Der zweite Fall: in Sachsen-Anhalt gab es ein gut laufendes Maklerbüro. Neben dem Makler war noch eine Angestellte mit der Kundenbetreuung beschäftigt. Das Alltagsgeschäft lag bei Frau Sommer, nennen wir die Mitarbeiterin einmal so. Neue KFZ-Versicherungen beantragen, Kundendaten im Maklerverwaltungsprogramm erfassen, Schadenanzeigen aufnehmen – das war der Alltag von Frau Sommer.
Die Urlaubsphase im betreffenden Jahr sollte aber dramatisch unterbrochen werden. Der Chef von Frau Sommer verstarb plötzlich und unerwartet im Urlaub. Frau Sommer sah sich vor unlösbaren Problemen. Was sollte nun ohne Chef werden? Kein Job mehr, kein regelmäßiges Einkommen. Und wie sollte es für die Kunden weitergehen?
Veraltete Maklerverträge
Unterstützung erfuhr Frau Sommer durch einen freien Vermittler, der mit dem Makler zusammengearbeitet hatte. Er hätte die gesamte Makleragentur nebst Kunden und Mitarbeiterin gerne übernommen. Aber: Die vorhandenen Maklerverträge waren über zwanzig Jahre alt. Das Thema Nachfolge oder Verkauf war nicht geregelt. Aus Datenschutz-Gründen konnte der Maklerkollege nicht auf die Kunden zugehen und ein Einverständnis zur Betreuungsübernahme einholen.
In diesem Fall lief auch mir die Zeit für professionelle Unterstützung davon. Die ersten Versicherer holten ihre Bestände wegen „Nichtbetreuung“ zurück. Dennoch gelang es Frau Sommer zahlreiche Kunden anzurufen, ins Büro zu bitten und dann die Frage der zukünftigen Betreuung noch zu regeln. Makaber an diesem Fall: Der Makler hatte seit Langem vor, sein Unternehmen in eine GmbH umzuwandeln. Erste Informationen holte er ein, für die Umsetzung fehlte immer wieder die Zeit.
Der Aufwand für die Umwandlung der Personengesellschaft in eine Makler-GmbH oder GmbH & Co. KG ist eigentlich gar nicht so groß, wenn man einem klaren Fahrplan folgt. Die Umsetzung mit allen notwendigen Maßnahmen kann im Laufe eines Vierteljahres erfolgen und dann kann im Notfall alles ganz anders laufen, wenn es ganz „Dicke“ kommt.
Kein Verkauf: Privatinsolvenz
Am späten Abend klingt mein Telefon. Ein Rechtsanwalt fragt bei mir an, welchen Kaufpreis ich für einen Maklerbestand in Höhe von 40.000 EUR für möglich und realistisch halten würde. Diplomatische Antwort vom mir: Das kommt darauf an. Es folgen von mir einige Fragen zur Bestandszusammensetzung, zu Maklerverträgen, Digitalisierungsgrad, Region usw., also nach allem, was in der Kürze der Zeit notwendig ist, um zu einer Prognose zu kommen.
Es stellt sich schnell der Hintergrund der Frage des Rechtsanwaltes heraus. Der plötzlich verstorbene Makler hat gemeinsam mit seiner Frau noch ein Darlehen laufen. Da der Makler der Hauptverdiener der Familie war, steht die weitere Bedienung der Darlehensraten mit seinem Tod nun in der Luft. Die Witwe sieht die Gefahr und Notwendigkeit der Privatinsolvenz auf sich zurollen.
Mit einer vorsichtigen Schätzung eines möglichen Verkaufspreises von fünfzig- bis sechzigtausend Euro stimmt der Rechtsanwalt einer Sichtung des Bestandes und der Aufnahme von möglichen Verhandlungen zu. Nun musste es schnell gehen. Ein Blick in die registrierten Interessentendatei, welcher potentielle Käufer nach Region und Bonität zu dem Kauf passen würde. Es folgen Telefonate mit der Witwe und dem Kaufinteressenten. Ein Vororttermin an einem Wochenende wurde vereinbart.
Die Ergebnisse der Sichtung brachten Ernüchterung. Zwar sind ungefähr 600 Kundenverbindungen da, aber von professioneller Bestandsführung keine Spur. Nur wenige Maklerverträge, zumal noch von einem Pool, der eine Bestandsübernahme durch den Pools gegen eine kleine Rente für die Witwe vorsieht. Aber genau so eine Rente nützt der Witwe nichts, nur eine Einmalzahlung kann ihr Problem mit dem bestehenden Darlehen lösen.