Wieviel Geld müssen Versicherungen für die Schäden der Flutkatastrophe zahlen? Nach Ansicht des Rückversicherers Munich Re könnten die Überschwemmungen im Juni die teuerste Naturkatastrophe gewesen sein, die Deutschland jemals heimgesucht hat. Ein Vorstand der Munich Re forderte, zerstörte Gebäude in Überschwemmungsgebieten nicht wieder aufzubauen.
Als im Juni die ersten Bilder von überschwemmten Häusern und Straßen durch die Medien gingen, da war bereits abzusehen, dass die Flutkatastrophe teuer werden würde, ja sogar sehr teuer. Viele Menschen haben ihre Existenzgrundlage verloren, die Bundesregierung brachte bereits ein Hilfspaket von 8 Milliarden Euro auf den Weg. Nun bestätigt auch die Versicherungswirtschaft, dass die Kosten alles in den Schatten stellen werden, was bisher da gewesen ist.
Munich Re: “Teuerste Naturkatastrophe in der deutschen Geschichte“
„Die endgültige Schadenhöhe steht noch nicht fest, aber es ist gut möglich, dass es die teuerste Naturkatastrophe in der deutschen Geschichte wird“, sagte Peter Höppe, Meteorologe und Leiter der Georisikoforschung der Munich Re, im Interview mit der SZ. Für alle betroffenen Länder in Europa zusammen rechnet die Munich Re 2013 mit mehr als zwölf Milliarden Euro ökonomischer Flutschäden. Darunter seien auch drei Milliarden Euro versicherte Schäden. Munich Re hat noch keine Zahl für die eigene Belastung genannt, das Unternehmen will am 6. August die Schadenhöhe bekanntgeben.
Die Forderungen des weltgrößten Rückversicherers dürften vielen Menschen in den betroffenen Bundesländern nicht gefallen. Denn die Munich Re plädiert an die Bundes- und Landesregierungen, die Neubebauung in stark hochwassergefährdeten Gebieten zu unterbinden und auch zerstörte Gebäude nicht wieder aufzubauen. „Allerdings ist das natürlich nicht sehr realistisch“, muss auch Peter Höppe zugeben. Ganze Regionen wie Grimma oder Fischbeck würden zersiedelt werden. Viele Städte sind gerade wegen ihrer Lage an Flüssen wichtige regionale Wirtschaftszentren.
Unwetterereignisse in Deutschland nehmen zu
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) warnte bereits im Jahr 2011, dass der Klimawandel -ob vom Menschen gemacht oder nicht- in Deutschland zu mehr Unwettern führen wird. „Künftig treten Hochwasser, wie sie Deutschland heute im Durchschnitt alle 50 Jahre erlebt, alle 25 Jahre ein“, so lautete das Ergebnis einer Klimastudie, die der GdV zusammen mit Klimaforschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der Freien Universität Berlin und der Universität Köln präsentierte. Bis zum Jahr 2100 könnten sich die Schäden aus Überschwemmungen verdreifachen, prophezeite der Dachverband der Versicherer.
Auch der GdV forderte, dass überschwemmungsgefährdete Regionen nicht als Bauland ausgewiesen werden dürfen. Was aber tun, wenn infolge der Unwetter immer mehr Regionen von Überschwemmungen betroffen sind? Eine Verdreifachung der Schäden prophezeite der GdV für alle untersuchten Flussläufe an Rhein, Elbe, Weser, Ems und Donau: Wichtige Wasserstraßen, die für den deutschen Handel und die Industrie eine existenzielle Bedeutung haben. Eine Ansiedlung in wassernahen Regionen zu verhindern, ist so unrealistisch wie unerwünscht. Hier kollidieren die Interessen der Versicherer mit denen der Regionalpolitiker, der lokalen Wirtschaft und der Menschen vor Ort.
Versicherer lehnen eine Pflichtversicherung ab
Mit der Zunahme an Überschwemmungen wird der Ruf nach einen allgemeinen Versicherungspflicht für Elementarschäden laut. In Deutschland ist die Absicherung gegen Hochwasserschäden sehr gering, nur rund ein Viertel aller Häuser verfügt über einen solchen Schutz. Dies liegt auch daran, dass Hausbesitzer in der Hochwassergefahrenzone Zürs4 schlichtweg keinen Versicherungsvertrag bekommen oder dafür tief in die Tasche greifen müssen.
Bei einer allgemeinen Pflichtversicherung würde das Hochwasserrisiko auf alle Schultern verteilt: Dann müssten auch jene Hausherren zahlen, die gar nicht in einem Risikogebiet für Überschwemmungen wohnen. Das hätte den Vorteil, dass die Prämien infolge der Risikostreuung dauerhaft niedrig bleiben – auch in jenen Regionen, in denen die Flüsse öfters über die Ufer steigen.
Aus ebenjenem Grund lehnt die Assekuranz die Pflichtversicherung ab. "Unserer Meinung nach setzt eine Pflichtversicherung falsche Signale, denn sie unterstützt falsche Besiedlungspolitik in vom Hochwasser gefährdeten Gebieten", sagte Jens Lison, Vorstand der Allianz Versicherungs AG, der Leipziger Volkszeitung. Von Hochwasser Gefährdete würden sich dann nicht mehr mit Schutzmaßnahmen vor Hochwasser beschäftigten, sinnierte Lison weiter, sondern sich ganz auf die Versicherung verlassen.
Auch die Munich RE betont, dass bundesweit bereits 99 Prozent aller Häuser gegen Hochwasserschäden versicherbar seien. Statt falscher Anreize zu setzen, müsse das Ziel der Assekuranz sein, "die Motivation zur Eigenvorsorge zu fördern". Die Bundesregierung hatte sich ebenfalls gegen eine Pflichtversicherung ausgesprochen.
Keine Kündigungen in den Hochwassergebieten?
Aber die Branche ist fein raus. Nach dem 2007 verabschiedeten Versicherungsvertragsgesetz (VVG) haben die Versicherer ein Sonderkündigungsrecht nach Schadensfällen. Sie können zukünftig den Schutz vor Hochwasser verweigern, wenn ein Hausbesitzer bei der jetzigen Flut erstmals Hochwasserschäden erlitten hat. Kein unrealistisches Szenario, waren doch im Juni 2013 viele Regionen betroffen, die bisher als risikoarme Gefährdungszonen galten.
Die Versicherer betonten zwar, dass sie von Kündigungen absehen wollen. Doch auch die Politik sorgt sich um die Absicherung der Bürger. „Sprechen Sie keine Schadensfallkündigungen aus“, ermahnte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich die Assekuranz im Bundesrat.
Wie ernst es den Versicherungen mit dem Hochwasserschutz in den nun betroffenen Regionen ist, wird sich zeigen. Mehrere Anbieter haben bereits ihre Vertriebspartner informiert, dass ein Annahmestopp für Elementarrisiken in den Überschwemmungsgebieten besteht. Man will abwarten, bis der GdV die Zürs-Zonen überarbeitet hat. Makler berichteten gegenüber Versicherungsbote von einzelnen Kündigungen. Die Versicherten werden sich auf steigende Prämien einstellen müssen – nachdem das Juni-Hochwasser aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist.