Eine Branchenstudie hat die Geschäftszahlen der 50 größten deutschen Haftpflichtversicherer für das Jahr 2017 unter die Lupe genommen. Demnach können die Anbieter auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Eine durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote von 86,94 zeigt, dass die Sparte insgesamt profitabel ist. Und dennoch nahm auch die Zahl der Versicherer zu, die über der kritische Marke von 100 Prozent liegen: Aufwendungen für Schäden sowie weitere Kosten konnten diese Versicherer nicht mehr über die Prämieneinnahmen decken.
Genau zehn Versicherer konnten laut dem "Branchenmonitor Haftpflicht 2015-2017" kein positives Ergebnis im Vorjahr erzielen. Ihre Schaden-Kosten-Quote lag 2017 bei über 100 Prozent. Damit sprengten die Kosten die Prämieneinnahmen. Der Branchenmonitor fußt auf einer Analyse von Jahresabschlusskennzahlen der jeweils 50 größten Versicherungsunternehmen in Deutschland, durchgeführt durch die V.E.R.S. Leipzig GmbH und das Umfrageinstitut YouGov Deutschland GmbH.
Doch sind rote Zahlen und schlechte Rentabilitätskennzahlen in einer gut laufenden Branche Beleg für die Misswirtschaft der jeweiligen Versicherer? Der Versicherungsbote hat mal genauer hingesehen.
Ein zweiter Blick mit ambivalenten Befunden: Zahlen werfen Fragen auf
Ohne die Schwierigkeiten des Geschäfts für die zehn Versicherer zu leugnen, die im „Branchenmonitor Haftpflicht 2015-2017“ eine Combined Ratio von über 100 Prozent im Jahr 2017 aufwiesen, relativiert sich der Befund für einige Versicherer beim Blick auf weitere Kennzahlen. So trumpfen einige der vermeintlichen „Kosten-Prämien-Loser“ mit Schaden- und Bruttorückstellungen weit über den Durchschnitt auf oder haben überdurchschnittlich gute Betriebskostenquoten.
Zwar müssen Passivposten häufig als Reaktion auf die Schadenkosten-Intensität bewertet werden. Dennoch aber gilt zugleich: Gehen Versicherer bei der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Schadenfälle auf Nummer sicher und schützen sich mit einem besonderen finanziellen Polster, werden sie oft mit schlechteren Werten bei der Schadenquote oder der Schaden-Kosten-Quote bestraft (was bei einer isolierten Betrachtung der Combined Ratio oft nicht deutlich wird).
Auch stellt sich die Frage: Sind nachteilige Rentabilitätswerte wie hohe Schadenaufwendungen pro Versicherungsvertrag auch per se schlecht für den Kunden? Durchschnittswerte werden zwar kaum die Frage beantworten, wie zuverlässig ein Versicherer im jeweils spezifischen Schadenfall agiert. Jedoch sind die Branchenmonitore ein gutes Instrument, zu solchen Fragen hinzuführen.
Unter dieser Prämisse stellen wir weitere Zahlen aus den Branchenmonitoren vor, dieses Mal für die Haftpflichtversicherer mit einer schlechten Schaden-Kosten-Quote für 2017.
Zehn Versicherer sind betroffen: Die „Kosten-Prämien-Loser“
Zehn der 50 getesteten Haftpflichtversicherer müssen 2017 eine Schaden-Kosten-Quote von über 100 Prozent in Kauf nehmen. Eine Verschlechterung gegenüber 2016: Nur sechs Versicherer waren es zuvor, die über die Prämieneinnahmen die Aufwendungen und Kosten nicht decken konnten. Folgende Versicherer sind betroffen:
- Auf Rang 41 der Tabelle ist, mit dem zehntschlechtesten Wert, die Helvetia mit einer Combined Ratio von 102,70 Prozent. Für den Zeitraum von 2015 bis 2017 kletterte man erstmals über die kritischen 100 Prozent – 2016 stand die Quote noch bei 94,85 Prozent, 2015 bei 90,02 Prozent.
- Auf Rang 42 hält sich, mit dem neuntschlechtesten Wert: die HanseMerkur mit einer Combined Ratio von 103,71 Prozent. Die HanseMerkur konnte, trotz des schlechten Wertes, ihre Combined Ratio verbessern. Denn 2016 errechnete man noch 109,06 Prozent, landete noch drei Plätze weiter hinten in der Tabelle.
