine rege Debatte über eine Lockerung der Zugangsvoraussetzungen für Elementarschutz geführt und die Einführung einer Versicherungspflicht diskutiert. Lilo Blunck erklärte damals in der Süddeutschen Zeitung: "Wir sind ziemlich sicher, dass Versicherungsgesellschaften sehr schnell eine Kostenkalkulation auf die Beine stellen können, um den Verbrauchern den bislang zumeist verweigerten Schutz zu gewährleisten." Passiert ist an dieser Stelle relativ wenig.
Auf der anderen Seite ist die Unbekümmertheit der Bevölkerung erschreckend. So hat der Versicherungsbote von mehreren Maklern und Vermittlern Informationen von vielen Anfragen nach Versicherungsschutz kurz vor Ankunft der ersten Flutwelle erhalten. „Können wir den Versicherungsschutz um einen Monat vordatieren“, ist dabei noch die harmloseste Anfrage.
Manche Vermittler aus den von Hochwasser bedrohten Gebieten gingen in der Vergangenheit sogar einen Schritt weiter. Während die Kunden bewusst auf Elementarschutz verzichteten, obwohl sie selbigen durchaus hätten haben können, ließen sich die Vermittler im Rahmen der Beratungsdokumentation explizit den Verzicht auf Elementarschutz vom Versicherungsnehmer unterschreiben. Bleibt zu hoffen, dass diesbezüglich manch ein Versicherungsnehmer aus Schaden klug wird.