- Die achtschlechteste Schaden-Kosten-Quote auf Rang 43 verzeichnet die Itzehoer Brandgilde: 106,37 Prozent stehen zu Buche. Die Itzehoer Brandgilde beklagt außerdem die auffallendste Verschlechterung: 84,02 Prozent wies man noch 2016 auf, stand damals im Mittelfeld auf Rang 23. Nun also ging es zwanzig Ränge in der Tabelle nach unten. Kein anderer Versicherer der hinteren Ränge verschlechterte sich so stark nach Tabellenrängen.
- Bitter auch: 14 Ränge nach unten ging es für die Rhion Versicherung. 2017 musste man eine Schaden-Kosten- Quote von 106,83 Prozent schlucken, 2016 stand man bei besseren 86,89 Prozent.
- Dahinter auf Rang 45: die R+V Allgemeine mit einer Schaden-Kosten- Quote von 107,42 Prozent. Für die R+V Allgemeine gilt das Gleiche wie für die Helvetia: 2017 wirtschaftete man erstmals im untersuchten Zeitraum nicht auskömmlich. Denn 2016 durfte man noch 99,95 Prozent und 2015 sogar 99,93 Prozent verbuchen.
- Einen weiteren Rang darunter: Die NÜRNBERGER Allgemeine mit 108,03 Prozent. Dieser Rang ist eine leichte Verbesserung: Von Rang 47 für 2016 auf Rang 46, denn 2016 war die Quote mit 114,06 Prozent noch schlechter.
- 2017 auf Rang 47: Die BGV-Versicherung mit 110,85 Prozent. 2016 lag die BGV-Versicherung zwar unter 100 Prozent mit 96,47 Prozent, 2015 aber war der Wert wesentlich schlechter mit 128,51 Prozent.
- Auf Rang 48: Janitos mit 111,55 Prozent. Da man 2016 noch 102,89 Prozent vorwies, rutschte man 2017 vier Plätze nach unten.
- Den vorletzten Rang nimmt die VHV ein mit einer Combined Ratio von 121,99 Prozent. Kaum eine Veränderung zum Vorjahr: Mit 123,34 Prozent landete man auch 2016 auf dem vorletzten Platz.
Der letztplatzierte Versicherer im Schaden-Kosten- Ranking mit einer fast beeindruckend hohen Prozentzahl
Der letztplatzierte Versicherer hebt sich noch einmal deutlich bei den unvorteilhaften Quoten ab. 2015 standen für die Basler Sachversicherung noch 108,30 Prozent zu Buche, 2016 musste man schon den letzten Platz des Rankings mit 128,26 Prozent in Kauf nehmen. Derartige Werte aber wirken vergleichsweise moderat, nimmt man das Ergebnis für 2017 hinzu: Sage und schreibe 206,64 Prozent stehen als Schaden-Kosten- Wert auf dem Papier: weit abgeschlagen liegt damit die Basler Sachversicherung auf dem 50. Rang.
Schlechte Combined Ratio ... und dennoch top?
BGV-Versicherung, Basler Sachversicherung und VHV mit guter Absicherung in den Passivposten
Trotz des Einwandes, hohe (und damit gute) Schadenreserve- und Rückstellungsquoten wären eine Reaktion auf die Schadenkosten- Intensität, sollen überdurchschnittliche Werte an dieser Stelle herausgehoben werden. Denn dass überdurchschnittlich hohe Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Schadenfälle keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind, zeigt unter anderem der Vergleich der genannten zehn Versicherer auf den hinteren Plätzen des Combined-Ratio-Rankings. Das wird nun mit Bezugnahme auf die gesamten versicherungstechnischen Bruttorückstellungen in Prozent der gebuchten Bruttoprämien ausgeführt.
Die höchste und damit beste Rückstellungsquote der letztplatzierten Versicherer weist die BGV-Versicherung auf, die 2017 mit 35,48 Mio. Euro verbuchten Prämien (Rang 33 nach Marktanteilen) aufwartet: sehr gute 803,64 Prozent der gebuchten Bruttoprämien stehen auf der Passivseite der Bilanz, um für ungewisse Verpflichtungen vorzusorgen. Das ist nicht nur der beste Wert unter den letztplatzierten, sondern unter allen Versicherern. Keiner der 50 analysierten Haftpflichtversicherer nimmt es mit dieser Höhe an Rückstellungen in Relation zu verbuchten Prämien auf.
Überdurchschnittlich auch die Rückstellungsquote der Basler Sachversicherung, was trotz der sorgenerregenden Combined Ratio zumindest etwas beruhigt: 484,62 Prozent der 2017 verbuchten Prämien hält man auf der Passivseite und erreicht Rang vier aller Versicherer im Ranking. Nach Marktanteilen ist man der zwanzigstgrößte Versicherer, konnte die Prämieneinnahmen (trotz schlechtem Schaden-Kosten-Wert) sogar von 88,08 Mio. Euro auf 92,73 Mio. Euro für 2017 steigern.
Ein ähnliches Bild für die VHV: der nach Marktanteilen sechstgrößte Versicherer steigerte die verbuchten Prämieneinnahmen von rund 310 Mio. Euro auf rund 327 Mio. Euro und hält mit einer Rückstellungsquote von 414,80 Prozent ebenfalls ein gutes Polster in Relation zu den Einnahmen für zukünftige Verpflichtungen auf der Passivseite: man darf sich über die sechstbeste Rückstellungsquote aller 50 Versicherer freuen.
HanseMerkur und Rhion Versicherung als Kontrast: Schlecht gepolstert für ungewisse Verpflichtungen
Den niedrigsten Rückstellungs-Wert jener Versicherer, die eine Combined Ratio von über 100 Prozent aufweisen, nimmt die HanseMerkur in Kauf: 117,38 Prozent der gebuchten Bruttoprämien hält man als Bilanzposten auf der Passivseite. Damit landet man in der Wertung aller 50 Versicherer nur auf Rang 44, was zugleich bedeutet: Die hohe Schadenkosten-Intensität und schlechte Schaden-Kosten-Bilanz findet in der Rückstellungsquote keinen Kontrast.
Dergestalt auch: Die Rhion Versicherung. 137,61 Prozent der gebuchten Bruttoprämien sollen für Rhion zukünftige Verpflichtungen abbilden. Das ist zwar eine bessere Quote als 2016, als man nur 128,16 Prozent der verbuchten Prämien auf der Passivseite hielt (wodurch sich auch die Verschlechterung bei der Schaden-Kosten-Quote 2017 gegenüber 2016 erklären dürfte). Dennoch landet die Rhion Versicherung mit diesem Wert nur auf Rang 39 aller Versicherer.
Auffallend auch andere Werte (ein Beispiel)
Auch bei anderen Werten gibt es unter den letztplatzierten Combined-Ratio-Versicherern Auffallendes: die Betriebskostenquote soll nur als ein Beispiel dienen. So glänzen für 2017 die VHV mit 29,73 Prozent (Rang 8 aller 50 Versicherer) und die R+V Allgemeine mit 29,91 Prozent (Rang 9 aller 50 Versicherer) mit guten Werten.
Erneut aber nicht zu schlagen: Mit sehr guten 16,02 Prozent steht die BGV-Versicherung sogar bei der Betriebskostenquote in der Wertung aller 50 Versicherer auf dem Siegertreppchen und entscheidet, trotz schlechter Combined Ratio, eine weitere Gesamtwertung für sich. Zum wiederholten Mal übrigens: Auch 2016 glänzte man mit dem besten Wert und erreichte sogar eine Quote von 15,79 Prozent.
Schlechte Betriebskostenquoten der "Prämien-Kosten-Loser" hingegen präsentieren die Helvetia, die HanseMerkur, die NÜRNBERGER Allgemeine und Janitos für 2017: Mit 40,54 Prozent landet die Nürnberger Allgemeine auf Rang 38 aller 50 Versicherer, mit 40,90 Prozent landet die HanseMerkur auf Rang 39 aller Versicherer. Auf Platz 40 mit einer Quote von 41,08 Prozent: Die Helvetia.
Das Schlusslicht aller Versicherer aber stellt die Janitos: für eine Betriebskostenquote von 49,42 Prozent ist nur Rang 50 drin. Dass Versicherer mit schlechten Schaden-Kosten-Quoten die schlechteste, aber auch die beste Betriebskostenquote im Ranking einfahren, zeigt erneut: Werte dürfen nicht isoliert betrachtet werden, um das Geschäft eines Versicherers einzuschätzen.
Der „Branchenmonitor Haftpflichtversicherung 2015-2017“
Ausgewertet wurden für den „Branchenmonitor Haftpflicht-Versicherung 2015-2017“ BaFin-Berichte der Jahre 2015-2017 sowie das Statistische Jahrbuch 2018 des Branchenverbandes GDV, ebenso verschiedene Daten aus den Jahresabschlüssen der Versicherer. Der Monitor deckt 50 Versicherer und damit 91 Prozent des Haftpflicht-Marktes ab und kann kostenpflichtig auf der Webseite der V.E.R.S. Leipzig GmbH bestellt werden.